13. Jahrgang | Nummer 17 | 30. August 2010

BEMERKUNGEN

Streit um einen berühmten Knack-A.

Es ist ja schon die Frage, ob es allzu schlau ist von Italiens Kulturminister Sandro Bondi, sich ausgerechnet mit DEM anzulegen. Gibt es nicht andere Kunstwerke, auf die er sich stürzen kann? Ahnt er denn nicht, daß es so ausgehen könnte wie im ersten Buch Samuel, Kapitel 17? Daß er, Sandro Bondi, Goliath ist und früher oder später „mit dem Gesicht zu Boden“ fällt?

Aber Sandro Bondi tut es eben doch – er kämpft gegen David, beziehungsweise um ihn: Um jenen kolossalen David, den der große Michelangelo ab dem Jahr 1501 aus einem Block weißen Marmors herausschlug. Den besichtigen jedes Jahr rund 1,3 Millionen Besucher in der Galleria dell’Accademia in Florenz und hinterlassen bei 6 Euro 50 Eintritt eine Menge Geld. Und weil die Galleria dell’Accademia nicht ein städtisches Museum ist, sondern ein staatliches, fließen alle Eintrittsgelder in die Kasse des italienischen Staates: Jeder Euro, den ein Tourist hier zahlt, fällt sozusagen auf ein Fließband und wird zur Freude von Kulturminister Sandro Bondi direkt nach Rom getragen. Er hat sich nun durch ein Gutachten bestätigen lassen: Ja, David gehört dem italienischen Staat, mitsamt seiner Schleuder, seinem berühmten Knack-A. und all dem Geld, das er bringt: Schließlich sei die ehemalige Eigentümerin Davids, die Republik Florenz, im italienischen Nationalstaat aufgegangen.

Gegen die Allmacht des großen italienischen Staates und des fülligen Kulturministers zieht nun Matteo Ricci zu Felde, der Bürgermeister von Florenz. Er ist es leid, daß seine Stadtreinigung vor dem Museum jenen Touristen hinterherputzt, deren Geld dann ja doch nur an den italienischen Staat fließt. Deshalb hat er nun zum einen angekündigt, in Zukunft solle der italienische Staat für die Reinigungskosten vor der Galleria aufkommen; und zum anderen gehöre Michelangelos David ohnehin seiner Stadt. Dafür gäbe es „unanfechtbare Dokumente“. Für seine Sicht spricht: Immerhin war es die Florentiner Wollgilde, die den David bei Michelangelo in Auftrag gegeben hatte.

Im Streit um David wollen sich beide treffen, Sandro Bondi und Matteo Ricci, von einem Termin ist noch nichts bekannt. Womöglich übt der Bürgermeister von Florenz schon einmal mit einer Steinschleuder. Und womöglich warten auch bereits hunderte italienische Journalisten im Terebinthental im Heiligen Land, wo einst der Kampf zwischen David und Goliath stattgefunden haben soll, auf eine Neuauflage des biblischen Duells.

Martin Zöllner, Rom

Zettel für die Zukunft

Man sollte sich doch langsam Gedanken machen, wer nach uns kommt, was für coole Typen die Geschicke unserer Gesellschaft leiten werden? Auf dem Gothaer Bahnhof fand ich des Rätsels Lösung: einen Zettel, der das Elend der Zukunft verkörpert. Laßt mich ihn im Original, mit all seinen süßen Fehlern, wiedergeben:

– Schreib mal!
– Was!
– Irgendwas!
– du hast gesagt: schreib was. Hahaha. Schreib mit Baby.
– schreib mit was! Baby!
– schreib mit jetze.
– Hä?
– nicht hä! Schreib jetzt mit! Baby
– Was soll ich denn schreiben?
– Egal. Und, alles fit im Schritt?
– Hä?
– Bist du doof?
– Danke! Du nicht?!
– Nee ich nicht! Wie geht’s?
– Ich auch nicht! Danke, mir geht’s super, außer das mir übel langweilig ist!
– Bitte … stimmt, langweilig ist es wirklich! Wieso geht’s dir super?
– Weils alles super läuft! Und dir?
– Ja was läuft alles so super?? Gut, geht so.
– Alles was du dir vorstellen kannst!
– ö, ö ohooo cool. Das Bio mach ich für dich! Du nimmst Spezialisierung.
– OK! Danke! Aber die Kake muss ich doch mit jemanden zusammen machen?!
– Ist doch egal, sag mit wem und dann ist gut bring es dir Do mit!
– Ok! Danke schön! Kiss.
– Hehe. Kussi.

Und das wurde alles ohne Handy und verschiedene PC-Programme geschrieben.

Thomas Behlert

Voll Fett

Demokratie im Gewande des Kapitalismus, dem nur mühevoll mit dem Begriff Markwirtschaft kaschierten gesellschaftlichen Leitbild, hat ein viel ernsteres, geradezu existentielles Problem als Terror, Schulden, Finanzkrise, Hartz-IV-Empfänger oder Linkspartei: Sie schuf zuviel unvorstellbar Reiche. Bei diesem Begriff drängt sich gerade in anarchistischen Kreisen gern die Assoziation „fett und faul“ auf, welche allerdings höchst fehl am Platze. Gerade wegen ihrer Agilität, dem Drang noch reicher zu werden, noch mehr Einfluß zu gewinnen, noch mehr Leute auf ihre Seite zu ziehen, entstehen all die makroökonomischen Fehlentwicklungen und demokratiegefährdenden Zustände, die im wesentlichen Worte wie Korruption, Lobbyismus, PR-Agentur beschreiben.Genaugenommen wären zumindest aus volkswirtschaftlicher und auch aus demokratischer Sicht fette, faule, also völlig auf ihr Wohlleben und somit aufs Geldausgeben konzentrierte, sich um sonst nichts weiter kümmernde Reiche ein Segen.

Martin Nicklaus

Schwarze Katze

Sie ist keine Gefahr, sie schleicht durch die Straßen, Abergläubische erschrecken vor ihr, manche ekeln sich, andere wollen mit ihr kuscheln, sonst wird sie ignoriert. Die Stadt glüht, sie setzt ihre Pfoten vorsichtig auf den Stein, zwei Beine vor die anderen, ihr Fell ist jetzt so dünn, wie sonst nie, ihr Körper reagiert, sie steuert es nicht.

Er geht über den Gehweg, die Hitze glüht in seinem Schädel, Eiweiß gerinnt, kein klarer Gedanke, die Hosen lang, ein Knopf offen, er ist wichtig – rational.

Sie geht ihm entgegen, die Irrationalität bricht in seine Gedanken, was hatte die Mutter einst gesagt: „Von Links nach Rechts oder von Rechts nach Links?“ Nervosität, die Situation ist unbestimmt. Seine Unruhe überträgt sich auf das Tier. Sie schreitet auf ihn zu, ist verdutzt.

Sie ist ganz nah an ihm, hat Angst, will doch noch ausbrechen: „Ich darf das nicht zulassen, ich weiß nicht, was es bedeutet“, schreit es unformuliert in ihm.

Sie bricht aus, er wendet sich gegen sie, bellt auf, denkt er sei ein Hund, als Hund könnte er sie beherrschen, sie gehorcht, flüchtet geradeaus ohne seinen Weg zu kreuzen.

An seinem Fuß verliert sie ein weißes Haar, er achtet es nicht, nichts wäre geschehen, später fragt er sich was er dort tat.

Auf dem Rückweg kreuzt sie von rechts nach links seinen Weg, in weiter Entfernung, er wird zum Passanten ihrer Gerade, nach dem Verlust ihres weißen Haares ist sie ganz und gar schwarz. Nichts würde passieren, wenn nicht immer die Erinnerung an dieses Kreuzen sein würde, seine Nervosität steigern würde, er unsicher werden würde, bis das Pech ihn heimsucht – der Druck baut sich ab.

Aufatmen.

Paul

O-Töne

Ich bin der besten einer
Der Köpfe unterm Mond.
Ich weiß, sonst weiß es keiner,
Wo Deutschlands Muse wohnt.

Verschiedenes, das für die Menschheit spricht,
entfiel mir jüngst, und ich erwähn’ es nicht.

Und gäbst der Sau du einen Laptop, schau,
es bliebe doch die alte, dumme Sau.

Recht auf Gleichbehandlung
Die Glocke stört, es stört der Muezzin.
Man bringe sie zum Schweigen – die wie ihn.

Für einen Biß in die Banane ließ
Adam dem Beelzebub das Paradies.

Ein Irrer wickelt Lappen um ein Haus.
(Kommentar zur Verpackung des Reichtstags durch Christo)

Nur eines gäb’s, das für den Mammon spricht:
Wenn ich ihn hätte. Doch ich hab’ ihn nicht.

Der Menschen Volk, vom Kapital regiert,
ist wie ein Diamant, mit Kot beschmiert.

Peter Hacks

Wirsing

In einer der häufig eingeblendeten Schlagzeilen von n-tv konnte man erfahren: „Pakistan: Millionen von Seuchen bedroht“. Beruhigt das den Zuschauer nicht? Wären Millionen von Menschen bedroht – eine Katastrophe! Aber nur Seuchen sind betroffen. Vom Aussterben? Wer bedroht die Seuchen? Hoffentlich die moderne Medizin! Und ein paar Pillen können auch bei Journalisten das Denkvermögen stärken.

Fabian Ärmel