15. Jahrgang | Nummer 10 | 14. Mai 2012

Antworten

Wolfgang Schäuble, Oberkassenwart – Immer für eine Überraschung gut, haben Sie soeben und also mitten in den aktuellen Tarifrunden öffentlich für ein deutliches Lohnplus in Deutschland plädiert – surprise, surprise! Leider haben Sie sich dahingehend bedeckt gehalten, was Sie darunter verstehen. Die 6,5 Prozent Lohnsteigerung etwa, die die IG Metall für die Ihren fordert, oder jene drei Prozent, die von den Arbeitgebern in den Ring geworfen worden sind. Aus Ihrem Statement mag nun jeder entnehmen, was er unter einem „deutlichen Lohnplus“ versteht. So ist Ihnen also gelungen, was noch immer die hohe Schule des Schlitzohres war: Den Pelz gewaschen, aber sich nicht nass gemacht.

Anette Schavan, Fremdschämerin – „Als jemand, der vor 31 Jahren promoviert hat und in seinem Berufsleben viele Doktoranden begleiten durfte, schäme ich mich nicht nur heimlich.“ Das haben Sie vor gar nicht so langer Zeit zur Causa Guttenberg geäußert. Und als jemand, dessen Doktorarbeit sich mit dem Thema „Person und Gewissen. Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“ befasste, sollte das seinerzeit doppelt glaubwürdig gewesen sein. Nun aber stehen Sie selbst im Fokus der Plagiatsjäger. Wer im Glashaus sitzt, sollte halt nicht mit Steinen schmeißen, selbst wenn er in dieses Glashaus schon vor 31 Jahren eingezogen ist.

Warren Buffett, XXL- Finanz-Wizzard – Sie haben Ihre Aktionäre grade mit der Mitteilung beglückt, dass Ihr Investmentholding ihren Gewinn zu Jahresbeginn glatt verdoppelt hat, was uns für die Ihren wärmstens freut. Als jemand, der mit einem Privatvermögen von geschätzten 50 Milliarden Dollar zu den fünf reichsten Männern der Erde gezählt wird, zeichnen Sie sich aber nicht nur als pfiffiger Finanzier sondern auch durch tiefe Einsicht in das Wesen Ihres Tuns aus. Immerhin haben Sie auf die Frage, was Sie der zentrale Konflikt unserer Zeit sei, geantwortet: „Der Klassenkampf natürlich. Arm gegen Reich. Und meine Klasse, die Reichen, gewinnt gerade.“ Wo Sie Recht haben, haben Sie halt Recht.

Harald Schmidt, von SAT.1 Anfang des Monats entsorgter Entertainer – Gerüchte, dass Sie im wirklichen Leben genauso fies und zynisch seien, wie Ihre insbesondere von intellektuellen Nihilisten in früheren Jahren geliebten Shows zu deren besten (lange zurückliegenden) Zeiten bisweilen waren, gab es ja schon lange. Doch jetzt haben zwei Insider das Tabu de mortuis nil nisi bene gebrochen und in einem Spiegel-Interview in kongenialer Ergänzung gemeinsam aus dem Nähkästchen geplaudert.
Sie seien „kein Mensch“, meinte Ihr früherer engster Mitarbeiter Herbert Feuerstein: Feuerstein hatte Sie einst fürs Fernsehen entdeckt und gestand nun ein, in der gemeinsamen Senderreihe „Schmidteinander“ unter anderem unter Ihrer Faulheit gelitten zu haben: „Irgendwann hat er zum Beispiel für sich beschlossen, dass er keine Sketche mehr spielen möchte, für die er verkleidet und geschminkt werden muss. Dabei waren wir so gut! In meinen Lieblings-Sketchen saßen wir damals als Apfel und Ei kostümiert in einem riesigen Kühlschrank und philosophierten über Leben und Tod.“ Zwar drehte Feuerstein sein Verdikt („kein Mensch“) noch ins scheinbar Positive: Es „liegt etwas Übernatürliches in seiner Person“. Doch übernatürlich ist auch Belzebub. Und so kam’s dann auch. „Schmidt“, so Feuerstein, „setzte sich immer durch. Er ging vor wie ein afrikanischer Diktator. Nur dass er die Macht nicht hatte. Sonst hätte es bestimmt Tote gegeben.“ Ihr nachmaliger engster Mitarbeiter Manuel Andrack sekundierte: „In Wirklichkeit ist Schmidt noch gemeiner als auf der Bühne. In Konferenzen oder Vieraugengesprächen sagt er Sachen, die wären justitiabel.“ Daraufhin Feuerstein: „Normalerweise tritt man nicht auf jemanden, der am Boden liegt. Schmidt hingegen springt drauf.“
Und zum Niveau Ihrer TV-Auftritte bekannte Andrack: „In den vergangenen Jahren wurde vieles geschrieben, was die Show intellektuell überhöht hat. Schmidt und ich haben uns da immer einen drauf runtergeholt.“ Und Feuerstein ergänzte: „Die Intellektuellen, die sein treues Publikum waren, nahmen sich selbst so wichtig, dass sie wiederum die Sendung überhöht haben. Schmidts Motiv war nicht Gesellschaftskritik, sondern sein Ego.“
Nur über Ihre Perspektive waren sich die beiden nicht einig. Während Andrack Ihre Ära endgültig verdämmern sah, zeigte sich Feuerstein überzeugt: „Ich bin Atheist. Aber an Schmidts Wiedergeburt glaube ich.“ Recht hat er, denn Andracks Frage („Welcher Sender sollte ihn denn noch nehmen?“) ist inzwischen beantwortet – der Bezahlsender Sky. Das wäre dann das wievielte Comeback? Da fällt uns ein: Gab es nicht ein altes, bewährtes handwerkliches Hausmittel gegen Wiedergänger? Holzpflock, Hammer, Mitternacht …

Adolar Zumvergessen, Autor – Sie beschwerten sich jüngst in geharnischtem Tone, dass von Ihnen vorgenommene Änderungen an einem Ihrer Beiträge von der Redaktion nicht berücksichtigt worden seien. Wir setzten Sie daraufhin mit aller zur Gebote stehenden Sensibilität davon in Kenntnis, dass Ihre Mail mit den (äußerst geringfügigen, um nicht zu sagen geschmäcklerischen) Änderungen erst einen Tag nach Publizierung der betreffenden Ausgabe überhaupt in der Redaktion eingetroffen war. Wir werden unsererseits dergleichen Mücken auch fürderhin nicht zu Elefanten aufblasen, denn wie heißt es doch ebenso sinngemäß wie unvergesslich im letzten Satz von Manche mögen’s heiß: „Shit happens.“
Allerdings erwägen wir für den Wiederholungsfall eine klarerere Sprache – etwa nach Art von Siegfried Jacobsohn, der am 17. Februar 1925 an Kurt Tucholsky schrieb: „Du bist und bleibst ein selten dämlicher Hund. ‚Arbeit tut not –!’ kam Freitag und wurde Sonnabend gesetzt und an Dich abgeschickt. Sonntag stellte sich heraus, daß es grade in die Nummer von Montag paßte. Sollt’ ich da etwa Deine zwei lumpigen Korrekturen abwarten? Sei froh, daß es nur zwei waren. Du hättest ja auch Lust haben können, das ganze Gedicht umzuarbeiten. Jedenfalls zieh daraus die Lehre, daß es gut für Dich ist, mir einen Haufen Tigers auf Vorrat zu schicken, die auf ein Mal gesetzt und auf ein Mal von Dir korrigiert werden, und zwischen denen ich dann jeweils wählen kann.“