14. Jahrgang | Nummer 16 | 8. August 2011

Peacekeeping – Vorwand zur Aufrüstung Afrikas

von Christoph Marischka

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel begründete den Angola in Aussicht gestellten Verkauf von sechs bis acht Patrouillenbooten unter anderem mit dem „erklärte[n] Ziel, die oft aus Bürgerkriegen stammenden afrikanischen Armeen besser auszubilden, damit sie künftig mehr UN-geführte Sicherheitsmissionen auf ihrem Kontinent übernehmen könnten“. Reuters zitierte sie hierzu mit den Worten: „Wir sind froh, wenn wir solche Einsätze nicht mit Europäern alleine machen müssen. Und Afrika will hier etwas tun.“
Tatsächlich handelt es sich bei der weiteren Militarisierung des globalen Südens und insbesondere Afrikas um eine erklärte Strategie der G8-Staaten. Diese verabschiedeten bei ihrem Gipfel 2004 in Sea Island einen Aktionsplan mit dem Ziel, „die globalen Fähigkeiten, die zur Friedensunterstützung bereitstehen, zu vergrößern“. Im Rahmen der hieraus hervorgegangenen „Global Peace Operations Initiative“ sollten zunächst 75.000 Soldaten – überwiegend aus Afrika – von den USA für „Peacekeeping“-Einsätze ausgebildet und ausgerüstet werden. Im Oktober 2010 war dieses Ziel mit der Ausbildung und Ausrüstung von 140.000 Soldaten aus 56 Staaten mehr als erreicht. Die Kosten, die sich hierfür für den US-Haushalt ergaben, beliefen sich allein in den ersten 3 Jahren auf 374 Mio. US$, die jedoch überwiegend an US-amerikanische PMCs (Privat Military Companies) und die heimische Rüstungsindustrie zurückflossen.
Gleichzeitig wurden, ebenfalls im Rahmen der G8-Initiative, am „Center of Excellence for Stability Police Units“ (CoESPU) im italienischen Vicenza 3.000 Polizeiausbilder aus Drittstaaten von Carabinieri fortgebildet, um in ihren Heimatländern robuste Polizeieinheiten nach dem Vorbild der „European Gendarmerie Force“ aufzubauen. Unterstützt werden sie dabei von „Mobile Assistance Teams”, welche die Länder des Südens auf der Suche nach geeigneten Polizeikräften bereisen. Die Arbeit des CoESPU konzentrierte sich zunächst auf Indien, Jordanien, Kenia, Marokko, Senegal und Kamerun.
Die Aufrüstung des globalen Südens durch die G8-Staaten beschränkt sich jedoch bei weitem nicht nur auf die Initiative von Sea Island, sie erfolgt darüber hinaus auch im Rahmen der EU-Strategie für Afrika und im Rahmen konkreter „Peacekeeping“-Operationen. Beispiel Sudan: im Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der UNAMID-Operation in Darfur (Sudan) hieß es:
„Auf Bitten der Vereinten Nationen und von UNAMID hat zudem die Bundeswehr im August 2010 … im Hauptquartier von UNAMID in El Fasher Stabsoffiziere aus vorwiegend afrikanischen Herkunftsländern für ihre Tätigkeit ausgebildet. Aufgrund des großen Erfolges wurde die Ausbildung für UNAMID im vergangenen Dezember wiederholt, dieses Mal in Zusammenarbeit mit dem United States Africa Command in der logistischen Basis der Vereinten Nationen in Entebbe/Uganda.“
Neben der unmittelbaren Ausbildung im Rahmen der UNAMID dient der Darfur-Konflikt jedoch auch als Anlass, weitere Drittstaaten mit Geldern aus dem Auswärtigen Amt und Unterstützung durch das Innenministerium bei der Ausbildung und Ausrüstung ihrer Sicherheitskräfte zu unterstützen. Im Koalitionsantrag heißt es, dass die Bundesregierung gezielt afrikanische Staaten unterstützt, die Polizeikräfte bei UNAMID stellen, um zur Schließung der weiterhin vorhandenen Lücken bei gut ausgerüsteten und ausgebildeten Polizeieinheiten beizutragen und die afrikanischen Fähigkeiten zur Durchführung von Friedensmissionen zu stärken. Das Auswärtige Amt hat beispielsweise eine senegalesische Polizeieinheit für den Einsatz bei UNAMID ausgestattet (Volumen der Leistungen: ca. 4,1 Mio. Euro). Es setzt auch die Vorbereitung afrikanischer Polizisten für Einsätze bei UNAMID am „Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre“ in Accra fort (Volumen 2011: ca. 700 000 Euro). Dort werden insgesamt 300 Polizisten aus Ghana, Nigeria, Senegal und Sierra Leone werden 2011 trainiert.
Ganz unabhängig davon, wie man zum UN-“Peacekeeping“ generell und zu den einzelnen Einsätzen in Haiti, Kongo, Sudan oder Somalia stehen mag, muss man zur Kenntnis nehmen, dass hier Polizei- und Militärkräfte für Staaten ausgebildet werden, die durchaus nicht als „lupenreine Demokratien“ gelten. Erinnert sei hier nur an die Räumung von Slums in Indien, die schweren Unruhen nach den Wahlfälschungen in Kenia 2007, die völkerrechtswidrige Besatzung der Westsahara durch Marokko, bei denen die in Europa ausgebildeten „Sicherheitskräfte“ zum Einsatz gekommen sein könnten. Auch wenn diese Ausbildung vorrangig ihren Einsatz in Drittstaaten ermöglichen soll, so ist ein Einsatz gegen die heimische Opposition keineswegs ausgeschlossen. Von den bis 2008 durch die USA ausgebildeten und ausgerüsteten 39.518 Soldaten waren zu diesem Zeitpunkt lediglich gut die Hälfte in Drittstaaten – darunter auch Afghanistan – im Einsatz, 17.522 von ihnen versahen ihren Dienst im Heimatland.
Wie problematisch Polizeihilfe und Rüstungsexporte an autoritäre Regime sind, wurde im Zuge der Aufstände in Nordafrika kurzfristig thematisiert. Deutsche BKA-Beamte hatten ägyptische Sicherheitskräfte für die „Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ ausgebildet, Ägypten, Algerien, Tunesien, Jordanien und dem Jemen wurde „Ausstattungshilfe in Form von Führungs- und Einsatzmitteln, Kriminaltechnik, Kraftfahrzeugen sowie IT-Technik und Büroausstattung“ kostenlos zur Verfügung gestellt und Störsender nach Libyen verkauft. Bahrain erhielt noch im Jahre 2009 „Waffen im Wert von 2.034.770 Euro … darunter Maschinenpistolen und Munition“, Die Anfang Juli in Aussicht gestellte Lieferung von 200 für die Aufstandsbekämpfung optimierten Leopard II Kampfpanzern musste als nachträgliche Zustimmung zum gewaltsamen Einmarsch Saudi Arabiens in Bahrain verstanden werden. Im Jemen war noch zu Anfang des Jahres eine Beratergruppe der Bundeswehr aktiv und koordinierte die militärische Ausstattungshilfe, bis „die derzeitige innenpolitische Lage in Jemen … einen Abzug der Beratergruppe und damit auch eine Unterbrechung der Kooperation mit der Küstenwache“ erforderlich machte.
Eine vergleichbare Beratergruppe ist bis heute im Senegal aktiv. Auch sie soll „Unterstützung der senegalesischen Streitkräfte im Bereich der Friedenserhaltung“ leisten.
Womöglich wird bald auch diese Beratergruppe abgezogen werden, denn in der senegalesischen Hauptstadt Dakar kam es Ende Juni zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten, bei denen zahlreiche Menschen teils schwer verletzt wurden. Anlass der Massenproteste war der Versuch des amtierenden Präsidenten, Abdoulaye Wade, seine Wiederwahl bei den für Februar 2012 geplanten Wahlen durch eine Verfassungsänderung abzusichern, um das Amt anschließend seinem Sohn zu übergeben. Die Entscheidung über die Zulässigkeit seiner dritten Kandidatur soll im September der senegalesische Verfassungsrat fällen, dessen sämtliche Mitglieder vom Präsidenten selbst ernannt wurden. Die Lage könnte sich dann – angeheizt durch häufige Stromausfälle und Überschwemmungen – erneut zuspitzen. Wird sich dann die senegalesische Einsatzhundertschaft, die durch das Auswärtige Amt mit Unterstützung des Technischen Hilfwerkes mit „Fahrzeugen, Wasseraufbereitungsanlagen, Generatoren, IT-Ausstattung und persönlichen Ausrüstungsgegenständen“ für den Einsatz in Darfur ausgestattet wurde, an der Niederschlagung der Proteste beteiligen? Die von Deutschland gelieferten „persönlichen Ausrüstungsgegenstände“ sind jedenfalls in das Eigentum der senegalesischen Gendarmerie übergegangen.