14. Jahrgang | Nummer 9 | 2. Mai 2011

Ach, Kuba …

von Heinz W. Konrad

In unverbrüchlicher Treue sind feste Freunde dieses Landes – wieder mal und wie stets – begeistert von dem,  „was der Parteitag beschloss“. In diesem Falle also der soeben beendete in Havanna, erst der sechste überhaupt und zustande gekommen 14 Jahre nach dem fünften; ein Zeitraum, in dem die Partei ihre führende Rolle also ohne irgendein nennenswertes demokratisches Votum, nicht mal innerhalb der Partei, ausgeübt hat. Um nun – vor allem – dreierlei zu tun, was diesem Parteitag entsprechendes internationales Interesse eingetragen hat:
Erstens, seinem Kurs treu zu bleiben. „Patria o muerte!“ – auch für den „socialismo“ kommt weiterhin als Alternative nur der Tod infrage. Bewundernswert freilich, wenn man bedenkt, dass dieses sozialistische Dasein nun schon für drei Generationen mit, um es freundlich zu sagen, vielen, vielen Misshelligkeiten verbunden ist, und dies nicht nur im Bereich des materiellen Daseins. Den unverbrüchlichen Kuba-Fan hierzulande indes ficht das nicht an. Er übt Solidarität, hilft, wo er kann, und ist ansonsten stolz auf die Leidensfähigkeit des von ihm so geliebten Volkes; eine Haltung, die aus der sicheren Position westeuropäischen Wohlstands, politische Freiheiten inbegriffen, ausgesprochen komfortabel ist.
Zweitens: Mal abgesehen davon, dass sich ein Raúl Castro mit 79 Jahren(!) unter anderem mit dem Hinweis darauf, dass die Partei es nicht geschafft habe, junge Kader für leitende Positionen heranzuziehen (nach über 50 Jahren!) wiederwählen lässt, hat sich der amtierende „maximo lider“ nun über die selbstgemachte Verbürokratisierung des Landes (mehr als fünf der elf Millionen Landesbewohner sind im Staatssektor, nicht zuletzt in allerlei Verwaltungen, tätig) ereifert und damit begonnen, diese radikal einzuschränken.
Und er hat drittens beklagt, was die kubanische KP (alias Fidel und Raúl Castro) selbst zuwege gebracht hat – die Versorgungsmentalität der Kubaner, die sich nun als Teilhemmnis beim Aufbruch zu den Ufern von mehr privater Initiative erweist. An dieser Fehlentwicklung ändert auch die gern attestierte humanistische Absicht nichts.
Nun ist das Scheitern wirtschaftspolitischer Pläne in einem Land, das unter den bekannten und zweifellos schweren Umständen seinen Weg hin zu einer lebenswerten Gesellschaft geht, ja nicht das Problem, jedenfalls solange die Absichten so honorig und glaubwürdig sind wie eben auf Kuba. Nur – es sind die Absichten einer Minderheit, die ihr Volk gewissermaßen in Haftung nimmt. Und wo noch immer niemand aus dem Führungszirkel auf die Idee kommt, die Folgen politischer Verfehlungen zum Beispiel dadurch zu verantworten, dass er seinen Hut nimmt und sich – von mir aus mit Hinweis auf die guten Absichten – bei seinem Volk entschuldigt. Wie es um die „feste Einheit von Partei und Volk“ hierzulande bestellt war, die von scheinbaren Mehrheiten noch Wochen vor dem Platzen der Blase „überzeugend“ bekundet worden ist, sollte uns noch in Erinnerung sein.
Nein, es geht nicht darum, Kuba „fallen zu lassen“. Aber wer, wie etwa die Zeitung Junge Welt, die „Fairness“ ihrer apologetischen Haltung zu Kuba sogar als mediales „Alleinstellungsmerkmal“ rühmt, der tut damit zwar ganz sicher seinem unerschütterlich reinen Gewissen etwas Gutes, ob er den Kubanern hilft, ist eine andere Sache. Sich weitere drei, vier, fünf Generationen für etwas aufzuopfern, das sich – außer im lateinamerikanischen Rausch der Emotionen dieser Märtyrerzeit – als wert erweist, darf zumindest bezweifelt werden. Auch dann, wenn man den Kubanern allemal voll Sympathie gegenüber steht, und ihnen gern die erneute Bürde der klassentrennenden „Segnungen“ der Marktwirtschaft ersparen würde, wie sie Millionen Menschen in Osteuropa erleben. Nur eben: wer darf sich das Recht anmaßen, als Volkes Vormund darüber zu entscheiden?