13. Jahrgang | Nummer 14 | 19. Juli 2010

Kurze Wanderung durch die Mark (II)

von Erhard Weinholz

Wachow, ein paar Kilometer nordwestlich des langgestreckten Beetzsees gelegen und Heimatort des Countertenors Jochen Kowalski, war das Ziel meines zweiten Wandertages. Er begann mit angenehmen Überraschungen: Der befürchtete Wadenmuskelkater war ausgeblieben, auch der Rücken machte, obwohl ich einiges im Rucksack hatte, keine Beschwerden. Und die Verkäuferin beim Bäcker gleich neben dem Hotel packte mir, als ich meine Thermoskanne mit Kaffee füllen ließ und erwähnte, ich sei auf Wanderschaft, zu den zwei gekauften Gebäckstücken gleich die ganze Tüte voll.

Richtung Südwesten ließ ich dann Nauen auf der Deutschen Alleenstraße hinter mir. Der Name bezeichnet allerdings eher eine Absicht, denn jung und dünn noch waren die Bäume links und rechts des Asphalts. Im Straßengraben leuchteten blaue Blüten – es war die Kleine Traubenhyazinthe, die da emporwuchs; „selten“, vermerkte mein Taschenbuch der heimischen Frühjahrsblumen. Später sah ich noch ein ganzes Nest davon. Auf den Feldern hingegen wuchs Raps, Raps und nochmals Raps.

In der Ferne fiel mir ein steiler Hügel auf. Bietet bestimmt gute Aussicht in diesem platten Land, dachte ich, und erwog einen Abstecher – so viel Freiheit muß bei aller Routenplanung sein. Eine Baumreihe führte dorthin, und wo eine Baumreihe ist, ist ja auch ein Weg. Aber das war ein Irrtum. Waren etwa auch hier unter Obhut der Partei Schutzwaldstreifen gepflanzt worden? „Nastja hörte zu und dachte dabei an Stalin. Er sorgte sich also um die Schutzwaldstreifen!“ (Xenia Lwowa, Wald in der Steppe, Berlin 1951)

Nach einer längeren Strecke Weges kam ich an die Bahnlinie Richtung Stendal. Groß Behnitz mit seinen sehenswerten Gutsanlagen, einen Stern haben sie mindestens verdient, lag zwar erst hinter den Gleisen, doch ich bog schon davor ab. Die Karte verzeichnete einen Bahnhof Behnitz, und zu einem Bahnhof gehört doch wohl ein Übergang. Dieser Irrtum kostete mich eine gute halbe Stunde.

Das Behnitzer Landgut war einst Eigentum der Familie Borsig gewesen; Albert, der Sohn des Firmengründers, hatte es 1866 gekauft. Im Stil der Schinkelschule ließ er große, solide Wirtschaftsbauten und ein Schloß errichten. Das Gutsportal schmücken Skulpturen vom Oranienburger Tor, das man damals abgerissen hatte. Alberts Enkel Ernst von Borsig jr., der im Kreisauer Kreis am Widerstand gegen die Nazis beteiligt war, besaß dann als Letzter aus den Reihen der Familie das Gut. Im Zuge der Bodenreform wurde es aufgeteilt. Schon 1947 war das Schloß abgebrannt. Die restlichen Anlagen verfielen erst nach der Wende, werden aber seit Jahren gründlich rekonstruiert. Die Innenarbeiten sind noch immer nicht abgeschlossen. Eine etwas gespenstische Atmosphäre lag über dem Anwesen, als ich unter dunklem Himmel über den geräumigen Hof schlenderte: Weit und breit niemand zu sehen, und um die Ecken pfiff der Wind. Schließlich traf ich im Café zwei junge Frauen, die mich auf die umfängliche Ausstellung zur Gutsgeschichte im Obergeschoß des Hauses verwiesen. Auch ein Hotel gibt es auf dem Gelände, ein Standesamt, einen Tagungssaal, ein Kinderpädagogisches Zentrum. Ob all das den Ort wieder mit Leben füllen wird, ist noch ungewiß.

Auf Groß Behnitz folgte, in einigem Abstand, Klein Behnitz. Einen Deutschen Bundespfennig, stark oxydiert und kaum noch als Münze kenntlich, fand ich dort am Wegesrand. Ansonsten ist über Klein Behnitz nichts zu vermelden.

Hinter Klein-Behnitz, Wachow war nicht mehr fern, kam die Hürde des Tages: Um den Ort zu erreichen, konnte man den Riewendt-See südlich umrunden, was einen beträchtlichen Umweg bedeutet hätte, oder nördlich davon durch den Wald wandern. Ich entschied mich für den Waldweg. Ob es der von den Kartenmachern empfohlene war, weiß ich bis heute nicht, auf alle Fälle war er nicht einfach schlecht, wie auf der Karte eingezeichnet, sondern sauschlecht. Lange Zeit befürchtete ich zudem, er würde irgendwo im Gelände enden, aber er führte mich doch ans Ziel. Das Hotel war diesmal leicht zu finden; für den Abend hatte ich Heinrich Seidel im Rucksack, „Reinhard Flemmings Abenteuer zu Wasser und zu Lande“. Der Titel schien mir halbwegs passend für mein Unternehmen zu sein.