14. Jahrgang | Nummer 26 | 26. Dezember 2011

Antworten

Eckart Spoo, Ossietzky-Herausgeber – Sie haben dieser Tage Ihren 75. Geburtstag begangen, wozu auch das Blättchen herzlich gratuliert und mit Respekt vor Ihrer allzeit links-engagierten journalistischen Lebensleistung, zu der seit 14 Jahren nicht zuletzt Gründung und Herausgabe der Zeitschrift Ossietzky gehört, seine Grüße und guten Wünsche übersendet.

Siegfried Jacobsohn, Gründer und Herausgeber der Schaubühne und der Weltbühne – Am 16. August 1922 schrieben Sie aus der Sommerfrische aus Kampen / Sylt an Kurt Tucholsky: „Das Blättchen wird nicht nur gelesen, sondern verschlungen. Ein Radfahrer aus Westerland verkauft jede Woche allein in Wenningstedt und Kampen durchschnittlich fünfzig Stück.“ Wir danken für diesen Hinweis und werden die Lieferungen auf die nordfriesischen Inseln sofort verdoppeln!

Tanjev Schultz, Autor der Süddeutschen Zeitung – „Eine Gesellschaft, die zu viel Ungleichheit zulässt, treibt die Menschen in den Neid“, stellen Sie höchst berechtigt fest. „Sie zerstört die Selbstachtung derjenigen, die schwer schuften und trotzdem auf keinen grünen Zweig kommen …. Der Neid ist in diesem Fall nicht mehr jenes hässliche, irrationale Gefühl, wie es zwischen Menschen auftritt, deren Lebensumstände gar nicht so verschieden sind. Es geht nicht mehr nur darum, dass der Nachbar einen etwas größeren Wagen fährt. Es geht um eine tiefsitzende Demütigung und eine Erosion des Glaubens an den Wert eigener Tüchtigkeit und Leistung.“ Wir haben dem nichts hinzuzufügen.

Kurt Tucholsky, Hell- und Weitsichtiger – „Jede Wirtschaft beruht auf dem Kreditsystem, das heißt auf der irrtümlichen Annahme, der andre werde gepumptes Geld zurückzahlen,“  haben Sie uns 1931 in dem Weltbühnen-Text Kurzer Abriß der Nationalökonomie erklärt. Und weiter: „Tut er das nicht, so erfolgt eine sog. ‚Stützungsaktion‛, bei der alle, bis auf den Staat, gut verdienen. Solche Pleite erkennt man daran, dass die Bevölkerung aufgefordert wird, Vertrauen zu haben. Weiter hat sie ja dann auch meist nichts mehr.“

Jutta Kramm, Berliner Zeitung – Zur causa Christian Wulff lautete Ihr Fazit jüngst und zutreffend: „Wir kennen Wulff nun als Politiker, der nicht klar differenzieren kann zwischen Schwindel, Wahrheit und Wahrhaftigkeit, als Politiker, der gelegentlich das Parlament missachtet, als Politiker, der die Bürger hinters Licht führt und der über sein Amt zu wenig weiß. Ein Präsident, der zu unreif ist für seine Bürde. Reden über Vorbilder, über Glaubwürdigkeit und Anstand kann er sich erst einmal sparen. Doch weil die Affäre zu banal, die Krise zu groß und die Regierung zu schwach ist, darf er auf Bewährung hoffen.“ Allerdings können wir uns die Bemerkung nicht verkneifen, dass Sie sich angesichts dieser formidablen Misere ein paar professionelle Trostworte für den Souverän, also für uns alle, schon hätten abringen können. Denn schließlich wäre Christian Wulff selbst dann, wenn er noch irgendwo ein paar silberne Löffel gemaust hätte  (nicht, dass wir dies vermuteten, aber in so Affären pflegt ja bisweilen auch zu Zeiten, wenn der Betroffene bereits „die ganze Wahrheit“ auf den Tisch gepackt hat, noch dieses oder jenes nachzukommen) kein Präsident wie George W. Bush, der völkerrechtswidrig Krieg anzettelte, oder wie Charles de Gaulle, der in seiner Hauptstadt hunderte von friedlich protestierenden Immigranten erschießen, erschlagen oder in der Seine (respektive Spree) ertränken ließ, ja nicht einmal wie Wladimir W. Putin, der aus dem zarten Pflänzchen der aufkeimenden demokratischen Kultur seines Landes ein Kasperletheater macht. All dieses zeigt doch: Schlimmer geht’s immer. Und da sind wir Deutschen wieder einmal noch ziemlich gut bedient.”

Saarbrücker Zeitung – „Während die Menschen in Deutschland insgesamt immer älter werden, sinkt bei Geringverdienern die Lebenserwartung. Bei Arbeitnehmern mit geringem Einkommen lag sie 2001 noch bei 77,5 Jahren, im Jahr 2010 aber nur noch bei 75,5 Jahren“, haben Sie mit Bezug auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Linksfraktion im Bundestag dieser Tage berichtet. In den neuen Ländern sei der Verlust an Lebensalter bei den Geringverdienern noch drastischer: Hier sank ihre durchschnittliche Lebenserwartung von 77,9 auf 74,1 Jahre. Der Trend zur Verlängerung der Rentenbezugsdauer gelte demnach nur für Personen mit durchschnittlichem oder überdurchschnittlichem Einkommen. Wir sind also wieder bei kapitalistischen Zeiten, deren scheinbare Überwindung lange als Abkehr vom Negativbild dieser Gesellschaft gefeiert wurde: Weil du arm bist, musst du früher sterben.

Matt Rubinger, Fachmann für Luxusgüter des New Yorker Hauses Heritage Auctions – Die jüngste Auktion Ihres Hauses sei ein großer Erfolg gewesen, rühmen Sie der Aktion nach. Unbestrittener Höhepunkt: die Versteigerung einer „Birkin Bag“ von Hermès mit dem Zuschlag für das 203.150 Dollar-Angebot eines Texaners , der somit die nun teuerste Handtasche der Welt sein eigen nennen darf. Wenn die Westerwelles und Co. mal wieder ein Beispiel für spätrömische Dekadenz benötigen sollten, der „Birkin Bag“ sei ihnen auch dann anempfohlen, wenn überreichlich weitere Perversitäten zur Auswahl stehen.

Barry Manilow, amerikanischer Pop-Barde – wegen einer Schleimbeutelentzündung müssen Sie kürzer treten, lesen wir im Panorama der Berliner Zeitung, und sicher ist das vielen anderen Zeitungen mit ähnlichem Seriositätsanspruch auch zu entnehmen. Wer nun meint, dies sei nur der Auftakt einer mitteilenswerten Nachricht, irrt: Dies ist die mitteilenswerte Nachricht; Chapeau!

Volker Kauder, Pfeifer im dunklen Keller – „Die Koalition ist handlungsfähig. In der Außendarstellung haben wir allerdings immer wieder Probleme“, haben Sie dieser Tage mutig in die entsicherten Memogeräte von Interviewern gewahrsagt. Man muss nur fest dran glauben, gell? Denn dass innen vielleicht etwas so faul ist, dass es sich auch nach außen einfach nicht besser darstellen lässt, dürfen wir als Überlegung Ihrerseits bei so viel Realitätsverdrängung ja wohl ausschließen.

Norbert Schneider, Rheinland-Pfälzischer Spiegel-Leser – „Legislative, Exekutive, Judikative? Das war einmal! Die Spekulative hat jetzt die eigentliche Macht.“  Zu dieser dichten ja, wasserdichten Definition des Jetzt und hier, wie Sie Ihnen in einem Leserbrief an das „Sturmgeschütz der Demokratie“ gelungen ist, kann man Ihnen nur neidvoll gratulieren.

Kim Jong Un, „Großer Nachfolger“ – Gewiss ist dies noch nicht der letztverbindliche Titel Ihres gottgeweihten Amtes als der neue Führer Nordkoreas. Ein wenig Mühe wird es Ihrer Protokollabteilung aber doch machen, eine adäquate Firmierung für Sie zu finden. Der „Große Führer“ war schon an den Großvater und der “Geliebte Führer“ an Ihren eben verstobenen Papa vergeben worden. Aber zumindest in dieser Hinsicht hat der sehr, sehr spezielle „Sozialismus“ Pjongjangs ja doch immer wieder flexible Findigkeit bewiesen und so sind wir guten Mutes, Sie bald final etikettiert zu sehen. Ob dann als jemand, der vielleicht ja sogar Verstand und Mut hat, Nordkorea aus der menschenverachtenden Diktatur und der internationalen Isolierung herausführen zu wollen oder als nur weiterer Genießer Kim´scher Freunden an der All-Macht wird sich ebenso zeigen.

Mayas, Untergegangene – Am 21. Dezember des kommenden Jahres geht die Welt unter, haben Sie uns als schwere Wissenshypothek hinterlassen. Sie haben es gut, haben Sie sich doch schon lange aus dem Staube gemacht und wir können nun raten, ob sich die Prophezeiung dadurch erfüllt, dass Philipp Rösler die zurücktretende Angela Merkel als Kanzler beerbt oder die Linkspartei Deutschland und den Rest der Welt per Putsch in ihre Hände bekommt.

Markus Söder, bayerischer Kassenwart – Für Markigkeit waren Sie ja schon immer zu haben, wir fragen uns sogar, ob Sie überhaupt etwas anderes können. Im Spiegel haben Sie nun gefordert, überschuldete Bundesländer genauso zu bestrafen wie es die EU für die Euro-Länder beschlossen hat. Auch den Länderfinanzausgleich stellen Sie in Frage. Nun sind Sie noch so herrlich jung, dass Sie das eine oder andere aus der Geschichte Ihrer schönen weiß-blauen Heimat vermutlich nicht wissen. Aber wir möchten doch schon daran erinnern, dass Bayern von 1950 bis einschließlich1986 (siehe wikipediea/Länderfinanzausgleich) Empfängerland des besagten Finanzausgleiches war und in diesen 36 Jahren immerhin rund 3,5 Milliarden DM solidarisch entgegengenommen hat. „Verbunden werden auch die Schwachen mächtig“, hat Friedrich Schiller uns überliefert. Übel freilich, wenn die dann mächtig Gewordenen die ihnen so nützliche Verbundenheit zu zerstören gedenken.