28. Jahrgang | Nummer 22 | 15. Dezember 2025

Rügens erste Bäder

von Dieter Naumann

Eine der bekanntesten deutschen Modezeitschriften war das Journal des Luxus und der Moden des Weimarer Verlegers Friedrich Justin Bertuch. Namenswechsel in den 42 Jahrgängen zwischen 1786 und 1827 taten dem Erfolg keinen Abbruch.

In der Literatur werden rund 25.000 Leser angenommen, denen jeweils monatlich eine etwa 30 Seiten umfassende Loseblattsammlung zur Verfügung stand. Neben den mit etwa 1.500 teilweise kolorierten Kupferstichen illustrierten Berichten über die neuesten europäischen Modeerscheinungen und der Diskussion über „angemessene“ Kleidung wurde eine Vielzahl an historischen und aktuellen Themen behandelt: Neugründung und Aufführungen von Theatern, Entwicklungen im Bereich der Innenarchitektur, Vorschläge zur Gartengestaltung, neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Technik, politische Ereignisse und ihre Akteure – um nur einige Themen zu nennen.

Angesichts dieser Themenvielfalt kann es kaum überraschen, dass sich das Journal auch mit den frühen rügenschen Bädern befasste: In der Juni-Ausgabe des 15. Jahrganges (1800) erschien in der Rubrik „Badechronik“ ein Aufsatz „Ueber die neueingerichteten Bäder zu Sagard, auf der Insel Rügen“, der im Dezember 1805 durch „Ueber das Bad zu Sagard auf Rügen“ ergänzt wurde.1817, in der November-Ausgabe des 32. Jahrganges, beschrieb ein Beitrag „Das Seebad zu Putbus“.

„Ohnstreitig“ gehöre das Reisen in die Bäder und das Baden selbst zur „vorzüglichsten Modesucht“, weshalb in allen Gegenden darauf gedacht werde, Gesundheitsquellen zu erschließen und bei diesen Bäder einzurichten. So auch bei Sagard auf der Insel Rügen. Allerdings sei die dortige Quelle nicht erst jetzt entdeckt worden Das Journal nimmt hier Bezug auf Johann Friedrich Zöllner, der 1795 Rügen besuchte und feststellte, Sagard soll bereits vor 1750 durch einzelne Personen „der mineralischen Beschaffenheit des Wassers“ wegen und „zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit“ besucht worden sein. Hatten die damaligen Gäste das Quellwasser wohl nur getrunken, sollte es nun auch zum kalten und warmen Bad in einer Badeanstalt genutzt werden. Diese habe der Eigentümer des Grundstücks, Prediger Heinrich Christoph von Willich, „ganz allein aus seinen eigenen Mitteln“ und nur mit dem „Beyrathe“ seines Bruders, des „Landphysikus“ Moritz Ulrich von Willich, eingerichtet. Tatsächlich gab es auch Förderung durch den schwedischen Grafen Magnus Friedrich Brahe.

Zwangsläufig befände sich die Badeanstalt noch im Entstehen, denn „der Seckel eines einzigen Privatmannes“ erlaube nur beschränkte Erweiterungen und Verbesserungen. Badehaus und Brunnenhaus befanden sich nahe dem Pfarrhaus in der sogenannten Brunnenaue. Im Badehaus waren zwei Steinbäder in die Erde gelassen, in die der Badegast kaltes oder warmes Wasser fließen lassen konnte. Allerdings dürfe niemand ohne den „Zettel von einem wirklichen, bekannten Arzte“ kalt baden, denn das eisen-, kalk- und kohlesäurehaltige Wasser sei sehr kalt. Außerdem beherbergte das Badehaus ein Sturzbad und einen geräumigen „Conferenzsaal“. In Sagard würde im Ballhaus an einer gemeinschaftlichen Tafel gespeist. Der geräumige Ballsaal sei „nur ein wenig zu niedrig, sonst sehr brauchbar und gut eingerichtet“. Ein Billard und mehrere Spielzimmer stünden zur Verfügung, die sonst in den Bädern verbreitete Spielsucht sei dort aber „noch nicht einheimisch“. In der „frequentesten“ Zeit würden sich „an und über 100 Personen“ im Bad aufhalten.

Die Quartiere im Ort seien fast alle sehr erträglich, die Einwohner freundlich, gefällig und bescheiden, die Wirtshäuser leidlich, „so auch das Essen“. Alles sei noch wohlfeiler als in vielen anderen Badeorten. Während der Badezeit gäbe es gute Musik, zwei Mal in der Woche Ball und fast täglich „Lustparthien“, oft mit bis zu 20 Wagen. Der Ton sei in Sagard „der geselligste, ungezwungenste, den man sich denken könne“, niemand betrage sich ungesittet oder sondere sich ab. Im Dezember 1805 befasste sich das Journal nochmals mit der Badeanstalt von Sagard und beklagte, dass die Einrichtung noch immer ohne alle öffentliche Unterstützung sei. Der jährliche Ertrag aller zum Bade gehörenden Anstalten habe nach einem zehnjährigen Durchschnitt nur 153 Reichstaler betragen. Eine der Hauptursachen sah das Journal in der mangelnden Frequenz des Bades.

Das Volk auf Rügen habe inzwischen durch die häufigen Besuche von Fremden gelernt, einen höheren Wert auf seine Dienste zu legen, die Fuhren zu Wasser und zu Lande müsse man nun „theuer genug“ bezahlen. So seien auch die Sassnitzer Schiffer der Meinung, dass es „Recht sey, die aus der Ferne kommenden Leute tüchtig bezahlen zu lassen“. Ungefälligkeit und Habsucht schienen nun ein Charakterzug der Rüganer zu sein. Spätestens um 1815 waren die Brunnenanlagen teilweise verfallen. Nur ein Lageplan, Bänke und ein Wasserspielplatz erinnern heute an die einstige „Brunnen-, Bade- und Vergnügungsanstalt“.

Im November1817 stellte das Journal das „Seebad zu Putbus“ vor, das unter den  neu angelegten Seebädern „unstreitig“ eine vorzügliche Stelle einnehme. Gemeint war weder das „Bussertsche Badehaus“ in der Alleestraße, heute Uhren- und Musikgerätemuseum, noch das geplante Badehaus bei Lauterbach, heute Hotel Badehaus Goor. Vielmehr beschrieb das Journal den „etwa eine Viertelstunde“ von Putbus entfernten Badeort bei Neuendorf. Hier befand sich nicht nur bis 1834 die Anlandestelle von Putbus („Neuendorfer Hafen“) und von 1838 bis 1903 die Badestelle des Pädagogiums, hier hatte der Fürst zu Putbus 1816 „einige bedeckte Karren“ und „zur Bequemlichkeit derjenigen, die frei baden wollen, […] Schilderhäuser“ einrichten lassen. Johann Jacob Grümbke präzisierte 1819: vier Badewagen für die Damen und Leinwandzelte für „Mannspersonen“. Außerdem könne in einem Haus warm gebadet werden. Es sei aber die Absicht des Fürsten, ein größeres Badehaus mit mehreren warmen Bädern und Wohnungen zu errichten.

Das Journal beschrieb weiterhin, was die Badegäste in Putbus außerdem erwarte: So sei die Umgebung des Schlosses seit etwa 15 Jahren von einem Garten in einen Park verwandelt worden, „dessen Gleichen man schwerlich im ganzen nördlichen Teutschlande findet“. Hier stoße man am Ende einer Allee auf den „eigentlichen Brunnensaal“, ein großes viereckiges Gebäude, das jedoch einen „düsteren Eindruck“ mache. Es diene als „Vereinigungspunct“ bei schlechtem Wetter, als Speisesaal sowie zu Bällen und Konzerten. Gemeint ist vermutlich der um 1816 errichtete alte Kursalon.

Eine höhere Zierde sei von der Fertigstellung des halbkreisförmigen Gewächshauses zu erwarten. Unmittelbar am Park befände sich ein „Thiergarten“ mit Hirschen und Damhirschen, außerdem gäbe es zahlreiche Möglichkeiten zu Spaziergängen und Besuchen in schönen Gegenden. Dies verleihe dem Aufenthalt in Putbus einen vorzüglichen Reiz und entschädige für die „künstlichen“ Vergnügungen, „zu denen hier eben keine rechte Gelegenheit ist“. Bisherige Bälle und Konzerte seien weder ausgezeichnet noch zahlreich besucht gewesen. Das „Spiel“, gemeint ist wohl die Spielsucht, wäre noch nicht an der Tagesordnung, es sei auch zu hoffen, dass es gänzlich verboten werde. Vom Fürsten könne man erwarten, dass er seine Anlage von dieser „Pest“ bewahren werde.

Lebensmittel seien im Überfluss und wohlfeil, außerdem sei der Aufenthalt „eben nicht kostbar“. Was man sonst vermisse, könne man aus den kleinen rügenschen Orten sowie von Greifswald und Stralsund leicht herbeischaffen. Nur Fuhrwerke wären nicht immer zu haben und sogar im Vergleich zur alten Fähre „unverhältnismäßig theuer“. Ein eigener gesellschaftlicher Ton habe sich noch nicht herausgebildet, da viele Fremde sich hier ohne zu baden nur kurz aufhielten. Sollte sich aber ein „Pommersch-Rügenscher-Strohjunker-Dünkel“ geltend machen wollen, so sei es Freunden der Natur in dieser Umgebung leicht, sich diesem zu entziehen. Das Journal vermutete, die Entstehung des Putbusser Bades könnte den Geldumlauf und die „Wohlhabenheit“ auf Rügen steigern. Andererseits befürchtete es – ebenso wie viele Einwohner –, die Fremden würden Luxus, Teuerung und „die Verdorbenheit der unteren Volksclassen“ befördern.

Die Neuendorfer Badeanstalt wurde nach etwa drei Jahren wegen der „geringen Annehmlichkeit der Gegend“ aufgegeben. Nur ein Haus, in dem einst warm gebadet werden konnte (unsicher), und Reste der einst 80 m langen steinernen Landungsbrücke des „Neuendorfer Hafens“ sind heute noch zu sehen.