28. Jahrgang | Nummer 15 | 8. September 2025

Antworten

Gustav Gressel, Experte mit der Glaskugel vom European Council on Foreign Relations – Im Bayerischen Rundfunk warnten sie unlängst vor einem russischen Angriff auf die Nato bis 2029.

Laut BR24 gelten Sie „als einer der profiliertesten Kenner der russischen Militärstrategie“. Auf die Frage „Mal in Prozenten ausgedrückt: Wie wahrscheinlich ist der Krieg?“, antworteten Sie: „Ich hatte das mal mit 80 Prozent bewertet. Jetzt stehen wir auf 100 Prozent Wahrscheinlichkeit, dass dieser Krieg kommen wird. Die Europäer haben weder strategische Unabhängigkeit von den USA bewiesen noch militärische Härte gezeigt. Wir erschaffen Papiertiger, vor denen die Russen keinen Respekt haben.“ Dann faseln Sie davon „Russland (müsste) in allen drei baltischen Staaten und Ostpolen einmarschieren, die nicht-russische Bevölkerung ausradieren und das vor Kameras dokumentieren“, „um die europäische Sicherheitsordnung zu zerschlagen“. Uns wird angst und bange vor dieser Art von in öffentlich-rechtlichen Sendern unwidersprochener Kriegspropaganda. Fast scheint es, als würde der Krieg wie vor 1914 herbeigesehnt und -geredet – mit 100 Prozent Wahrscheinlichkeit.

 

Nathan Giwerzew, Redaktor NZZ (Neue Zürcher Zeitung) Deutschland – Anlässlich der am 27. August 2025 erfolgten Eröffnung einer neuen Munitionsfabrik des Rüstungskonzerns Rheinmetall im niedersächsischen Unterlüß, die künftig jährlich 350.000 Artilleriegranaten des NATO-Standardkalibers 155 Millimeter herstellen wird, belehrten Sie die deutsche Öffentlichkeit: „Sollten deutsche Rüstungsfirmen ihre Produktion einstellen, würde Russland nicht nachziehen. Im Gegenteil: Es wäre noch eher ermutigt, in der Ukraine und andernorts vorzurücken. […] Jede neu eröffnete Waffen- und Munitionsfabrik trägt zur Sicherheit Deutschlands bei.“

Ist das so?

Das sicherheitspolitische Einmaleins, Blättchen-Lesern nicht unvertraut, besagt jedenfalls: Sollte es – aus welchen Gründen und auf welche Weise auch immer – zu einem Krieg zwischen der NATO oder auch nur zwischen NATO-Europa und Russland kommen und sollte Moskau angesichts seiner konventionellen und militärökonomischen Unterlegenheit gegenüber dem Westen dabei an den Rand einer Niederlage geraten, dann wird der Kreml auf die atomare Ebene eskalieren. So ist die geltende russische Nukleardoktrin abgefasst, inklusive nuklearem Ersteinsatz. Schon einige wenige Atomexplosionen auf deutschem Boden würden das nationale Gesundheitssystem und Teile der Gesamtgesellschaft kollabieren lassen …

Diese Gegebenheiten können auch noch so viele weitere neue Waffen- und Munitionsfabriken nicht aus der Welt schaffen. Für die damit verbundene Existenzbedrohung gibt es keine militärische Lösung. Wer Waffen trotzdem zum sicherheitspolitischen Allheilmittel schlechthin hochjazzt, der ist im besten Falle ein Tor …

Wenn Ihrem Foto in Ihrem Blatte zu trauen ist, dann sind Sie allerdings noch ein junger Mann – mit der Chance dazuzulernen. Oder um es mit dem Kabarettisten Uwe Steimle zu sagen: Wer dumm geboren wird, der kann nichts dafür. Nur wer auch noch dumm stirbt, der muss wirklich ganz schön bescheuert sein.

 

Raphael Schmeller, noch jugendlicher Kollege bei der Berliner Zeitung – Zur Wehrpflicht haben Sie einen klaren Standpunkt: Auffällig seien „die Doppelstandards. Diejenigen, die heute für Wehrpflicht und Aufrüstung trommeln, werden selbst nie zur Waffe greifen müssen: Spitzenpolitiker, Hauptstadtjournalisten und andere Meinungsmacher. Sie fordern Opferbereitschaft – aber nicht die eigene. Ähnlich widersprüchlich zeigt sich die Stimmung in der Bevölkerung: Zwei Drittel der Deutschen befürworten die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Doch die18- bis 29-Jährigen, die tatsächlich betroffen wären, lehnen sie zu 61 Prozent ab. […] Während man junge Menschen für den Krieg einspannt, feiert die Rüstungsindustrie ihre Gewinne. Die Wehrpflicht ist nicht der Schutz der Demokratie – sie ist ihr Verrat.“

Die Bundesregierung hat diesen Standpunkt glatt ignoriert und die entsprechende Pistorius’sche Vorlage eines Wehrdienstgesetzes am 27. August 2025 durchgewinkt. Allgemein wird erwartet, dass eine Bundestagsmehrheit das Gleiche tun wird.

Allerdings – dass ein Standpunkt ignoriert wird, bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass er falsch ist …

 

Bärbel Bas, Bundesarbeitsministerin und Vize-Vorsitzende der SPD – Die Behauptung des Bundeskanzlers bezüglich des deutschen Sozialstaates („Wir können uns dieses System, das wir heute so haben, einfach nicht mehr leisten.“), haben Sie als „Bullshit“ befundet. Da sind wir nun allerdings wirklich gespannt, wer von Ihnen beiden im ebenfalls vom Kanzler ausgerufenen „Herbst der Reformen“ das Rennen machen wird.

Transparenzhinweis: Medien sollen ja idealtypischer Weise neutral berichten. Doch im vorliegenden Falle bestätigen wir die Regel mal durch eine Ausnahme: Ihnen drücken wir jeden freien Daumen!

 

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Ex-Bundeswirtschaftsminister und einst als Tiger gesprungen … – Nun haben Sie also auch Ihr Bundestagsmandat zurückgegeben und damit der aktiven Politik sowie Ihren Ambitionen aufs Kanzleramt offenbar endgültig Valet gesagt. Die Passauer Neue Presse bilanzierte aus diesem Anlass: „Habeck bleibt sich treu. Diese Hauruck-Hopplahopp-Hemdsärmeligkeit prägte auch seine Vizekanzler-Amtszeit in der Ampel. Nicht immer zum Vorteil von Regierung und Republik. In Erinnerung bleiben […] diverse gesetzgeberische Geisterfahrten wie der abrupte Stopp der Elektroauto-Förderung oder der Rückbau von Bau-Förderprogrammen, meistens zum Stichtag vorgestern. Und ganz besonders natürlich das vermurkste Gebäudeenergiegesetz, unter dessen traumatischer Wirkung Heizungswirtschaft und -kundschaft bis heute leiden.“

Da diesem Nachruf schlecht zu widersprechen sein dürfte, erwarten Sie bitte nicht ernstlich, dass wir Sie vermissen werden.

 

Carmen-Maja Antoni, begeisternde Lieblingsschauspielerin – Gerade begingen Sie Ihren 80. Geburtstag. Ihr schauspielerisches Talent zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Vielseitigkeit und Tiefe aus, die sie sowohl auf der Bühne als auch vor der Kamera zeigen.

Sie verstehen es meisterhaft, komplexe Charaktere mit einer unvergleichlichen Authentizität und emotionalen Intensität zum Leben zu erwecken. Ihre Fähigkeit, subtilste Nuancen in Mimik und Gestik einzusetzen, verleiht ihren Rollen eine berührende Glaubwürdigkeit. Ob in klassischen Theaterproduktionen, anspruchsvollen Kinofilmen oder in Fernsehserien – Sie überzeugen stets durch ihre Präsenz und Ausdruckskraft.

Besonders hervorzuheben ist Ihr feines Gespür für Timing und Sprachrhythmus, das Ihre Darstellungen lebendig und faszinierend macht. Ihnen gelingt es, sowohl dramatische als auch humorvolle Rollen mit einer Leichtigkeit und Tiefe zu gestalten.

Ihr Engagement und ihre Leidenschaft für die Schauspielkunst haben nicht nur zahlreiche Auszeichnungen eingebracht, sondern auch Generationen von Zuschauern in Ihren Bann gezogen und begeistert. Qualvoll verzichten wir auf die Nennung einzelner Rollen und Stationen in Ihrer Karriere.

 

Hedwig Richter, Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr München – Ihrem jüngsten Essay für den Spiegel haben Sie den Titel „Die willige Frau, das gehorsame Kind“ gegeben und im Anreißer skizziert, worum es Ihnen geht: „Die deutsche Hausfrau gilt vielen als Erbe des Nationalsozialismus, aber es war die demokratische Nachkriegsgesellschaft, die auf ein antiegalitäres Familienmodell baute.“

Dann wurden Sie konkret: „Zu Hause saß […], in den Fünfzigern, der Mann am Kopfende des Tisches, er sprach das Gebet, die Frau bediente – und die Kinder sollten schweigen. ‚Maul halten, was kein [sic!] Bart hat‘, war ein Spruch, den Väter damals gern losließen. Überall kam es zu einer Rückbesinnung auf die Familie in ihrer überkommenen patriarchalischen Form. Die Kirchen, die nach den Nazijahren ein Revival erlebten, bildeten ähnlich wie die Gewerkschaften ein effektives Bollwerk des Patriarchats. […] Frauen wurden aus den Universitäten verdrängt und sollten in aller Regel keinen höheren Schulabschluss machen: ‚Du heiratest doch sowieso.‘ […] Paragrafen schrieben die Vorzugsstellung des Mannes fest. Er durfte über den Wohnort entscheiden, den Familiennamen, die Erziehung der Kinder. Wenn er einen Familienbetrieb leitete, musste sie gratis mitarbeiten – kam es zu einer Scheidung, stand ihr nichts von dem erworbenen Vermögen zu. Männer waren auch dafür verantwortlich, dass häusliche Gewalt für einen großen Teil der Frauen zum Alltag gehörte wie die Last des Wäschewaschens. Eine Vergewaltigung war juristisch gar nicht möglich. Eine unwillige Ehefrau handelte sogar gesetzeswidrig, wie der Bundesgerichtshof 1966 urteilte. Der Mann hatte das ausdrückliche Recht, seine Kinder zu misshandeln.“

Herzlichen Dank für die implizite Erinnerung daran, dass in der DDR doch nicht alles schlecht war.

 

Lisa Eckhart, Olaf Schubert, Comedians – Komische Sachen hat man in letzter Zeit von Ihnen gehört: „Es ist schon ärgerlich: Da stellt man alle Kraftwerke ab, weil man keinen Atommüll will, und kurz darauf steht im Raum, dass Deutschland selbst Atommüll wird.“ (Eckhart) Und: „Deutschland hat sich ja schon zweimal kriegstüchtig gefühlt – es hat nicht ganz gereicht.“ (Schubert)

Klingt fast, als wollten Sie den aktuellen Kriegsertüchtigungskurs unserer Bundesregierung zu unser aller Schutz vor dem Russen madig machen. Wenn das so ist, dann machen Sie doch einfach rüber! Also nach Russland. Und nehmen Sie Ihren Kollegen Nikita Miller gleich mit. Der hat doch rotzfrech orakelt, wenn Putin so weitermache, werde er bald den Friedensnobelpreis bekommen – Obama hätte es ja auch so gemacht.

 

Gerrit Bartels, Kulturchef des Berliner Tagesspiegels – Sie teilten Ihrer Leserschaft einen Wechsel in der Herausgeberschaft der traditionsreichen, im Berliner Verlag wiederbelebten Weltbühne mit. An die Stelle Thomas Fasbenders trat der „Historiker, Essayist und Schriftsteller Per Leo“ als Mitherausgeber an die Seite Behzad Karim Khanis. Soweit richtig. Zum geschichtlichen Hintergrund meinten Sie allerdings ergänzen zu müssen, dass die Zeitschrift „einst von Carl von Ossietzky gegründet“ worden sei. Offenbar sind Sie, „seit 2006 im Tagesspiegel für Literatur verantwortlich“ und „auch über Pop, Kulturpolitik und Medien“ schreibend, mit der Historie des Blattes doch nicht sehr vertraut. Immerhin hätte sich unschwer nachlesen lassen, dass der Gründer der Zeitschrift Siegfried Jacobsohn hieß – was die Verdienste Ossietzkys freilich nicht im Mindesten schmälert.