Es gab in der klimatischen Entwicklung der Erde eine Periode deutlich kühlerer Temperaturen. Die „Kleine Eiszeit“. Ihre regionale und zeitliche Ausdehnung verlief unterschiedlich. Deshalb sind Angaben über Beginn und Ende dieses Zeitraumes fließend angesetzt (ausgehend etwa vom 15. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert hinein). Lediglich ein Kernbereich mit anhaltend sehr kühlem Klima lässt sich zeitlich begrenzen. Er beginnt Ende des 16. Jahrhunderts und reicht bis zum letzten Drittel des 17. Jahrhunderts. Der kälteste Abschnitt lag ungefähr um das Jahr 1550.
Der Winter begann früher und hielt länger an. Der Frühling setzte später ein, so dass die Vegetationsperiode um 14 Tage kürzer ausfiel. – Auf Flüssen, Seen, Teichen und Kanälen bildeten sich tragfähige Eisdecken. Sogar auf der Themse war es möglich, „Frostmärkte“ auszurichten. Besonders in den Niederlanden hinterließen die eisigen Winter ihre Spuren. Viele Monate blieben Grachten und Kanäle zugefroren. Man musste sich mit Mangel und Entbehrungen im Alltag einrichten, vergaß aber nicht, aus der Not eine lebensfrohe Abwechslung zu zaubern. Das Schlittschuhlaufen. Es erlebte „goldene Zeiten“.
Die Maler wurden Zeugen der unwirtlichen Abkühlung. Sie griffen die winterliche Stimmung auf und verwandelten sie in lebendige Szenen. In der Epoche von 1565 bis 1640 entstand eine Fülle von Bildern, auf denen Natur und Treiben in der unterkühlten Jahreszeit meisterhaft wiedergegeben sind. In der Malerei nannte man diese Zeit zusammenfassend „Das Eisvergnügen“. Sie wurde von namhaften Künstlern bestimmt und hatte ebenso Einfluss auf andere Kunstrichtungen. So ist bei Antonio Vivaldis Konzert über die „Winterzeit“ herauszuhören, wie die Schlittschuhläufer auf den zugefrorenen Lagunen Venedigs ihre Kreise ziehen.
In Belgien und den Niederlanden vertraten bedeutende Maler die Epoche des „Eisvergnügens“ durch ihr vortreffliches Können und genaue Beobachtung genial und führten sie zu großer Beliebtheit. Unter ihnen: die Breughels, Vater und Sohn; Hendrick Avercamp mit „Winterlandschap met Ijsvermaak“ (Eisvergnügen), um 1608; Jacob Ruisdal. Sie lassen die Eisfläche zum Mittelpunkt für Sport und Spiel und Tanz, Arbeit und Gespräch werden. – Ich wähle zu meinem Vergnügen Sebastian Vrancx‘ (1573-1647) Gemälde „Der Winter“ aus, es gehört zu seinem Zyklus „Die vier Jahreszeiten“.
Der große Teich vor dem Stadttor ist zugefroren und lockt die Städter hinaus in die frische Winterluft. Die Schlittschuhläufer zeigen ihre Kür, kleine Malheurs sind nicht zu vermeiden. Wer stürzt, jammert über das lädierte Knie oder das Hinterteil, je nach dem, worauf der Fall fiel. Kinder rutschen mit dem Schlitten über das Eis und stoßen Freudenschreie aus. Ein Ehepaar, sich gegenseitig stützend, trippelt vorsichtig zum Stadttor. Der Trubel wird ihnen zu viel. Sie möchten nach Hause und ihren Nachmittagstee nehmen. Am Ufer marschiert eine Gesellschaft von Fastnachtsnarren entlang, laut trommelnd und schräg singend. Sie halten Ausschau nach einem Wirtshaus, in dem sie sich innerlich aufwärmen können. Zuvörderst müssen sie noch eine kräftige Schneeballschlacht überstehen, der sie ausgeliefert sind. Hundegebell mischt sich in die Unterhaltung des alten Mannes mit dem Schweinehirten: „Wo willst du denn hin mit deinem Tier?“ „Wohin wohl, wir wollen morgen Schlachtfest feiern!“ – Am offenen Feuer wärmt man sich die Hände. Die Nachbarin schöpft inzwischen Wasser aus dem Brunnen. Auf der Brücke stehen Schaulustige, betrachten das Geschehen und erzählen sich den neuesten Stadtklatsch. Von der S. Jakobskirche tönt Glockengeläut. Und über allem ruht ein grauer Himmel. Die Dämmerung kündigt sich an. Es wird bald schneien.
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