27. Jahrgang | Nummer 26 | 16. Dezember 2024

Antworten

Emmanuel Macron, französischer Staatspräsident mit Neigung zu unorthodoxen Ideen – Ihre Überlegung, gegebenenfalls französische oder gar NATO-Bodentruppen in den Krieg in der Ukraine zu schicken, ist noch nicht vergessen, da berichteten Medien dieser Tage, dass Sie bei Ihrem aktuellen Aufenthalt in Warschau über die mögliche Entsendung einer Friedenstruppe in die Ukraine nach Kriegsende sprechen wollten.

Super-Idee! Friedenstruppen, von der UNO entsandt, gibt es ja seit Jahrzehnten. Die kontrollieren in Pufferzonen zwischen Konfliktparteien, dass deren militärische Kräfte sich nicht direkt gegenüberstehen, was natürlich nur mit Zustimmung der Streithähne funktionieren kann.

Warum also nicht auch zwischen der Ukraine in Russland, werden Sie sich gefragt haben. Leider liegt bei großen Würfen der Teufel häufig im Detail. Unifil etwa, die UNO-Friedenstruppe, die die nur 79 Kilometer lange israelisch-libanesische Grenze überwacht, umfasst 10.000 Mann, und die jährlichen Kosten liegen laut Berliner Zeitung bei einer halben Milliarde Euro. Pro Jahr.

Demgegenüber wäre eine russisch-ukrainische Waffenstillstandslinie gegenwärtig 2300 Kilometer lang. Legt man Unifil zugrunde, bräuchte es statt der von Ihnen für eine Friedenstruppe in der Ukraine ins Auge gefassten fünf Brigaden mit insgesamt rund 40.000 über 290.000 Mann, und die jährlichen Kosten lägen bei über 14,5 Milliarden Euro …

Werter Monsieur le Président, bei solchen Schnellschüssen sollte man aufpassen, dass man sich nicht restlos zum Klops macht!

 

Wolfgang Kubicki (FDP), Vizepräsident des Bundestages – Der Zeit verrieten Sie gerade: „Ich würde nie auf die Idee kommen, wegen des Begriffs ‚Schwachkopf‘ einen Strafantrag zu stellen.“

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) hat das bekanntlich getan.

Zu beurteilen, was daraus folgt, überlassen wir allerdings besser unseren Lesern. Denn schließlich hat Habeck seit seinem Amtsantritt 2021 bereits über 800 Strafanträge wegen Beleidigung gestellt. Da müssen wir nicht unbedingt den nächsten riskieren … Nicht ganz unberechtigt ist jedoch die Frage des Kollegen Hans-Ulrich Jörges auf Welt TV: „Was macht der überhaupt im Rest der Zeit?“

 

Karl Schlögel, Historiker – Sie gelten ja als exzellenter Kenner der Geschichte Russlands und der Sowjetunion. Ihr jetziges apodiktisches Urteil – „Russland ist der Feind […], der in Europa einen Krieg angefangen hat“ – offenbart allerdings eine merkwürdige, weil ahistorisch verkürzte Sichtweise. Wir zum Beispiel erinnern uns noch recht gut an George F. Kennan. Der große alte Mann der US-amerikanischen Nachkriegsdiplomatie hatte 1997 in der New York Times im Hinblick auf die damaligen Bestrebungen der USA und anderer NATO-Staaten, den Pakt nach Osten auszudehnen, eindringlich gewarnt, „dass eine Erweiterung der NATO der verhängnisvollste Fehler der amerikanischen Politik in der gesamten Ära nach dem Kalten Krieg wäre. Eine solche Entscheidung würde voraussichtlich die nationalistischen, antiwestlichen und militaristischen Tendenzen in der russischen Öffentlichkeit anheizen, sich negativ auf die Entwicklung der russischen Demokratie auswirken, die Atmosphäre des Kalten Krieges in den Ost-West-Beziehungen wiederherstellen und die russische Außenpolitik in eine Richtung lenken, die uns ganz und gar nicht gefällt.“

Das war eine ziemlich exakte Beschreibung dessen, was anschließend passiert ist, meinen Sie nicht?

 

Heinrich August Winkler, Nestor der Gilde deutscher Historiker – Sie meinen: „Die USA in eine Diktatur faschistischen Typs zu verwandeln, würde Trump, auch wenn er es wollte, nicht gelingen. Dazu sind die Gegenkräfte zu stark Aber wir werden in den nächsten Monaten Aktionen zur ‚Säuberung‘ des öffentlichen Dienstes erleben und Maßnahmen, die auf die Gleichschaltung der richterlichen Gewalt zielen. Die amerikanische Demokratie wird schweren Schaden nehmen. Marx hat das Bonmot geprägt, Geschichte ereigne sich immer zweimal, einmal als Tragödie und einmal als Farce. Bei Trump könnte es umgekehrt kommen: Seine erste Präsidentschaft war eine Farce, die zweite könnte zur Tragödie werden.“

Da Prognosen aber bekanntlich schwierig sind, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen, werden wir vorsichtshalber trotzdem regelmäßig dafür beten, dass nicht alles doch noch schlimmer kommt …

 

Marija Limanskaja, Sowjetsoldatin – Das ikonische Foto, das Sie Anfang Mai 1945 – auf einem Podest stehend und den Verkehr regelnd – vor dem Brandenburger Tor zeigt, stammt vom Kriegsfotografen Jewgenij Chaldej. (Der hat auch jene Soldaten abgelichtet hat, die auf dem Dach des Reichstages die sowjetische Flagge hissen.) Mit dem Foto wurden Sie als „Brandenburger Madonna“ bekannt. Als 18-Jährige waren Sie Soldatin geworden und koordinierten – oft im Bombenhagel – Militärtransporte bei Stalingrad, Simferopol, in Weißrussland und in Polen. Auch während der Potsdamer Konferenz im Juli 1945 leisteten Sie Dienst als Verkehrspolizistin. Dabei sollen sie dem britischen Premier Winston Churchill aufgefallen sein, der sie gefragt habe, ob die britischen Kollegen Ihnen gegenüber auch die Manieren behielten. „Wehe, wenn nicht!“, sollen Sie geantwortet haben. 2020 haben Einwohner der russischen Stadt Marx Ihnen ein Denkmal· gewidmet, das sie überlebensgroß in der Berliner Pose zeigt.

Jetzt sind Sie, 100-jährig, verstorben. Ehre Ihrem Angedenken!

 

Ines Schwerdtner, Co-Chefin der Linkspartei – Sie behaupten keck: „Der Tag zum Beispiel, an dem ein durchschnittlicher Dax-Vorstand das Jahresgehalt eines durchschnittlichen Beschäftigten verdient hat, fällt in die erste Januarwoche.“

Da rieben wir uns allerdings sofort am Begriff „verdient“, wenn Sie nicht sofort nachschöben: „So fleißig kann niemand sein […].“ Kritikern werden Sie deswegen als die verpönte Fratze des Sozialneids erscheinen. Das sagt allerdings nichts darüber aus, wie zutreffend Ihre Behauptung womöglich ist und wie pervers die darin manifestierte soziale Diskrepanz.

 

André Mielke, Investigativkolumnist der Berliner Zeitung – In Ihrem jüngsten Text schreiben Sie: „[…] Deutschland wankt […] bereits unübersehbar, ausgenommen die final fixierte Carolabrücke. Der Pöbel schiebt das auf überforderte Politiker.“ Und damit schiebt der Pöbel falsch, denn: „Es liegt an Desinformation.“ Die allein vom Kreml ausgeht, wofür es untrügliche Indizien gäbe: „Woher kam er wohl, der Wahn, eine konkurrenzfähige Volkswirtschaft ließe sich ohne preisgünstige und allzeit verfügbare Energie unterhalten? Solche Destabilisierungskonzepte denkt ein Staat sich doch nicht selber aus. Nein, die durch Putin infiltrierte Hybridhyperhybris ruiniert einen Teil der deutschen Industrie und vertreibt den anderen. […] Parallel streut Moskau das ‚Narrativ‘, eine Gesellschaft könne, wenn sie denn nur gutwillig genug sei, auf die Schnelle Millionen Menschen mit oft inkompatiblen ökonomischen, schulischen und kulturellen Voraussetzungen integrieren, ohne sich zu verheben. Hanebüchen. Jeder Stuss vom Russ‘.“

War das womöglich Ihre letzte Kolumne? Weil die Außenministerin („Putin greift unsere Friedensordnung mit hybriden Angriffen an.“) Sie stehenden Fußes zum Chefberater berufen hat?

 

Heinz Freiberg, Dresdner Brückenfreund – Sie schreiben uns: „Die Carolabrücke in Dresden hat nicht standgehalten. Ein Glück, dass beim Zusammenbruch eines Brückenteils niemand zu Schaden kam. ‚Brücke gucken!’ ist im Moment für viele Touristen und Dresdner angesagter als ‚Alte Meister ansehen!’. Mit einem Zweizeiler (das Reimwort bitte selbst finden) möchte ich an das Ereignis erinnern und der Brücke, die bald vollständig verschwunden sein wird, ein kleines Denkmal setzen.

Müde

Ich bin müde, sprach die Brücke,

gähnte, und zerbrach in … 

Ich wünsche Ihnen und dem gesamten Redaktionsteam eine besinnliche Vorweihnachtszeit,

Frieden, Gesundheit und Glück für die Zukunft.” Ihre Wünsche erwidern wir herzlich, greifen sie auf und reichen sie an alle Leser weiter.

 

Weihnachtsmann, weltbekannter alter weißer Geschenkebringer – Sie sind in höchster Gefahr. Seien Sie auf der Hut. Obgleich eine säkulare Figur aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert – man sagt Ihnen sogar nach, von Coca Cola wegen des Kommerzes erfunden worden zu sein –, kommen Sie traditionell Heiligabend oder Weihnachten. Bei christlichen Familien lassen Sie dem Heiligen Nikolaus oder dem Christkind den Vortritt. In der Schweiz dem Samichlaus nebst Schmutzli. Und in Russland? Da Sie vom Nordpol kommen oder aus dem Westen, wer weiß das schon so genau, sollen Sie dort jetzt als „ausländischer Agent“ gebrandmarkt werden. Zumindest fordert dies Witalij Borodin, der Leiter des Föderalen Projekts für Sicherheit und Korruptionsbekämpfung, Seine Sorge ist, dass der Weihnachtsmann Väterchen Frost und Schneeflöckchen, die russischen Neujahrsfiguren, in den Schatten stellt. Blauer Mantel gegen Roten Mantel. Wie wird es ausgehen?