Da liegt es. Umgeben von Hügeln, Wasser und Wald. Vormals ein eigenständiges Dorf, nunmehr Ortsteil der Stadt Werder an der Havel, im Brandenburgischen. Vier bedeutende Männer nahmen es in Augenschein. Der Vierte war Initiator und beharrlicher Verfolger einer Idee.
Theodor Fontane, der dichtende Märker, besucht 1869 Petzow, besteigt den Turm der Dorfkirche und beschreibt den Rundblick: „Die ‚Grelle‘, eine tiefe Flußbucht, liegt uns zu Füßen; unmittelbar neben ihr der Glindower See. Die Havel und der Schwielow, durch Landzungen und Verschiebungen in zahlreiche blaue Flächen zerschnitten, tauchen in Nähe und Ferne auf und dehnen sich bis an den Horizont, […] Dazwischen Kirchen, Dörfer, Brücken. […] Das Ganze ein Landschaftsbild im großen Stil; nicht von relativer Schönheit, sondern absolut.“
Peter Joseph Lenné, der Landschaftsarchitekt Preußens, gestaltet den Petzower Park nach neuen Maßstäben.
Preußens Großbaumeister Carl Friedrich Schinkel entscheidet letztlich über das Erscheinungsbild der neuen Dorfkirche und berät vermutlich auch beim Umbau am Herrenhaus.
Und der Vierte? Vertreter einer alteingesessenen Petzower Familie: Carl Friedrich August Kaehne (1775-1857). Auf Gewinn bedacht, fleißig, den Besitz des Hauses mehrend, kunstsinnig. Mit Lenné und Schinkel in Verbindung und von König Friedrich Wilhelm IV. (dem „Romantiker auf dem Thron der Caesaren“) wohlwollend gefördert und 1840 ob seiner Verdienste in den Adelsstand erhoben. Was C. F. A. Kaehne bewegte, war ein Verschönerungsplan für Petzow, der Architektur und Natur und Gartenkunst vereint, den Bestrebungen des 19. Jahrhunderts folgend. Eine Vision, die Kirche, Dorf, Herrenhaus und Park umfassen sollte. Es gelang. Von der Kirche auf dem Grellberg bis hinunter zum Herrenhaus, dicht am Schwielowsee, führt über die Dorfstraße eine Sichtachse, die man auch als Verbindung zwischen geistlicher und irdischer Macht deuten könnte.
Eine Allee alter stattlicher Linden begleitet den Weg zum Grellberg hinauf. Ich gehe durch die nassen Schneereste und stehe vor dem schlichten, eleganten, ausgewogenen Kirchenbau. Es gab lange Zeit Auseinandersetzungen zwischen der Potsdamer Regierung und der Oberbaudeputation in Berlin. Finanzielle-, ästhetische- und Standortprobleme verzögerten den Kirchenneubau. Aber die alte Fachwerkkirche war in die Jahre gekommen. Schinkel ergriff die Initiative, nahm die eingereichten Sparpläne, änderte sie nach eigenem Gusto und legte sie dem König vor. Die Entscheidung fiel. Der König schrieb am 23. August 1839 in einer Kabinettsorder an den Oberpräsidenten von Bassewitz: „Ich erfahre soeben, daß der Bau der Kirche in Petzow, für dessen Ausführung Ich mich seit 10 Jahren interessiert habe, nunmehr zustande kommt.“ – Grundsteinlegung 1840, ein Jahr später Baubeginn, Kirchenweihe am 30. Oktober 1842 vormittags 11 Uhr in Anwesenheit des Königspaares.
Die schinkelschen Pläne hatten den Sieg davongetragen: Ein separat stehender Turm mit Aussichtsplateau, der durch einen offenen Bogengang mit dem Kirchenschiff verbunden ist, die halbkreisförmige Altarnische wird östlich nach außen vorgewölbt. Harmonisches Ineinandergreifen der Bauteile. Der lichte Innenraum verströmt Ruhe und lässt die Wintersonne herein. Schmuckbänder mit floraler Zier umranden den Bogen der Apsis und die Fensteraussparungen. Ein Ort der Besinnung.
Beim Gang durch die Zelterstraße, die Verbindung zwischen Kirche und Herrenhaus, entdeckt man an den Wohnhäusern Ähnlichkeiten in der Verwendung des Baumaterials. Es sind die Ziegelsteine, aus den lokalen Ziegeleien stammend, die guten Gewinn abwarfen und zum Teil auch von den Kaehnes betrieben wurden. Die alten anfälligen Holzbauten verschwanden. Und der Umbau fügte sich erwartungsgemäß in Carl Friedrich Augusts Programm zur Verschönerung des Dorfes.
Ich erreiche das Herrenhaus. Ein imposanter, burgartiger Trutzbau, der mit seinen Zinnentürmen die Landschaft beherrscht. Entstanden durch Erweiterung des Lehnschulzengutes und nach Fontane aus einer „Mischung von italienischem Kastell- und englischem Tudorstil“ bestehend. Nicht zu vergessen die zusätzlich eingebrachten gotischen Elemente.
Im angrenzenden Park weicht die „ritterliche“ Stimmung und empfängt mit Wiesen, majestätischen Baumriesen und Stille. Eichen, Kastanien, Linden, efeuumrankt, greifen weit hinauf in den Himmel. Sie stehen stolz als Einzelgänger im Landschaftsbild oder drängen sich, leise schwatzend im Nachmittagslüftchen, als Gruppe zusammen. Lenné übernahm die Gestaltung des großen Gartens. Und löste sie genial durch Anpassen seiner Pläne an die gewachsene Natur. – Den Mittelpunkt bildet der Haussee, um den ein Rundweg führt. Wo es sich in der leicht hügeligen Landschaft anbietet, ist die Architektur einbezogen, zu Nutz und Erbauung. Zum Beispiel das Waschhaus, die Fischerhütte und der Obelisk. Anlass zu seiner Errichtung war das 200-jährige Familienjubiläum der Kaehnes. Der schmale Stein trägt ihr Wappen, drei stilisierte Kähne auf dem Schild und die Jahreszahlen 1637-1837.
Ausblicke auf die beiden Seen (Haus- und Schwielowsee), die mit einem Durchlauf verbunden sind, erfreuen. Am Ufer steht regungslos und erhaben ein Reiher, das braune Schilf um ihn weht behutsam hin und her. Ein vom Blitz verwundeter Baum reckt die toten Arme und wirkt wie ein Schattenriss. Und die rotleuchtenden Früchte der Heckenrosen geben dem Wintergrau Farbe. – Ich befrage noch einmal Theodor Fontane: „Der Zauber steckt immer im Detail.“
Heinrich Berghaus verkündet 1854 im „Landbuch der Mark Brandenburg“: „Petzow gehört zu den Juwelen der Mark. Nicht leicht findet sich an Einem Ort und in so kleinem Raume so viel Abwechslung von Berg und Thal, Land und Wasser, Wald und Feld wie hier, und nicht allein von Natur, sondern auch durch Kunst.“ – Er behält Recht.
Die Schreibweise des jeweiligen Originals wurde beibehalten.
Schlagwörter: Carl Friedrich August Kaehne, Fontane, Lenné, Petzow, Renate Hoffmann, Schinkel