26. Jahrgang | Nummer 13 | 19. Juni 2023

Künstler im Porträt

von Mathias Iven

Palmbaum. Literarisches Journal aus Thüringen“ – noch nie gehört? Bereits drei Jahrzehnte ist die Zeitschrift auf dem Markt, präsentiert Prosa und Lyrik, Essays sowie Kritiken, und mischt sich in aktuelle Debatten ein. Die Redaktion liegt seit 2005 in den Händen von Jens-Fietje Dwars, der in alleiniger Verantwortung jährlich zwei, jeweils unter einem Schwerpunktthema stehende Hefte herausbringt. Dwars, in früheren Jahren gelegentlich ebenfalls Blättchen-Autor, war es auch, der den Palmbaum-Ausgaben zu ihrem unverwechselbaren Äußeren verholfen hat. Seit Beginn seiner Tätigkeit hat er Malerinnen und Maler in ihren Ateliers aufgesucht und sie um ein Blatt für den Einband der Zeitschrift gebeten. Zugleich suchte er das Gespräch mit ihnen. „Sich der Welt der Bildermacher, Wort- und Tonsetzer zu nähern“, so beschreibt er es, „ist ein Weg, wohl der lebendigste, ihre Arbeiten zu erschließen, den Dingcharakter ihrer Werke aufzuheben, sich die darin gespeicherten Erfahrungen und Kräfte anzueignen.“

Wen Dwars in den zurückliegenden Jahren getroffen hat und worum es in den Gesprächen ging, das kann man jetzt in einem exzellent ausgestatten Band nachlesen, der die insgesamt 28 zuvor im Palmbaum oder in den Marginalien veröffentlichten Porträts ostdeutscher Bildermacher vereint. Da trifft man zum Beispiel auf Horst Sakulowski, einen Schüler von Bernhard Heisig, der sich in seiner Malweise vorrangig an den Alten orientiert: Grünewald, Bosch oder Brueghel sind ihm besonders wichtig. Illustratoren wie der im Berliner Stadtteil Friedrichshagen lebende Dieter Goltzsche oder Hans Ticha – der „letzte Erbe Oskar Schlemmers“ – kommen zu Wort. Nicht zu vergessen der 2017 verstorbene Horst Hussel, dem wir Zeichnungen zu hunderten von Büchern verdanken und der trotz allem ein Außenseiter blieb.

In Berlin-Karlshorst sprach Dwars mit Jürgen Traugott Hans Böttcher, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Strawalde, in Weimar besuchte er den dort seit 1970 lebenden Franzosen Roger Bonnard und in Sondershausen traf er sich mit Gerd Mackensen. Das Atelier von Gerhard Altenbourg, 1926 als Gerhard Ströch in Rödichen-Schnepfenthal am Rand des Thüringer Waldes geboren und 1989 an den Folgen eines Autounfalls verstorben, blieb ihm hingegen verschlossen.

Von Dwars befragt, ob ihre Bilder „Vor-Bilder einer solidarischen Gemeinschaft, eines ursprünglichen Kommunismus“ seien, antwortete Angela Hampel: „Es sind einerseits Zustandsschilderungen, andererseits auch Wunschträume. Mit Pioniernachmittag und Christenlehre aufgewachsen, habe ich Nächstenliebe und den Glauben an das Gute, Wahre und Schöne gleich aus zwei großen Kellen ,verabreicht‘ bekommen. Beides miteinander vermengt, bildet jenseits der ideologisch verzerrten Auswüchse heute noch das Fundament meiner Wertvorstellungen.“ Und nach einem Besuch bei Sabine C. Sauermilch in ihrem Erfurter Atelier hielt Dwars fest: „Sie herrscht nicht über Farben und Formen, sie lässt sie gleichsam gewähren, gibt ihnen Raum zur Entfaltung, zum Wachsen und Gedeihen, als seien es organische Gebilde, die eher des Schutzes bedürfen als strenger Planung oder Zucht.“

Die Gespräche und Porträts machen Lust darauf, sich einmal mehr der zeitgenössischen Kunst zuzuwenden. Sie zeigen aber auch, dass eine vom Kunstwerk losgelöste Betrachtung sehr schnell der Intention des Schaffenden zuwiderlaufen kann. Zudem, so Dwars, sollten wir bei all dem eines nicht vergessen: „Wirkliche Kunst […] ist die einzige Wertanlage, die sich tagtäglich erneuert, die von Tag zu Tag wächst, indem sie uns allein durchs Anschauen bereichert, unsere Lebensgeister weckt, die Lust am Dasein steigert. Kunst, die das nicht macht, die wir im Alltag daheim nicht mehr wahrnehmen, ist ein verzichtbarer Staubfänger.“ Dem kann man nur zustimmen! Freuen wir uns auf weitere „Bildermacher“-Gespräche.

 

Jens-Fietje Dwars: Ateliergespräche – Porträts ostdeutscher Bildermacher, Edition Ornament im quartus-Verlag, Bucha bei Jena 2023, 272 Seiten, 25,00 Euro.

Das Buch ist anlässlich der Ausstellung „Im Zeichen der Palme. 30 Jahre Literaturzeitschrift Palmbaum“ erschienen, die noch bis zum 5. November 2023 im Romantikerhaus Jena gezeigt wird.