25. Jahrgang | Nummer 18 | 29. August 2022

Antworten

Florian Havemann, Produzent kluger Gedanken – Sie selbst nennen Ihre Gedanken „unfertig“ und laden so zur Teilhabe am Denken ein. Sie analysieren die weltpolitische Lage, fragen sich, ob anstelle einer bipolaren Welt eine multipolare denkbar wäre – als Ausweg aus der gefährlichen bipolaren Entwicklung. Wäre der Westen bereit, eine Multipolarität zu akzeptieren? Das könnte Ihrer Meinung nach auch heißen, „dass sich die Europäische Union als eine Weltmacht etablieren müsste, deren Interessen sich von denen der USA unterscheiden. Die USA fühlen sich von China bedroht. Der Westen sieht sich von Russland bedroht. Russland vom Westen.“ Dabei besteht die eigentliche Bedrohung im Klimawandel, die Kooperation zum „Gebot der historischen Stunde“ mache. Ihre Analyse des „Westens“ lässt gegenwärtig nichts Gutes erwarten: „Unser Imperialismus schreitet im humanistischen Gewand umher. Eine multipolare Weltordnung ist mit uns nur zu machen, wenn überall in der Welt unsere Werte gelten. Also kann es sie, wenn’s nach uns geht, nicht geben.“

Ihr sarkastischer Kommentar, dem wir leider nichts entgegensetzen können: „Von der Stadt des Lichts auf dem Hügel herab kommt der Retter in der Stunde der Not, in der der Weltuntergang droht. Er ist einer von uns. Er ist ein Mann und er ist super.“

Annalena Baerbock, feministische Außenministerin – Kaum hatten Sie sich vollmundig an die Seite Taipehs gestellt („Wenn China in Taiwan einmarschiert, werden wir Taiwan unterstützen.“), höhnte ein ehemaliger US-amerikanischer Marinegeheimdienstler im russischen Staats- und Propagandamedium RT DE: „Mit der deutschen Flotte, der deutschen Luftwaffe, der deutschen Armee […]? Was wollt ihr denn bitte mobilisieren, Deutschland? Was?“

Solche Einwürfe von den billigen Plätzen fechten Sie natürlich nicht an. Denn Sie wissen ja: „Rapid Pacific 2022“, das Großmanöver, das gerade in Australien läuft. Sechs Eurofighter der Bundesluftwaffe sind dabei. Die wurden mittels dreier Tankflugzeuge A330 und in Begleitung von vier Großraumtransportern A440 für die notwendige Logistik dorthin verlegt. Die zeigen Peking jetzt mal, wo im Falle des Falles der deutsche Bartel den Most holte und wie jede militärische Unverfrorenheit gegen Taiwan mit einer blutigen Nase abgestraft würde.

Wäre natürlich am besten, die Festlandchinesen schlügen los, solange unsere Jets noch in der Region sind. Denn die komplexe Vorbereitung der Manöverteilnahme hat schon etwas gedauert. Zwei Jahre, um genau zu sein …

Aber was soll’s? Ein Einsatz für unsere Freiheit kann eigentlich nie zu spät kommen!

Wolfgang Kubicki, FDP-Vize mit dem Motto: „Warum in die Ferne schweifen …?“ – Dass aus Katar kein Gas nach Deutschland kommen wird und aus Norwegen keine relevanten zusätzlichen Mengen, pfeifen die Spatzen längst ebenso von den Dächern des Berliner Regierungsviertels wie die Tatsache, dass Kanada sein Gas im Westen des Landes fördert und daher ausschließlich nach Asien verkauft. Ob deutsche LNG-Terminals rechtzeitig ans Netz gehen und ausreichend Kapazität haben werden, um uns warm über den Winter zu bringen, steht in den Sternen. Daher richten Sie den Blick auf das Nächstliegende. „Wir sollten Nord Stream 2 jetzt schleunigst öffnen, um unsere Gasspeicher für den Winter zu füllen“, fordern Sie, damit „Menschen […] nicht frieren müssen und unsere Industrie nicht schweren Schaden nimmt“. Dafür zu sorgen sei „jetzt die oberste Pflicht der Bundesregierung“. Und: Es gäbe „keinen vernünftigen Grund“, dies nicht zu tun, denn: „Gas aus Nord Stream 2 ist nicht unmoralischer als aus Nord Stream 1. Es ist nur eine andere Röhre.“

Natürlich ist die Meute aus Politik und Medien, auch aus Ihrer eigenen Partei, sofort – gleichermaßen hysterisch wie schnappatmend – über Sie hergefallen. Doch Sie haben – offenbar mit Blick auf die Wirkung bisheriger westlicher Sanktionen gegen Moskau – gekontert: „Putins Kriegskasse bleibt gefüllt, das grausame Schlachten in der Ukraine geht weiter, und unsere Möglichkeiten zur Unterstützung der Ukraine werden geringer, während in Deutschland die sprichwörtlichen Lichter ausgehen. Wer genau ist in dieser Gemengelage eigentlich ‚Putins nützlicher Idiot‘?“

Augenscheinlich diejenigen, die im Bestreben, Russland zu „ruinieren“ (O-Ton Baerbock), in erster Linie uns selbst schaden. Und die haben in der Bundesregierung wie im Bundestag derzeit die Mehrheit.

Wo wäre da, bleibt zu fragen, für den Wähler beim nächste Urnengang eigentlich die Alternative?

Herbert Reul (CDU), ganz Harter aus NRW – Sie blicken voller Sorge auf die kommende kalte Jahreszeit. Es ist wohl nicht die Furcht vor der Gasrechnung, die Sie umtreibt. Die dürfte für Sie bezahlbar sein. Es sind die Leute, die eben dazu nicht mehr in der Lage sein werden und Sie in Angst und Schrecken versetzen: „Es geht jetzt nicht um Protestler, sondern es geht fast um sowas wie neue Staatsfeinde, die sich da etablieren.“ So jedenfalls wurden Sie jüngst auf tagesschau.de zitiert. Offenbar wollen Sie sich post festum nicht nachsagen lassen, Sie hätten nicht gewarnt.

Staatsfeinde … in Massen offenbar. Sie sind Innenminister, wir wissen jetzt, was wir zu erwarten haben.

Winfried Kretschmann (Grüne), Waschlappenbenutzer aus Baden-Württemberg – Mit Verlaub, mit Ihren Spartipps an das tumbe Volk überbieten Sie noch den Hartz-IV-Kochrezepte-Erfinder Thilo Sarrazin (SPD) aus Berlin, der seinerzeit im Sylt-Urlaub den Selbstversuch nicht scheute. Immerhin erfahren wir aus Ihren Interview-Äußerungen in der Südwest Presse, dass Sie „nicht dauernd duschen“, sondern zumindest gelegentlich den Waschlappen benutzen. Das wollten wir immer schon mal wissen. Zudem haben Sie eine „riesige Photovoltaikanlage auf dem Dach“. Sie besitzen also ein offenbar nicht allzu kleines Hüttchen im Ländle, riesige Anlagen passen nicht auf kleine Dächer.

Menschen mit nicht so riesigen Dächern könnten Ihre Tipps als zynisch empfinden. Warum zum Teufel fällt uns angesichts solcher Sprüche immer wieder das traurige Schicksal der Marie Antoinette ein? Sie erinnern sich, das war die mit den Ernährungstipps an die hungernden Pariserinnen …

Burkhard Ewert, selbsternannte Stimme für den nicht-Berliner „Rest der Republik“ – In Ihrer wöchentlichen Kolumne unter besagtem Titel beklagten Sie jüngst den neuen Rassismus-Streit, der den Apachen-Häuptling Winnetou betrifft: Der Verlag Ravensburger sah sich veranlasst, zwei Kinderbücher vom Markt zu nehmen, die einen neuen Winnetou-Film flankieren sollten: „Wer Karl May gelesen hat, weiß: Der Völkermord-Aspekt ist ein zentrales Thema seiner Bücher. Er wird gerade nicht verharmlost, sondern durchgängig beklagt. Der Autor ruft das Schicksal der Indianer und den traurigen Untergang ihrer naturverbundenen Lebensweise fortwährend ins Bewusstsein“, schreiben Sie. Mays Geschichten hätten Rio Reiser ebenso beeindruckt wie Marcel Reich-Ranicki, Bertolt Brecht und andere. Solche Bücher im Namen einer vermeintlichen Rücksicht einzustampfen sei nicht etwa modern und sensibel, sondern verletze Grundwerte der Liberalität und der Aufklärung, es „entspringt einem talibanösen Verständnis von Kultur und Gesellschaft“. Die heftige Kritik der um ihre Deutungsmacht besorgten „woken“ Gemeinde dürfte Ihnen nach diesen Worten sicher sein. Deshalb auch aus Berlin: Hut ab!