Für Ante. Für Vé.
Die Freiheit von der Farbe meiner Augen
Luis Cernuda
Wie die jüngste Tochter des Mondes
kleine Dummheiten sagte,
mir zu gefallen, zugefallen mir.
Ihr Schatten noch
beleuchtete das Gras,
wo ich sie schweigen lehrte.
(Weinen konnte sie schon.)
Wie im Tumult sich unsere Füße erschraken,
die Wasser innehielten über den Fontänen.
Wie in den wunden Vorstädten Leipzigs
Rauch und Schall war, aber
kein Name für glimmende Lust,
und unsere Schritte sammelten wir
wie Hagelkörner in triefenden Taschen.
Wie ich ihr Gesicht, ihre plötzlich
nackten Brüste in ein Aquarell
verwandelte und seine Farben
mit meinen Küssen vermischte.
Wie wir einander unsere Träume
abzuwaschen verstanden und unsere
Leiber zusammenzutun, Magnet
und Magnet inmitten unzähliger
Spänchen aus Eisen. Wie wir uns
umwandten brüsk, um einander
zu widerstehen. Leiser, leiser als
Flügelschläge, als Sprünge im Glas,
winterleise und schneeig.
Wie wir die Jahreszeiten verschenkten
an unsere Freunde, jede aus einem
anderen Jahrhundert. Herbst immerzu,
wenn wir erwachten. Wie alle Versprechen
Hand in Hand, stumm, ohne Abschied
in endlose Schlafsäle traten.
Wie wir lachten über ihre dünnen
Hemdchen, Beinchen, bangen Blicks.
Wie ein Kiesloch uns auffing, ein irrer
Aufschrei blauender Wälder. In den
Theatern wurde das Leben gespielt
vom Publikum. Wie meine Finger
eine Bühne suchten zum Tanzen.
Wie meine Lippen ein Lied aus der Kehle
zu baggern versuchten. Bunte Vögel
fielen ein in das Café Central,
Schicksalsbahnhof voller Züge,
ohne ein einziges Gleis.
Wie die Tänzerin, die ich nie tanzen gesehen,
wie die Sängerin, die ich nie singen gehört,
ihr Ohr auf meinen Rippen, offenen Munds,
lauschte.
Aus allen Toden komm ich.
Nach Hause komm ich.
Wie einfach das war.
August 2021
Schlagwörter: Gedicht, Henry-Martin Klemt