24. Jahrgang | Nummer 17 | 16. August 2021

Antworten

Karl Liebknecht, Märtyrer der Arbeiterbewegung – Als Sie im kaiserlichen Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts öffentlich Friedrich den Großen zitierten („Wenn die Soldaten begonnen haben zu denken, wird keiner von ihnen bei der Fahne bleiben.“), erwirkte des Kaisers Kriegsminister Anklage wegen Hochverrats. Urteil: anderthalb Jahre Haft. Als am 4. August 1914 im Reichstag Kriegskredite zur Abstimmung standen, stimmten Sie aus Fraktionsdisziplin mit ihrer gesamten SPD-Fraktion zwar noch zu – schließlich ging es gegen die verhasste Despotie des russischen „Blutzaren“ –, doch bereits bei der nächsten Kreditvorlage am 2. Dezember 1914 votierten Sie als einziger Reichstagsabgeordneter mit Nein und ließen von Ihrem Diktum „Der Hauptfeind jedes Volkes steht in seinem eigenen Land!“ nicht wieder ab. Sie gingen dafür erneut hinter Kerkermauern. Ihre konsequente Antikriegshaltung und Ihr revolutionäres Engagement für die Arbeiterklasse haben Ihnen die deutsche Reaktion und ihre vormaligen Parteioberen nie verziehen: Am 15. Januar 1919, nur wenige Wochen, nachdem Sie am 9. November 1918 die erste deutsche Republik ausgerufen hatten, wurden Sie – zusammen mit Rosa Luxemburg – von Angehörigen der immer noch kaisertreuen Garde-Kavallerie-Schützen-Division ermordet. Mit ausdrücklicher Billigung von Gustav Noske, dem sozialdemokratischen Volksbeauftragten für Heer und Marine. Am 13. August 2021 haben wir in Ehrfurcht Ihres 150. Geburtstages gedacht.

Norbert Röttgen, Kriegszündler – Voller Erstaunen nahmen Sie offenbar jetzt erst zur Kenntnis, dass 20 Jahre Afghanistan-Einsatz der NATO umsonst waren. Man müsse verhindern, dass die Taliban wieder das Land übernehmen, meinen sie. Sie sehen dabei zuvörderst die Vereinigten Staaten in der Verantwortung. Aber: „Wenn es also militärische Fähigkeiten der Europäer, auch der Deutschen, gibt, die jetzt benötigt würden, dann sollten wir sie zur Verfügung stellen.“ So äußerten Sie sich am 8. August in der F.A.Z., zwei Tage später ruderten Sie im Deutschlandfunk (leicht) zurück. „Es geht nicht um einen neuen Bundeswehreinsatz, um das ganz klar zu sagen“, sagten Sie mit deutlicher Unklarheit. Aber man müsse dem Vormarsch der Taliban etwas entgegensetzen …
Was denn nun? Eine Regierungserklärung der Kanzlerin? Pelz waschen, ohne nass zu werden? Fasten für den Frieden? Von welchen Fähigkeiten schwätzen Sie überhaupt? 3500 gefallene Soldatinnen und Soldaten der NATO und ihrer Verbündeten seit 2001, seit 2009 mindestens 39.000 afghanische Zivilistinnen und Zivilisten, die allein bei Kampfhandlungen starben, sprechen hingegen eine deutliche Sprache. Wobei letztere Zahlen untertrieben sein dürften. Wollen Sie da wirklich mit den gehabten Methoden weitermachen? „Niemand liebt bewaffnete Missionare“, sagte Maximilien Robespierre einmal. Wieder und wieder gab die Geschichte dem französischen Revolutionsführer recht. Leuten, die das nicht begreifen wollen, muss man das Heft des Handelns aus der Hand nehmen.
Herr Röttgen, Ihre Positionen sind eine Gefahr nicht nur für unser Land. Im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages haben Sie nichts zu suchen.

Annalena Baerbock, als Tigerin gesprungen … – Sie wohnen mit Ihrer Familie in der brandenburgischen Landeshauptstadt und haben nicht nur Ihren Wahlkreis in diesem Bundesland, sondern waren dort auch vier Jahre Landesvorsitzende der Grünen. Trotzdem haben Sie in Ihrem umstrittenen Buch das brandenburgische Ludwigsfelde, das sogar in Ihrem Wahlkreis liegt, kurzerhand zu einem Stadtteil von Berlin gemacht. Inzwischen haben Sie ja einen formidablen Absturz in den Umfragen sicher auch erlitten, doch vor allem wohl selbst hingelegt. Eine hauptstädtische Zeitung vermeldete dieser Tage, im Ranking der beliebtesten deutschen Politiker schwenkten Sie nunmehr die rote Laterne. Und wenn eine schon am Boden liegt, dann soll man bekanntlich nicht nachtreten. Doch was soll man eigentlich tun, wenn diejenige bei einem Wahlkampfauftritt im Biesenthaler Becken nahe Bernau vor laufenden Handykameras den Wald „hier im Oderbruch“ bewundert? (Das liegt gut 50 Kilometer weiter östlich.) Soll man den neuen Fauxpas stillschweigend überhören? Oder nur innerlich stoßseufzen: „Typisch Wessi – alles östlich von Berlin ist, wenn nicht gleich Polen, dann doch ganz bestimmt Oderbruch!“?

Antwortender, Pedant – Warum denn so kleinlich? Was, bitte, sind 50 Kilometer für eine Kandidatin, die es gewohnt ist, sehr viel größer zu denken? Frau Baerbock hatte sich im NDR-Interview schon vor Monaten von ihrem Kovorsitzenden abgegrenzt, der mehr von „Hühnern, Schweinen und – was haste? – Kühe melken“ verstehe: „Ich komm eher aus’m Völkerrecht. Da kommen wir aus ganz anderen Welten im Zweifel.“ Und Sie wollen ihr mit Oderbruch und Barnim kommen! Wo stehen die im Völkerrecht? Ganz andere Welt – im Zweifel.

Mely Kiyak, scharfzüngige Kolumnistin – „Kiyaks Theater Kolumne“, verbreitet durchs Berliner Maxim-Gorki-Theater, war auch dem Blättchen das eine oder andere Mal eine Übernahme wert. Kurzweilig, leidenschaftlich, überaus realistisch sind die Texte allemal. Jetzt wurde Ihnen der Kurt Tucholsky-Preis 2021 zuerkannt.  Die Ehrung erfolgt laut Ausschreibung „für politisch engagierte und sprachlich prägnante Werke der literarischen Publizistik, die sich im Sinne des Namensgebers kreativ und kritisch mit zeitgeschichtlichen Entwicklungen und Vorgängen auseinandersetzen und Realitäten hinter vorgeschobenen Fassaden erhellen“. Ihre Kolumnen, die auch unter dem Titel „Kiyaks Deutschstunde“ bei Zeit Online erscheinen, und Ihr Buch „Frausein“ erfüllen diese Kriterien in beispielhafter Weise. Die Jury des Preises urteilte: „Mely Kiyak war schon politische Kolumnistin, als der Kolumnismus in Deutschland noch mit Kommentarspalten verwechselt wurde.“ Als Tochter kurdischer „Gastarbeiter“ 1976 im niedersächsischen Sulingen geboren, erst seit 1998 im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft, analysieren Sie bisweilen beißend-ironisch die politischen Verhältnisse in diesem Land. Das Blättchen dankt und gratuliert herzlich.

Dr. Ellen Ueberschär, Theologin und „Vorständin“ der Heinrich-Böll-Stiftung – Spräche Goethes Faust wie Sie, dann müsste er wohl bekennen: „Da steh’ ich nun, ich arme[r] Thor*_:In! / Und bin so klug als wie zuvor […].“ Denn in einem Interview äußerten Sie kürzlich bezüglich Ihrer selbst: „Ich bin jemand, die ganz verschiedene Vorbilderinnen hat.“ Mal abgesehen davon, dass der Namensgeber der Stiftung, der Sie vorstehen, ob solchen Sprachgebrauchs im Grabe rotieren dürfte und bei Verwendung ähnlichen Kauderwelschs wohl nie auch nur in die Nähe des Literaturnobelpreises gelangt wäre, bitten wir Sie inständig, sich weiterhin sowohl öffentlich als auch laut und vernehmbar auf diese und vergleichbare Weise zu äußern! Jede Stimme hilft, damit der Mehrheit im Lande vielleicht doch noch schwant, was unserer wohlklingenden Muttersprache* droht, sollten Sie und Ihresgleichen irgendwann an irgendwelche Schalthebel gelangen, und dass man dem einen Riegel vorschieben muss. Wobei wir, was hier vorsichtshalber expressis verbis betont werden soll, „einen Riegel vorschieben“ als Metapher verstanden wissen wollen, nicht als Aufforderung zur Ausübung physischer Gewalt!

* – Auf eigenes Gendern (Deutsch ist schließlich auch unsere Vatersprache) verzichten wir bewusst, denn: Was du nicht willst, das man dir tu, …

Devid Striesow, ob seiner künstlerischen Qualitäten geschätzter Mime – Aus der Serie „Bella Block“ und aus Filmen wie „Die Fälscher“ (Bundesfilmpreis „Beste männliche Nebenrolle“ für Sie!) und „Zeit der Kannibalen“ haben wir Sie noch in bester Erinnerung. Jetzt haben Sie einer großen Tageszeitung offenbart, dass der Rostocker Schrebergarten Ihrer Eltern und Ihrer Kindheit vom Bösen umzingelt war: „Der Garten in unserer Kleingartenanlage war gesäumt von zwei Stasi-Nachbarn und zwei SED-Parteimitgliedern, die Parteiämter hatten. […] Wenn es einen Arbeitseinsatz gab in der Kleingartenanlage, dann zogen die ihre Oberhemden aus und hatten darunter das Waffenholster. Davon gab es reichlich.“
Mit der Faustfeuerwaffe raus in die Radieschen und die Johannisbeeren? Kann es womöglich sein, dass Ihre Eltern Sie seinerzeit ohne Mützchen etwas zu lange in der Sonne geparkt haben?

Boris Obergföll, Trainer eines glücklosen Speerschleuderers – Ihr Schützling Johannes Vetter wollte in Tokio eine Medaille. Jeder, also fast jeder, der zu Olympischen Spielen antritt, will das. Vetter verpatzte seine drei Versuche und schaffte nur für ihn magere 82,52 Meter. Das war Platz neun. Wenn Deutsche verlieren, sind es immer die Umstände, die uns am Siegen hindern. Der harte Winter, ein bockiges Pferd – oder eben ein rutschiger Untergrund. „Beschissen und betrogen“ worden sei man, wetterten Sie nach der Pleite Vetters. Und dann brabbelten Sie noch etwas von „vollkommener Chancenungleichheit“.
Komisch, der Wettbewerbssieger Neeraj Chopra schaffte 87,58 Meter ohne hinzufallen. Der ist allerdings Inder und der asiatische Belag … Aber auch die Tschechen Jakub Vadlejch (Silber) und Vítězslav Veselý (Bronze) kamen mit dem zurecht. Die Inhaber der Plätze vier bis acht hatten dieselben Chancen wie Johannes Vetter. Alle auf demselben Belag. Vielleicht lag’s doch an ihm selber?
Auffällig ist allerdings, dass es gerade deutsche Trainerinnen und Trainer waren, die bei diesen Spielen durch Sprüche auffielen, die mit dem olympischen Gedanken nicht allzu viel zu tun haben. Sie sollten, falls Sie nicht aus heiligem Zorne zurücktreten oder Ihr Unglücksrabe Ihren Rauswurf betreibt, in sich gehen. Über sich selbst nachdenken hat noch niemandem geschadet. Sie haben jetzt drei Jahre Zeit.