Das „Kleine Lehrbuch der Schwimmkunst zum Selbstunterricht“ von Johann Christoph Friedrich GutsMuths erschien 1798. Der (Sport-)Pädagoge hatte, als die ersten deutschen Seebäder an Nord- und Ostsee entstanden (zuerst 1793 in Heiligendamm), geklagt, „bisher ist das Ertrinken Mode gewesen, weil das Schwimmen nicht Mode ist“. Zwar hatte der Schweizer Nycolaus Wynmann 1538 das erste Schwimm-Lehrbuch überhaupt verfasst, das allerdings auf den Index kam (weil Schwimmen als etwas Widernatürliches galt) und ohnehin erst 1866 ins Hochdeutsche übersetzt wurde. Ernst von Pfuel, preußischer General und Staatsmann, errichtete 1817 in Berlin die erste Militärschwimmanstalt, in der Brustschwimmen gelehrt wurde. Von Pfuels Begründung: „Der Frosch ist ein vortrefflicher Schwimmer, […] denn die Beschaffenheit seines Körpers ähnelt in den Teilen, welche hauptsächlich zum Schwimmen nothwendig sind, sehr der des Menschen 1886 schließlich vermerkte Brockhaus‘ Conversations-Lexikon im vierzehnten Band: Schwimmschulen, auch für das weibliche Geschlecht (!), befänden sich jetzt in allen größeren Städten. Noch konnte jedoch um 1900 nach Schätzungen nur etwa ein Prozent der Bevölkerung schwimmen. Auch die Schiffer und Fischer auf Rügen vermochten es meist nicht, galt bei ihnen doch der Slogan: „Lieber gleich ‚versupen‘, als stundenlang zu schwimmen und sich langsam zu Tode ‚spaddeln‘!“
Für das Wohl der Badewilligen standen in den Badeanstalten Rügens Badefrauen und Bademeister zur Verfügung, zum Beispiel im Göhrener Damenbad um 1890 sechs Badefrauen, in den fünf Badezellen in Baabe 1896 ein Bademeister und zwei Badefrauen. Sie kontrollierten das rechtzeitige Verlassen der Badzellen (meist nach 45 Minuten), waren für die Aufbewahrung der persönlichen Sachen der Badegäste verantwortlich, stellten Badewäsche zur Verfügung, hielten die Badeanstalten sauber und hatten die Badekleidung nach dem Bade zu trocknen und zu ordnen. Besonders vorsichtige Badegäste oder Kinder konnten sich von dieser „Badedienerschaft“ sogar ins Wasser geleiten lassen, gegen entsprechende Gebühr natürlich. Die Badediener tauchten die Gäste in den Anfangszeiten des „Kaltbadens“ mit den Köpfen bis zu fünf Mal für etwa zehn Sekunden in das Salzwasser – das war‘s dann mit dem Baden. Teilweise frottierten die Wärterinnen und Wärter auch die Badegäste und erteilten Schwimmunterricht („Vergütung nach Uebereinkommen“ hieß es diesbezüglich im Badeprospekt von Göhren aus dem Jahre 1903). Dazu passt die Meldung des Rügenschen Kreis- und Anzeigeblattes vom 23. April 1906, wonach die Gemeinde Binz den Beschluss fasste, „zwei Badeanwärterinnen einen Schwimmkurs durchmachen zu lassen und zur Bestreitung der Kosten aus Gemeindemitteln eine Beihülfe zu leisten“. Was die offenbar geringe Bezahlung der dienstbaren Geister in den Badeanstalten betraf, so hieß es in einem Prospekt der Badedirektion von Binz aus dem Jahre 1909 unmissverständlich: „Die Badeangestellten sind auf Trinkgelder angewiesen […].“ Ausdrücklich wurde davor gewarnt, die Sperrvorrichtungen in den Seebadeanstalten zu überschreiten. In einem solchen Fall könne man nicht damit rechnen, gerettet zu werden. Außerdem war dann für den Einsatz des Rettungsbootes eine Gebühr zu entrichten.
Der zunehmende Badetourismus führte zu den unterschiedlichsten Badeempfehlungen, durch die Unfälle oder gar das Ertrinken vermieden werden sollten. Badearzt Dr. G. Wiechell aus Göhren riet in einer Broschüre der Bade-Verwaltung von 1903, mit den Bädern erst am dritten oder vierten Tage zu beginnen, zuvor den Körper abkühlen zu lassen, sich schnell zu entkleiden und ohne sich erst lange zu besinnen ins Wasser zu springen. Das sah die Bade-Direktion von Sellin ganz anders: Man warte nie mit dem Hineingehen bis man sich abgekühlt hat. Nichts sei auch für den schwitzenden Körper wohltuender und bekömmlicher, als ein sofortiges Hineingehen ins Wasser.
Das Damoklesschwert des Ertrinkens hatte auch fragwürdige Angebote zur Folge, wie den „Badeanzug ‚Rettung‘“, für den die Berliner Hartwig Gesellschaft im Reiseführer von Volkmann 1911/12 damit warb, dass mit ihm jeder Nichtschwimmer sofort und sicher schwimmen könne und ein Untergehen unmöglich sei.
Ein tragisches Ereignis am 28. Juli 1912, bei dem infolge eines Brückeneinsturzes in Binz 14 Personen ums Leben kamen, war im Folgejahr Anlass für die Gründung der „Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft“ (DLRG) – zunächst „Verein für Schwimmausbildung und Wasserrettung“ geheißen. Der Verein wurde am 19. Oktober 1913 in Leipzig nach dem Vorbild der englischen „Royal Life Saving Society“ aus der Taufe gehoben. Ziel war und ist die Verbreitung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Retten und Wiederbeleben Ertrinkender.
Noch 1928 hielt es die Badedirektion von Binz für sinnvoll, darauf zu verweisen, dass das „Bade-Dienstpersonal“ in der Behandlung anscheinend Ertrunkener ärztlich ausgebildet sei. Es bleibt nur zu hoffen, dass diese Behandlung nicht nach einer um 1800 auf Rügen verordneten Methode erfolgen sollte: Demnach musste den Ertrunkenen mit besonderen Klistiermaschinen „viel Tobacksrauch durch den After in die Därme“ geblasen werden, „um durch die dadurch in den Därmen hervorzubringende Empfindung den Körper zu beleben“. Das Conversations-Lexikon von Brockhaus (6. Band, 1883) warnte davor „den Ertrunkenen auf den Kopf zu stellen […], um das übermäßige Wasser aus dem Magen zu treiben“.
In seiner Ausgabe vom 10. November 1913 berichtete das Rügensche Kreis- und Anzeigeblatt über ein Urteil des Oberlandesgerichtes Stettin zum Nachteil der Gemeinde Baabe: Im Familienbad war der Zivilingenieur O. aus Leipzig im Sommer 1910 zusammen mit seiner Tochter ins Wasser gegangen und von der Strömung fortgerissen worden. Seine Hilferufe wurden zwar von anderen Badegästen vernommen und weitergeleitet, vom Badewärter aber zunächst nicht bemerkt, da er an anderer Stelle beschäftigt war. Erst nach geraumer Zeit sei er mit dem Rettungsboot zum Ertrinkenden gefahren, der 52-jährige O. konnte aber nicht mehr gerettet werden. Die Witwe forderte von der Gemeinde eine jährliche Rente von 6000 Mark und bekam schließlich Recht.
Heute sichern die Rettungsschwimmer der DLRG in den Sommermonaten an den meisten offiziellen Badestränden der Insel Rügen den Badespaß. Darüber hinaus bietet die Gesellschaft verschiedene Ausbildungen an, unter anderem von Nichtschwimmern zu Schwimmern, von Schwimmern zu Rettungsschwimmern und von Rettungsschwimmern für den Rettungswachdienst.
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