Zumindest unter den Badegästen war der Ende Juni 1843 in Baabe geborene Martin Looks, der ihnen in wetterfester Fischermontur in den 1920er Jahren am Strand seine „wahren“ Geschichten und Erlebnisse erzählte, eine regelrechte Attraktion. Man sagt, Looks habe zu der unter Pommern seltenen Spezies gehört, die einen „besoffen quatschen“ konnte. An seiner Biografie „Der Seeräuber von Mönchgut. Sein Leben und seine Taten ihm nacherzählt von Fritz Worm“, 1907 im Eigenverlag erschienen, hatte Looks zunächst drei Jahre selbst geschrieben, ehe der Mönchguter Lehrer, Schriftsteller und begeisterte Heimat- und Altertumsforscher Friedrich (Fritz) Johann Karl Worm die Arbeit des „Entzifferns und Verdeutschens“ übernahm. Looks ließ seine Biografie stolz drucken und verkaufte davon – zusammen mit Ansichtskarten mit seinem Porträt – 2500 Exemplare an die Badegäste.
„So ein Seeräuber ist ja eigentlich ein ganz überflüssiges Stück Möbel“, beginnt Looks seine Lebensbeichte, um sich zugleich bei den Lesern dafür zu entschuldigen, dass er geboren sei. So ungewöhnlich der Beginn, so ungewöhnlich auch sein Leben. Kaum vier Jahre alt, stirbt sein Vater, „der mir der Liebste auf der ganzen Welt war“. Seine Mutter heiratete bald wieder, bekam weitere Kinder, auf die Martin Looks aufpassen musste. Zwölf Jahre alt, verdiente er etwas Geld mit dem Ausnehmen von zum Salzen vorgesehenen Heringen. Mit zwölf Jahren lernte er seine erste Jugendliebe, „Chrischane“, kennen. Die Beziehung war jedoch schlagartig beendet, als der Pastor im Konfirmandenunterricht ein an die Erwählte gerichtetes Gedicht abfing. 16-jährig warf Looks ein Auge auf Rieke Besch – „das war solch ein Braten für meines Vaters Sohn“. Sie wurde seine Braut. Allerdings fand sie bei einem Tanzvergnügen, bei dem sich Looks mehr um die kreisende Schnapsflasche und den gemeinsamen Gesang als um Rieke kümmerte, Gefallen an Eduard Wittmiß, der ihr von seiner schönen Bauernwirtschaft erzählte … Einige Jahre später erst heiratete Looks endlich eine junge Frau, die ihm „treu zur Seite gestanden“ und mit ihm zusammen gelebt habe „wie ein lieber Kamerad“.
Einen Wendepunkt in Martin Looks Leben stellten erste Jagderlebnisse mit dem Büdner Johann Koos dar, dem er die geschossenen Enten und Schwäne „apportierte“. Gepackt von Jagdfieber ging er mit selbstgebautem Flitzbogen und Pfeil, dessen Spitze aus einer von der Mutter stibitzten Stopfnadel bestand, auf die Jagd, zunächst von Krähen und Elstern. Die eigentlich gewünschten Enten waren ohne Gewehr nicht zu erreichen. Deshalb sammelte Looks zwei Jahre lang Bernstein, verkaufte ihn in Bergen und erwarb dafür von einem Mönchguter „Budiker“ ein altes, aber noch brauchbares Gewehr, die nötigen Zündhütchen sowie Pulver und Blei. Endlich konnte er nun neben der Arbeit – in der Landwirtschaft und der Fischerei, später auch in einer eigenen kleinen Bootswerft – „richtig“ jagen. „Hasen, Rehe, ja auch manchen feisten Hirsch holte ich mir vom Felde und aus dem nahen Walde.“ Dass er dabei auch im königlichen Forst wilderte, störte ihn nicht. Es gelang ihm ein ums andere Mal, dem Förster zu entwischen oder ihn schlitzohrig zu übertölpeln, indem er das geschossene Wild und die Büchse rechtzeitig in vorsorglich angelegten Verstecken verschwinden ließ. Nur einmal wurde er in flagranti erwischt und vor dem Amtsgericht in Bergen zu 200 Mark Strafe verurteilt.
Neun Jahre lang pachtete Looks eine nahe Alt Reddevitz gelegene Jagd, freilich ohne die jährliche Pacht von drei Mark zu zahlen. Trotzdem konnte er es nicht lassen, weiterhin in fremden Revieren zu wildern und sich die Forstbeamten und Pächter zu „Todfeinden“ zu machen, die alles unternahmen, „mich gänzlich unschädlich zu machen oder mich wenigstens kaltzustellen“. So wurde er von einem Herrn S. angezeigt, weil er ihn im trunkenen Zustand angeblich – trotz gelber Pudelmütze und gelbem Pelzkragen – mit einem Hirsch verwechselt und auf ihn geschossen haben sollte. Alle Überredungskünste des Försters, des zuständigen Amtsrates, des Schulzen und eines Wachtmeisters, die Tat zuzugeben und dadurch die Jagderlaubnis zu behalten, waren erfolglos – Looks war dieses Mal tatsächlich unschuldig.
Als gelernter Bootsbauer baute sich Looks ein großes elegantes Boot, die „Habicht“, mit dem er Göhrener Badegäste umherschipperte. Bei dieser Gelegenheit traf er auf einen Herrn Baron, der unbedingt auf Seehundjagd gehen wollte. Da er gut zahlte, fuhr Looks öfter mit ihm zu den Seehundbänken. Der Herr Baron war jedoch ein schlechter Schütze und verlor fast den Glauben an sein Jagdglück. Da Looks den zahlungskräftigen Kunden nicht verlieren wollte, schoss er nahe Binz einen großen Seehund, ließ ihn auf dem Riff liegen, holte den Baron und fuhr mit ihm in Richtung des erlegten Tieres. Begeistert schoss der Baron auf den sich angeblich ausruhenden Seehund, freilich ohne ihn zu treffen, wurde aber von Looks ob der vermeintlichen Treffer gelobt. Neben den vom Baron für erfolgreiche Jagd versprochenen 30 Mark verdiente sich Looks weitere 20 hinzu, indem er das Tier mit Erlaubnis des Barons noch einige Stunden in Göhren zur Schau stellte.
Da einige Badegäste, angeregt durch den schwerreichen Rentier Ewert, einem anderen Kunden von Looks, nun ebenfalls auf Seehundjagd gehen wollten, besorgte sich Looks vom Kaufmann starkes blaues Papier, mit dem sonst Zuckerhüte verpackt wurden, formte daraus zwei große Körper, färbte sie mit Ruß schwarz und versteckte sie in seinem Boot. Während Ewert die Badegäste bei der folgenden Bootsfahrt mit Deklamationen unterhielt, konnte Looks die beiden Attrappen unbemerkt ins Wasser setzen. Aus einiger Entfernung mussten die wohl tatsächlich wie Seehunde ausgesehen haben, denn die männlichen Passagiere begannen, auf sie zu schießen, trafen wohl auch, denn einige Damen behaupteten hoch und eilig, sie hätten die Fetzen ordentlich fliegen sehen. Die Suche nach den „Tieren“ blieb natürlich erfolglos.
Trotz der einträglichen Bootsfahrten und eines kleinen Handels, genauer einer Schmuggelei mit Obst und Gemüse, konnte Looks nicht von der Wilderei ablassen. So schoss er eines Tages eine Hirschkuh, der er den Schädel absägte, damit sie aussah wie ein nicht unter Schonung stehender Bulle. Das Tier verkaufte er an den Wirt des Ratskellers in Bergen, der eine größere Gesellschaft erwartete. Den vom Wirt geforderten Wildzettel (einige Zeit musste in Städte eingeführtes Wildbrett „bezettelt“ werden) hatte er angeblich vergessen und schrieb einen eigenen „Wisch“ aus, mit dem der Wirt zufrieden war. Es dürfte Looks ein diebisches Vergnügen bereitet haben, als er erfuhr, dass ausgerechnet der Landrat mit anderen hohen Herren der Insel den Braten verzehrt und „als überaus delikat“ gepriesen hatte.
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