24. Jahrgang | Nummer 6 | 15. März 2021

Klassische Schönheiten

von Thomas Behlert

Wer sich in der DDR mit klassischer Musik beschäftigte, kam an den Aufnahmen vom rührigen Label Eterna, für das die westdeutsche Firma Edel nach der Wende den Zuschlag erhielt und alle Wiederveröffentlichungen etwas schamhaft im Label Berlin Classics erscheinen lässt, nicht vorbei. Was Amiga für die Popmusik, war Eterna für die Klassik: Alleinvertreter.

Viele Künstler, die bei der Berliner Firma veröffentlichen durften, vertraten die DDR auch hervorragend im Ausland, wie zum Beispiel Kurt Masur, Ludwig Güttler, die Staatskapelle Berlin, Peter Schreier, Thomaner und Kreuz Chor und Gisela May. Die hervorragende Musikausbildung in der DDR brachte immer wieder große Künstler und Klangkörper hervor, die sich durch Leidenschaft, Perfektionismus und Liebe zur Musik auszeichneten.

Nach der Wende lagen wunderbare Aufnahmen mit Dresdner und Leipziger Orchestern, einmaligen Chören, Solisten und überzeugenden Dirigenten in den Archiven der Hamburger Firma. Sie finden nun langsam den Weg in die Regale gut sortierter Musikalienläden, immer ordentlich auf CD gepresst.

Bereits erschienen ist die Zusammenstellung von klassischen Liedern, „Die schöne Müllerin“, interpretiert von Peter Schreier. Der Tenor, der besonders durch die Evangelistenpartien von Johannes Sebastian Bach die Welt berauschte, präsentiert ein weitgefächertes Repertoire. Nicht vergessen darf man auch seine Liebe zu Mozart, Brahms und Offenbach. Von Oper, Operette bis hin zum klassischen Lied sang der Dresdner Künstler, der 2005 seine Gesangskarriere beendete. Gänsehaut bekam der Hörer auch bei Schreiers Auftreten in der Wagner Oper „Tristan & Isolde“ (1988), die Herbert von Karajan dirigierte.

Nun erscheint eine weitere DDR-Aufnahme von Peter Schreier auf CD, die 1977er Zusammenstellung „Schöne, strahlende Welt“. Zwei Jahre nach Schreiers „… singt Weihnachtslieder“, dem erfolgreichsten Klassik-Tonträger der DDR, versuchte er sich, gemeinsam mit dem Großen Rundfunkorchester Berlin, unter der Leitung von Robert Hanell, an populärem Material, welches viele DDR-Bürger, vielleicht sogar erstmals, mit der klassischen Musik vertraut machen sollte. Zu hören sind Stücke aus Operetten, Bearbeitungen bekannter Melodien und Opernhighlights.

Ach was ist das für ein Jauchzen, Jubilieren, Schmettern in wundervollen Tönen, ein Hingeben der Musik und Präsentieren einer pulsierenden Stimme, die tief in die musikalischen Landschaften eindringt. Beim Hören der Stücke weiß nicht nur der Klassikkenner, warum später seine Stimme in Bayreuth, Salzburg, an der Mailänder Scala und in New York erklang. Überall erntete der Träger des Großen Sterns der Völkerfreundschaft und vieler wichtiger Musikpreise endlose Beifallsstürme. Jetzt hört man zum Beispiel auf „Strahlende Welt“ einen herrlich interpretierten Kalman („Grüß mir die süßen, die reizenden Frauen“), der den ehemaligen Knabenalt des Dresdner Kreuzchores in Erinnerung bringt. Oder den ewigen Hit „In mir klingt ein Lied“, der mit viel Seele, Eigenheiten und Feinheiten interpretiert wird. Wunderbar ausführlich und doch ganz einfach sind die kleinen Liedperlen („Frühlingszeit“), die zuerst den lyrischen Sänger zeigen und dann den Heldentenor, der strahlend seinen Siegeszug durch die Welt erklingen lässt. Da nun die CD mehr Platz bereithält, als die übernommene Langspielplatte bereithält, kommen als Zugabe noch einige Lieder aus Peter Schreier Album „O Sole Mio“ zum Einsatz. Einfach nur göttlich, um im Himmel der Lobpreisungen zu bleiben.

Etwas betrüblich ist beim Schreier-Album, dass kein Heft beigelegt wurde. Interessierte vermissen eine kurze Abhandlung über Professor Peter Schreier und dessen Musik, kleine Erklärungen über die Stücke, die bestimmt dazu beitragen würden, dass viele Zuhörer diese tolle klassische Musik besser begreifen.

Peter Schreier: Schöne, strahlende Welt, Label Edel Kultur / Berlin Classics.