23. Jahrgang | Nummer 14 | 6. Juli 2020

Antworten

Gerhard Schröder, Brioni-Träger & Genosse der Bosse – Als Aufsichtsratschef der Rasenballsportler von Hannover 96 gelten Sie als Spezialist für Abstiegskämpfe. Offenbar mit diesem Background und als Ex-SPD-Chef haben Sie jetzt Ihr Dreamteam für den SPD-Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr zusammengestellt. Der prekären Finanzlage der Partei (Mitgliederschwund von 1990 bis 2019 knapp 525.000) Rechnung tragend – mit einer Transfersumme von 0,00 Euro. Also ausschließlich aus dem vorhandenen Kader. Mit dabei sind: Finanzminister Olaf Scholz, Arbeitsminister Hubertus Heil und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Und weil’s ohne Quote und ohne OssInnen offenbar nicht mehr geht – auch Familienministerin Franziska Giffey und Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern.

Die beiden aktuellen SPD-Parteivorsitzenden fanden keine Gnade.

Das ist folgerichtig, denn die SPD ist eine Traditionspartei. In der eben nicht erst heute gilt: Ratschläge eines Vorgängers im Parteivorsitz sind zunächst und vor allem einmal Nackenschläge für AmtsnachfolgerInnen.

Jens Spahn (CDU); Bundesgesundheitsminister mit Kanzlerambitionen – Vor zwei Jahren erregten Sie mit der Behauptung öffentliche Aufmerksamkeit, dass, wer Hartz IV beziehe, „nicht automatisch arm“ sei. Schon damals konnte man sich fragen: Hat der nur die Bodenhaftung verloren oder einen an der Waffel? Seit der Coronakrise ist nun klar, dass dies gegebenenfalls nicht Ihr einziges Handicap ist. Das Thüringische Apfelstädt beherbergt das zentrale bundesdeutsche Lager für Masken und Schutzkleidung, das der heutige Ministerpräsident Bodo Ramelow mal mit aufgebaut hat. Als Sie die Einrichtung während der Krise besuchten, stand die Frage im Raum, ob der MP Sie vor Ort begrüßt. Sie aber ließen Ramelow signalisieren, dass er nicht erwünscht sei.

Was sagt der Volksmund?

Einmal Pfeifenkopp, immer Pfeifenkopp!

Markus Braun, Milliarden-Magier – Als Gründer und CEO des mittlerweile insolventen Dax-Konzerns Wirecard hatten Sie ihren Anlegern, Wirtschaftsprüfern sowie der Finanzaufsicht jahrelang 1,9 Milliarden Euro Unternehmensvermögen auf fernen asiatischen Banken vorgegaukelt. Als der Schwindel endlich doch aufgeflogen war, mussten Sie einfahren. Aber der Aufenthalt hinter Schwedischen Gardinen währte zunächst nur wenige Stunden – gegen eine Fünf-Millionen-Kaution sind Sie schon wieder auf freiem Fuß.

Was treiben Sie denn jetzt so? Netten Erinnerungen nachhängen? Etwa an die Wirecard-Hauptversammlung 2019, als Sie von Aktionären bejubelt wurden, als wären Sie der Heiland, der über Wasser wandelt? Ein Anleger hatte gar ankündigt, ab sofort das Kindergeld für seine Tochter in Wirecard-Aktien zu stecken – in der festen Überzeugung, dass das Kind „mir verdammt dankbar sein“ werde. Eine Frau hatte Sie für die „vielen Glücksmomente“ angehimmelt, „die Sie mir in den vergangenen Jahren beschert haben“. Da möchte man gar nicht wissen, was die Dame da mit ihren Aktien womöglich …
Oder lachen Sie sich jetzt einfach scheckig? Über die Dämlichkeit der Aktionäre. Als Finanzprofi wussten Sie schließlich: „Gier frisst Hirn“ und hatten genau darauf Ihr Geschäftsmodell abgestellt …

Schalke 04, nur noch ein Schatten des einstigen Arbeitertraditionsvereins – Als wären Sie mit Ihrem (zwischenzeitlich zurückgetretenen) Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies, der als Fleischproduzent für die rigide Ausbeutung seiner überwiegend rumänischen Vertragsarbeiter unter menschenunwürdigen Bedingungen steht und der so Lebensweisheiten von sich gibt wie, man solle Kraftwerke in Afrika finanzieren, weil „die Afrikaner“ dann aufhören würden „wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren“, nicht schon genug gestraft, schieben Sie auch noch einen gigantischen Schuldenberg von mehr als 200 Millionen Euro vor sich her und leben seit Jahren eigentlich nur noch von dem Zaster, den Sponsor Gazprom rüberschiebt. Den moralischen Offenbarungseid in der Coronakrise jedoch leistete Ihre Vereinsführung, als sie quasi als erste Sparmaßnahme 24 altgediente Angestellte feuerte, die als Mini-Jobber auf 450-Euro-Basis für den Verein tätig waren.

Doch es gibt auch gute Nachrichten: Obwohl Sie mit 0:4 auch noch das letzte Spiel der gerade abgelaufenen Bundesliga-Saison verloren und damit die schlechteste Rückrunde aller 18 Bundesligisten hinlegten, sind nicht Sie, sondern der SC Paderborn und Fortuna Düsseldorf abgestiegen.
Wenn man keine wirkliche Chance hat, muss man sie natürlich ganz besonders nutzen …

Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von NRW mit Ambitionen auf Höheres – Da setzen Sie sich doch tatsächlich in eine Pressekonferenz und verkünden mit Blick auf den ostwestfälisch-lippischen Schweineschlacht-Mogul Tönnies (30.000 verwurstete Tiere am Tag), dass „die Zeit der Kooperation“ zwischen dem NRW und dem Unternehmen vorbei sei. Und vor allem: „Hier wird jetzt streng nach Recht und Gesetz verfahren.“

Der Satz macht stutzig: Wie ist denn im Hinblick auf Tönnies und die berüchtigten Zustände in dessen Fleischfabriken oder betreffs der selbstverliebten Schuldenmacherei „auf Schalke“ unter Tönnies’ Amtsführung bisher verfahren worden? Wenn nicht nach Recht und Gesetz? Konnte sich der Schnitzel-Schlawiner womöglich eine Lex Tönnies kaufen? Mit seinen Spenden an die Bundes-CDU? Immerhin 158.474 Euro in den vergangenen 18 Jahren …

Honi soit qui mal y pense – ein Schelm, wer Arges dabei denkt.

Friedrich Merz (CDU), der mit dem Bierdeckel und offenbar nicht tot zu kriegen – Da konnte man schon fragen: „Wo war eigentlich der Merz in der Coronakrise?“ Und hoffnungsvoll hinter vorgehaltener Hand: „Der bleibt uns doch jetzt nicht etwa dauerhaft erspart?“ Doch kaum ist etwas Gras über Sie gewachsen, schon kommt irgendein dämliches Kamel daher und frisst es wieder ab. In dem Fall dieses abgetakelte „Sturmgeschütz der Demokratie“ (so Rudolf Augstein über das von ihm gegründete Hamburger Nachrichtenmagazin), das Ihnen mit einem mehrseitigen Interview den Weg in die Öffentlichkeit erneut frei schoss.

Und Ihre Botschaft?

Wieder die nämliche: Sie sind für den Kanzlersessel – einfach der Beste!

Dieses Mal vorgetragen mit Understatement: „Entspreche ich den Erwartungen und den Notwendigkeiten, die es nicht nur für die Partei, sondern auch und vor allem für unser Land zusammen mit einem guten Team zu erfüllen gilt? Ich bin – mit viel Respekt vor der Aufgabe – zuversichtlich.“
Hatten Sie vor dem Gespräch einen Blick auf die Website karrierebibel.de geworfen? Dort heißt es: „Zuletzt stirbt die Hoffnung. Und tatsächlich: Kaum etwas spornt Menschen so sehr an wie die Kraft der Zuversicht – die Aussicht, dass ihr Vorhaben gelingen kann und Probleme überwunden werden. Derlei Optimismus klingt natürlich zunächst verdächtig nach rosaroter Brille und der Immer hübsch positiv denken!-Soße von zweitklassigen Motivationstrainern. Zugegeben, der Grat zwischen seriöser Lebenshilfe und Scharlatanerie ist hierbei schmal. Und doch deuten immer mehr Studien darauf hin, dass Zuversicht eine unterschätzte Eigenschaft ist, die nicht nur unsere Weltsicht verändert, sondern auch unsere Gesundheit und den Erfolg …“

Ihre Weltsicht hat sich offenbar bereits verändert, denn Sie in dem Interview äußerten Sie lobende Worte außer zu Ihrer Person auch über – Angela Merkel. Von der „ich mich [hört, hört – die Redaktion] nicht […] abgrenze. Das habe ich 2018 nicht getan, und das mache ich auch 2020 nicht“: Merkel habe“ die CDU auf einem bemerkenswerten Level gehalten. Und sie kann Krise.“

Womit werden Sie uns als nächstes überraschen?
Wir sind gespannt.

Doch immer eingedenk Vergils Aeneis: „Quidquid id est, timeo Danaos et dona ferentes.“ (Was immer es ist, ich fürchte die Griechen, selbst wenn sie Geschenke bringen.“)

Sigmar Gabriel, Ex-SPD-Chef und ein Mann für alle Fälle – Als damaliger Bundeswirtschaftsminister fanden Sie für das System der Ausbeutung in der Fleischindustrie noch harsche Worte: „Schande für Deutschland“. Sie versprachen Reformen: Die Werkvertragsarbeitnehmer sollten Verträge nach deutschem Recht erhalten, in die Unterkünfte sollte investiert werden.

Mancher allerdings war damals schon skeptisch, denn Sie schmiedeten nicht flugs verbindliche und sanktionsfähige Paragraphen, sondern setzten auf – Selbstverpflichtungen der Fleischindustrie. Das war so, als forderte man die Frösche auf, den Sumpf trockenzulegen.

Aber wahrscheinlich dachten Sie damals einfach bereits an die Zukunft. Also an Ihre eigene. Denn Clemens Tönnies knechtet zwar seine Vertragsarbeiter, aber Wohltäter vergisst er nicht: Anfang des Jahres heuerte er Sie als Berater an – zu Exportfragen wegen der Afrikanischen Schweinepest. Einen Namen musste das Kind schließlich haben! Salär: 10.000 Euro im Monat plus ein zusätzliches vierstelliges Honorar für jeden Reisetag. Da muss ’ne Oma lange für stricken.

Leider wurde der Deal nun ruchbar, und Ihre sozialneidischen Nachfolger an der SPD-Spitze hatten nichts Eiligeres zu tun, als Sie in den Regen zu stellen. Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans bezweifelten doch glatt Ihre moralische Urteilsfähigkeit. Zwar könnten ehemalige Vorsitzende der SPD nach ihrer aktiven Zeit tätig werden, für wen sie wollten, doch: „Für jeden aufrechten Sozialdemokraten ergibt sich dabei aus unseren Grundwerten, an wessen Seite man sich begibt und wo man besser Abstand hält.“

Lieber Siggi, machen Sie am besten das Beste aus dem Schlamassel.

Vielleich wie jener schwer traumatisierte 60-jährige Bettnässer, dem ein Freund empfohlen hatte, mal einen Psychiater aufzusuchen. Als man sich Wochen später wiedertraf, wollte der Freund wissen, ob der Tipp hilfreich gewesen sei.

„Oh, überaus hilfreich. Tausend Dank!“

„Schön, dann puschst du jetzt also nicht mehr ein.“

„Doch, doch. – Aber jetzt bin ich stolz drauf!“