Karl Lagerfeld ist eine Marke. Durchgestylt. Vom weißen Haarzopf über Sonnenbrille und Handschuhe bis zum Stehkragen und der schlanken Konfektionsgröße. Dazu ein lockeres Mundwerk mit hohem Unterhaltungswert. Sparsame Auftritte mit Antworten, die wie aus der Pistole geschossen kamen. Statements zum Einrahmen. Über die Kunst, das Leben, ihn selbst. Wenn man wollte, auch über die Kleiderordnung der Promis samt Kanzlerin.
1933 in Hamburg geboren, wurde er früh zum Wahlpariser. Dort starb er auch im vergangenen Jahr. Er war einer, der viel konnte. Ein Privilegierter, der machte, was er wollte. Modedesigner, Fotograf, Buchverleger, Karikaturist, Filmregisseur. Immer selbstbewusst und meistens ziemlich erfolgreich. Bis zum Schluss ein Star der Modeszene, der sich für alles Mögliche interessierte. Dabei immer auch für sein Bild in der Öffentlichkeit. Wer wollte ihm das verübeln. Selbst geschaffen und gepflegt. Alter? Egal. Der Mann, der immer auch sagte, was er dachte, hat nie von sich behauptet, ein Künstler zu sein.
Und doch hat er nicht nur Mode gemacht, sondern quasi nebenbei, auch Kunst. Seine Fotos, seine Bücher, die Inszenierungen seiner Modenschauen und immer wieder seiner selbst – das hat schon was.
Das Kunsthaus Apolda hatte schon 2005 den richtigen Riecher für die Qualität von Lagerfelds Fotografie. Andere Ausstellungen folgten – vor allem das berühmte Essener Folkwang Museum verschaffte dem Mann der Mode mit einer großen Ausstellung 2014 einen Ritterschlag als Gesamtkunstwerker ganz eigener Art. Auch wenn mancher professionelle Kunstkritiker die Augenbrauen hob. Seine Kollektionen präsentierte er immer in einem Rahmen, der als Bühnenbild vielen Operninszenierungen Ehre gemacht hätte. Seine Fotos haben ihren eigenen Wert.
Für das Kunstmuseum Moritzburg und seinen Chef Thomas Bauer-Friedrich sollte die Karl-Lagerfeld-Ausstellung der dritte Coup in Folge nach Klimt und der Comeback-Schau mit der vorübergehenden Heimkehr vieler von den Nazis als entartet geschmähter Kunstwerke nach Halle werden. Doch die erste große Retrospektive zum Werk des Fotografen Lagerfeld schaffte es am 9. März gerade noch zu ihrer Eröffnung. Dann krachten auch die Tore der Moritzburg ins Schloss. Zugang in Coronazeiten nur noch virtuell. Das heißt, nicht ganz. Wer einen allein oder zu zweit ja erlaubten Spaziergang an der Moritzburg vorbei unternimmt, der sollte einen Blick in den Innenhof riskieren. Der ist mit über dreißig überlebensgroßen Aufstellern gefüllt, die alle ihn zeigen. Auf der Vorder- und der Rückseite: Karl den Großen, den Schlagfertigen, den perfekt gestylten, den Mann, der sich um das Lebensjahrzehnt, in dem er sich gerade befand, nicht scherte und der sich selbst mit einer solchen Konsequenz inszenierte, dass man über diesen Triumph des Individuellen nur schmunzeln und sich erfreuen konnte. Lauter Varianten der Selbstdarstellung. Immer gut getroffen. Jedenfalls nicht irgendwie zufällig, sondern genau, wie er es wollte. Er hatte eben den Bogen raus.
Ihm wäre zum Corona-Shutdown bestimmt ohne groß nachzudenken eine zitierfähige Attacke eingefallen. Und wenn er gesagt hätte: „Das Wichtigste seht ihr doch auch, wenn das Museum zu ist: mich“ dann hätte man es ihm nicht übel nehmen können.
Lagerfelds Lieblingsverleger Gerhard Steidl, mit dem er seit 1993 zusammenarbeitete, hat die Ausstellung nicht nur kuratiert, sondern einen wunderbaren Katalog (für 28 Euro) für die Ausstellung gemacht. (Unter „#closedbutopen IV“ kann man den Katalog bei YouTube einmal durchblättern …) Ganz im Sinne dieses Liebhabers schöner Bücher.
Für die etwa 300 Fotografien, die eigens für die Präsentation (noch von ihm selbst mit ausgewählt) und produziert und teilweise überhaupt zum ersten Mal öffentlich gezeigt werden, stellt das Landeskunstmuseum alle vorhandenen Sonderausstellungsflächen zur Verfügung und bezieht selbst die Sammlungspräsentation „Wege der Moderne“ im ersten Obergeschoss mit ein. Darunter ein 18 Meter langer Paravent zu Homers „Odyssee“ sowie Lagerfelds bibliophiles Fotobuch „Daphnis und Chloë“ (2013). Ein Höhepunkt der Ausstellung sind die Daguerreotypien und Platintypien (Ausführliches dazu in unter #closedbutopen #lagerfeldfotografie II).
Die Feier von Schönheit, Jugend und Stil (sprich Mode) sind das eine. Mit einem Blick für Frauen und Männer haben seine Fotos nichts Sexistisches, wie die anderer Heroen der Zunft. Der Bezug zu Literatur und Malerei, sein Spiel mit ihren Sujets, Motiven und Stimmungen sind das andere.
Zu Edward Hopper etwa. In der Serie von sieben Fotos „Suite 3906“ trifft sein Selbstporträt dessen Stil atemberaubend. Auch der Halle-Maler Lyonel Feininger hatte es Lagerfeld angetan. Vor 30 Jahren hat er seine Mode einmal als Hommage an Feininger präsentiert. In der Ausstellung ist eine Serie von fünf Fotos aus dem Jahre 1990 vertreten. Oder seine ganz eigene Variante der Dorian-Gray- Geschichte nach Oscar Wilde: Mit Porträtreihen eines alternden Mannes und einer alternden Frau. Und darunter Szenen aus dem vollen Leben. Als Preis fürs Altern? (#closedbutopen VI). Die Frage, ob das alles Musterexemplare von Museumskunst sind, ist läppisch. Es ist eine Ausstellung, die Spaß macht. Geplant war sie ursprünglich bis 23. August. Es gibt also noch Hoffnung. Vorübergehend bleiben der Katalog und YouTube.
Kunstmuseum Moritzburg, Halle an der Saale (www.kunstmuseum-moritzburg.de), Karl Lagerfeld Fotografie.
Katalog: Karl Lagerfeld Fotografie. Steidl Verlag, 224 Seiten, 28,00 Euro.
Schlagwörter: Fotografie, Joachim Lange, Karl Lagerfeld, Moritzburg Halle