14. Jahrgang | Nummer 11 | 31. Mai 2011

Arbeitsberater Semmelmehl

von Alfons Markuske

Um einem möglichen Irrtum gleich zu Beginn vorzubeugen: Wahrscheinlich gibt es unter den zahlreichen Beschäftigen der Bundesanstalt für Arbeit – ihre diversen zu-, bei- oder nachgeordneten Behören eingeschlossen – die eine oder den anderen mit dem schönen Namen Semmelmehl, und wenn schon nicht alle, so doch mindestens manche von ihnen verdienten gewiss ein kleines literarisches Denkmal. Gleichwohl – von all diesen Semmelmehls ist im Folgenden nicht die Rede.
Mein Arbeitgeber ist – seit langem erwartet und gerade deswegen dann doch überraschend – in den Konkurs geglitten. Das hat mich vor die Herausforderung gestellt, mich erwerbsarbeitsmäßig neu zu orientieren. An sich unlösbar, denn ich befinde mich mit Ende fünfzig zu den allgemeinen Verfallsfristen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt in einem, nun ja, antagonistischen Gegensatz. Seit heute sehe ich die Situation aber etwas entspannter. Und das kam so.
Semmelmehl wird in unserer Küche zwar nicht eben häufig, zum Panieren von Schnitzeln, zum Bräunen in Butter als Zugabe zu Spargel und Blumenkohl sowie als nicht zu üppig verwendeter Bestandteil der vor allem von unseren Enkeln geliebten Bulettchen aber doch hin und wieder benötigt. Wenn Semmelmehl fehlt, habe ich den Nachkauf seit Jahren am Backstand in unserem Supermarkt getätigt. 500 Gramm zu 1,60 Euro. Jedes Mal gut für eine kleine innerliche Empörung über den Preis: So viel Geld für etwas geschrotetes Hühnerfutter! Oder wozu sind altbackene Brötchen sonst noch zu gebrauchen?
Vor einigen Monaten entdeckte ich beim Bäcker vis-à-vis dem Supermarkt eher zufällig, in Kleinigkeiten ich bin kein besonders kompetenter Einkäufer, dass es dort auch Semmelmehl gibt. Und 500 Gramm zu lediglich 59 Cent! Trotz Unkenntnis des aktuellen Bedarfsstandes in unserer Küche kaufte ich sofort zwei Tüten. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass ich mittelstandsmäßig erblich vorbelastet bin – mein Vater und sein Vater waren Kaufleute, Obst und Gemüse sowie Kolonialwaren. Jedenfalls machte ich, ohne lange nachzudenken, die Bäckersfrau darauf aufmerksam, dass Semmelmehl keine 30 Meter weiter fast dreimal so teuer sei, und da es den kleinen Gewerbetreibenden im Schatten der großen Ketten ja nicht eben gut ginge … „Sagen Sie bloß“, antwortet die Bäckersfrau. Seit jenem Tag stand für mich fest: Semmelmehl nur noch vom Bäcker! Ich bin doch nicht blöd. Heute war es wieder soweit. Der Dialog beim Bäcker ist rasch rekapituliert:

Guten Morgen!

Guten Tag, der Herr! Was darf es sein?

Eine Tüte Semmelmehl, bitte.

Gern, der Herr. Macht einen Euro fünf.

1,05 Euro?! Schlagartig fiel mir der vorangegangene Kauf wieder ein, und ich war sauer: Das hat man davon – erst tut man eine gute Tat, dann ist man angeschmiert! Oder in der unerreicht poetischen Art des Volksmundes: Tue nichts Gutes, dann widerfährt dir nichts Böses! Aber das war nur der erste Moment. Dann war ich stolz auf mich, zahlte, grüßte und ging. Und dann kam mir die Idee: Vielleicht sollte ich mich als Unternehmensberater selbstständig machen. Was meinen Sie?