21. Jahrgang | Nummer 24 | 19. November 2018

Antworten

Rolf Hoppe, Ausnahmemime – Leutselig und zugleich gefährlich wie ein Raubtier, so eine Mischung muss man erst mal hinbekommen. Sie bekamen’s hin – als Hermann Göring in István Szabós „Mephisto“ von 1981. Der Film machte Sie weltbekannt und gewann den Oscar! Da waren Sie einer ganzen Generation von Kindern und Jugendlichen in der DDR aber schon längst ein Begriff: den Kindern als grundgütiger König in „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ und den Jugendlichen als bodenlos böser Abonnement-Schurke in DEFA-Indianerfilmen. Und auch dem erwachsenen DDR-Publikum waren Sie ein immer wieder gern gesehener Schauspieler, ob nun im Fernsehen („Sachsens Glanz und Preußens Gloria“) oder im Kino („Orpheus in der Unterwelt“).
Nun ist für Sie der letzte Vorhang gefallen. Wir verneigen uns in Trauer und in Dankbarkeit.

Claudia Perren, wachsame Bauhaus-Beschützerin – „Wir wollen der Vereinnahmung des Bauhaus-Gebäudes durch die Neonazis vor Ort und auch durch die Medien keine Möglichkeit geben“, erklärten Sie vor der Kamera des ZDF, nachdem Sie dem Sender ein Konzert mit einer linken Punkrock-Band in Ihrem Hause untersagt hatten. „Feine Sahne Fischfilet“ spielte trotzdem am 6. November in Dessau, allerdings im „Brauhaus“. Sie hatten stattdessen Besuch: Mehr als ein Dutzend Jung-Nazis marschierten mit schwarz-weiß-roten Fahnen vor dem Bauhaus auf und posierten dort mit einem Transparent „Danke Bauhaus! Linksterroristen keine Bühne bieten!“ –
Entschuldigen Sie sich wenigstens bei Ihrer geschassten Pressesprecherin. Der warfen Sie schlechte Kommunikation vor. Ihre ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die Quittung kam prompt. Danke, Claudia Perren!

Adil Yigit, oder: Wer protestiert, der fliegt! – Sie sind als Journalist ein bekannter Kritiker des Regimes in der Türkei, der auch den ganz persönlichen Einsatz nicht scheut und ebenso wenig den Eklat. Ende September waren Sie Teilnehmer der Pressekonferenz im Kanzleramt, die die Bundeskanzlerin gemeinsam mit dem türkischen Staatspräsidenten – oder wäre Diktator bereits angemessener? – Recep Tayyip Erdogan gab. Sie trugen damals ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift „Gazetecilere Özgürlük – Freiheit für Journalisten in der Türkei“. Als es zu Unruhe kam, brachten deutsche Sicherheitskräfte Sie aus dem Saal. Erdogan lächelte dazu.
Inzwischen dürfte er schallend lachen und sich lauthals auf die Schenkel schlagen, denn nur wenige Wochen nach dem Geschehen schickte Ihnen eine deutsche Behörde die Quittung: Ausweisung! Entweder Sie verlassen bis 22. Januar das Land, oder Sie werden abgeschoben. Nach 36 Jahren, die sie hier gelebt haben, hat die Behörde gottseidank bemerkt, dass Sie nicht erwerbstätig seien und auch nicht bei Ihren Kindern lebten. (So die offizielle Begründung der Ausweisung! Man hätte ja auch schlecht schreiben können, Erdogan habe den Wunsch geäußert oder so etwas in der Art.)
Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, sollten Sie vorsichtshalber selbst gehen, damit Ihre Abschiebung dann nicht gleich auch noch in die Türkei erfolgt. Dort muss ja bekanntermaßen ein einheimischer regimekritischer Journalist nicht mal das saudi-arabische Konsulat in Istanbul aufsuchen, um …

Friedrich Merz, gottseidank nicht alternativlos – Wenn man den Abtritt Angela Merkels vom CDU-Parteivorsitz nach 18 Jahren als positives Signal für notwendigen Wandel nimmt, dann sind Sie das Schlechte am Guten, denn Sie wollen Merkel nachfolgen, obwohl sie noch 2017 versichert hatten, keine politische Karriere mehr anstreben zu wollen. Gerade haben Sie begonnen, mit den anderen beiden Anwärtern an der Parteibasis zu touren, um sich zu präsentieren, und verströmen dabei, wie dem Chefredakteur des Handelsblattes auffiel, „Harmonie und Einigkeit“, als wenn man Sie „vor dem Auftritt mit Weichspüler behandelt hätte“. Dabei setzen Sie offenbar auf die Vergesslichkeit des Publikums.
Ihre politischen und sonstigen Eskapaden aus der Vergangenheit wollen wir hier aber gar nicht Revue passieren lassen, um nicht ins Uferlose abzugleiten. Uns genügt Ihr Parteikollege Peter Radunski, der frühere Bundesgeschäftsführer der CDU und enge Vertraute von Helmut Kohl. Der hat Ihnen bereits vor vielen Jahren „das Gemüt eines Fleischerhundes“ attestiert und sah, als er in der Sendung „Im Gespräch“ auf Deutschlandradio Kultur dieser Tage darauf angesprochen wurde, keine Veranlassung, diesem Verdikt auch nur das Geringste von seiner Schärfe zu nehmen.

Jens Spahn, Gesundheitsminister – Sie haben dieser Tage die Frage der Migration als „weißen Elefanten im Raum“ bezeichnet, womit gemeinhin ein enormes und kaum lösbares Problem gemeint ist. Dass das besagte Problem nun wahrhaftig sehr groß ist und seine Lösung beträchtlich schwierig, ist nun völlig unstrittig. Dass hierzulande darüber indes nicht gesprochen werden dürfe, ist eine Analyse solch gehobener Art, dass Sie, von dem wir wissen, dass Sie gern CDU-Chef würden, sich die Frage gefallen lassen müssen, in welchem Land Sie leben. Bei Ihren ministeriellen Beziehungen sollte es Ihnen aber leicht möglich sein, einen Facharzt hinsichtlich Ihrer Wahrnehmungskompetenz konsultieren zu können. Es sei denn, auch Mediziner dürfen über die Migration nicht reden.

Emmanuel Macron, Staatschef der Grande Nation – Sie, und nicht nur Sie, setzen sich vehement für „eine richtige europäische Armee“ ein, ohne die sich die Staaten der Europäischen Union „nicht verteidigen“ könnten. Nun wollen wir an dieser Stelle über diese Philosophie gar nicht mal rechten, über deren Begründung aber doch schon: „Angesichts eines Russlands, das an unseren Grenzen steht und gezeigt hat, wie bedrohlich es sein kann, brauchen wir ein Europa, das sich besser und in souveräner Manier selbst verteidigen kann, ohne von den USA abhängig zu sein.“
Wir wissen nicht, ob Sie im Geografieunterricht Ihrer Schule unverschuldet gefehlt haben, aber unseres Wissens steht Russland noch immer dort, wo es schon sehr lange steht; die NATO hingegen ist an die russischen Grenzen herangerückt. Und selbst wenn man nun Russland keineswegs für ein politisch unschuldiges Kuscheltier hält, so zeigt nun seit diversen Jahren das NATO-Militär an eben jenen Grenzen, wie gefährlich es seinerseits sein kann; das so völlig arg- und absichtslose Großmanöver in Norwegen hat das gerade erst aufs schönste bebildert.

Angela Merkel, Pilger-Ikone künftiger Tage? – Es ist unglaublich! Kaum haben Sie mit der Ihnen eigenen Souveränität und Beiläufigkeit Ihren schrittweisen Rückzug aus Ämtern und Macht verkündet, da setzt mit voller Wucht die Verklärung und Heiligenverehrung ein. Vorsänger ausgerechnet Großschriftsteller Martin Walser, der einen ungeliebten Großkritiker dereinst schon mal (literarisch) meuchelte. Walser outete sich jetzt in einer öffentlichen Eloge als Ihr treuester Minnesänger und Schildknappe: Ein „Lichtblick“ seien Sie, „ein Glücksfall“, „immer glaubhaft“, „unverbrauchbar“, eine „epochale Erfolgsfigur“, bei Ihnen fänden „Geist und Natur“ zusammen, sie seien einfach vollkommen. Ihr Bild sei ihm ein „Erlösungssignal“, zu dem er immer „fliehen, pilgern, wandern“ könne.
Von solch erhitzter Schwärmerei bis zum erotischen Taumel ist es nur noch ein kleiner Schritt, und der Walser, Martin, erspart uns auch diesen nicht: Er sei verführt von Ihnen „und der stillen Wucht“ Ihrer „Schönheit“.
Wenn das nicht Schule machen soll, haben Sie nur eine Chance. Sie müssen Ihrem erstaunlichen, ja atemberaubenden Höhenflug von Kohls „Mädchen“ aus der ostdeutschen Provinz zur mächtigsten Frau des Globus noch etwas hinzufügen, worauf die Welt bisher vergeblich gewartet hat: einen handfesten Skandal! Aber wir befürchten, dass auch Ihre Gaben und Fähigkeiten doch ihre Grenzen haben …

Heinrich Zille, Klarsichtiger – „Man kann mit einer Wohnung einen Menschen erschlagen wie mit einer Axt“ haben Sie einst festgestellt. Wir, die wir in einer vergleichsweise sehr viel reicheren und wohlhabenderen Zeit leben, dürfen dies nun ergänzen, denn auch mit einer Wohnungsmiete kann man einem Menschen diesen Tort antun. Sieht man von den Zigtausenden ab, die hierzulande nicht einmal irgendein ein Dach über dem Kopf haben, so sind es mittlerweile Millionen, die entweder durch Mieterhöhungen aus ihren bisherigen Wohnungen vertrieben worden sind oder aber von Hartz-IV-Niveau leben müssen, wenn sie zuvor den geforderten Zins berappen wollen. Es sagt viel über das menschenrechtliche Desaster eines kapitaldiktierten Gemeinwesens wie dem unseren aus, dass den privaten wie auch gesellschaftlichen Eigentümern das Schicksal ihrer Mieter ganz gleichgültig ist, so sich aus ihnen nur noch mehr Geld herauspressen lässt.
Und unsere Volksvertreter? Sie erfinden nichtfunktionierende Mietpreisbremsen oder Trostpflaster wie den Bestandsschutz, ansonsten seien ihnen aber „die Hände gebunden“. Auf die Idee, ein politisches, also gesetzliches Stoppzeichen zu setzen, Mieten gesetzlich – und zwar verbindlich – zu deckeln, Mietwucherer zu enteignen, den Bau von immer mehr Eigentumswohnungen drastisch zu minimieren und natürlich bezahlbaren neuen Wohnraum in jenem Maße zu schaffen, wie dies erforderlich ist … – aber ja, wir leben ja in der Marktwirtschaft, und auch Politiker verstehen sich lediglich als deren Vollstrecker … Ach, Zille.

Jim Acosta, bislang im Weißen Haus akkreditierter CNN-Reporter – Donald Trump hat sie auf ihre Frage nach den Untersuchungen des Sonderermittlers Mueller statt einer Antwort coram publico als „furchtbare, unverschämte Person“ bezeichnet. Und da Sie das Ihnen hingehaltene Mikrophon festgehalten haben, um ihre Frage zu Ende bringen zu können, ist Ihnen dies als Übergriff gegenüber der jungen Frau, die dieses Mikro zu den Fragestellern trägt nun gar als „Übergriff“ ausgelegt worden, was stante pede den Entzug Ihrer Akkreditierung zur Folge hatte. Es ist schon interessant, für wie wenig – nämlich ganz selbstverständliche journalistische Arbeit – man im Weißen Haus Trumps heute sanktioniert wird. Dass Erdogan Trump zu diesem mutigen Schritt gratuliert hat, ist nicht überliefert. Das realsozialistische Verständnis im Umgang mit der Presse feiert jedenfalls fröhliche Urständ.

Uli Hoeness, vorbestrafter Oberkasper des FC Bayern – Ihr Club bietet derzeit eine Performance wie eine Rummeltruppe von Vorstadtkickern. Ein Fressen für die Journaille, Häme und persönliche Schelte gegen etliche Stammspieler inklusive. So war Jérôme Boateng und Mats Hummels „Altherrenfußball“ attestiert worden. Aber so geht das natürlich nicht. Also wurde eine PK anberaumt. Sie saßen daneben, als der andere vorbestrafte Spezi Ihrer Vereinsspitze, der Rummenigge, die Schmierfinken abwatschte („Wir werden keine Respektlosigkeit mehr akzeptieren.“ Man habe sich bereits juristisch zur Wehr gesetzt.) und dabei auch die ganz große Kelle nicht scheute: den Verweis auf Paragraph 1 des Grundgesetzes „die Würde des Menschen ist unantastbar!“
Wie das bei Ihnen allerdings buchstabiert wird, wenn’s andere betrifft, führten Sie dankenswerterweise gleich anschließend vor, als Sie gegen Juan Bernat ätzten, der sei verkauft worden, weil er in der Champions-League-Partie beim FC Sevilla in der vergangenen Saison „einen Scheißdreck“ gespielt habe. Nur zur Erinnerung: Auch über den damaligen Nationalspieler Mesut Özil hatten Sie unlängst befunden, der habe „seit Jahren einen Dreck gespielt“. Wir werden Sie hier nun aber keineswegs durch ein in der Sache zwar passendes Sprichwort (quod licet Iovi non licet bovi) adeln, denn nicht nur als (auch) Wurstfabrikant stehen Sie dem bovis allemal näher als dem Iovis.