21. Jahrgang | Nummer 10 | 7. Mai 2018

In Memoriam Lothar Reher

von Hartmut Pätzke

Immer noch erweitere ich meine Sammlung der „Spektrum“-Reihe des Verlages Volk und Welt, die es bis 1991 auf 265 Bände internationaler Literatur gebracht hat. Lothar Reher hat die Vorlagen für die Umschlaggestaltung, oft Collagen und Montagen, auf seinem Wochenendgrundstück im Norden Berlins arrangiert. Für die Schwarz-Weiß-Aufnahmen diente ihm eine Plattenkamera, erworben aus dem Nachlass eines Leipziger Fotografen. Zudem zeichnet die Bände eine klare Typografie aus.
Eine andere Reihe, die „weiße Reihe“ genannt, bilden die Lyrik-Bände, die mit Rehers Namen und dem von Horst Hussel (1934–2017) eng verbunden sind. Die Freundschaft beider Künstler zerbrach leider Anfang der neunziger Jahre.
Rehers Weg zum Künstlerischen Leiter des Verlages Volk und Welt und zum Mitglied der Akademie der Künste ist außergewöhnlich. Am 29. Juni 1932 in Marienburg in Westpreußen geboren, kam er mit der Familie noch vor Beginn des Zweiten Weltkriegs nach Berlin. Nach Abschluss der siebenten Klasse verließ er die Schule, begann eine Lehre als Schriftsetzer und erwarb einen Meisterbrief.
1953 gelangte er in den 1947 gegründeten Verlag Volk und Welt. Gefördert wurde er dort vor allem von Walter Berger, einem exzellenten Büchermacher, von dem Werner Klemke, ihm befreundet, sagte: „Ohne Walter Berger hätten wir die Bücher nicht machen können.“ Gemeint waren vor allem Bücher des Verlages Rütten & Loening, in dem Berger in den fünfziger Jahren als Künstlerischer Leiter und Stellvertreter von Irene Gysi Verantwortung trug. Reher blieb Berger durch tägliche Telefonate verbunden, als der mit seiner Frau, Heldin der Sowjetunion, in den neunziger Jahren von der Karl-Marx-Allee nach Nikolassee gezogen war.
1959 trat Reher erstmals als Fotograf in Erscheinung: im Tilmann-Riemenschneider-Buch „Weiß wird die Welt zur Ernte“ von Hanna-Heide Kraze (1920–2008). 1962 wurde er Künstlerischer Leiter des Verlages Volk und Welt. 1971 – im gleichen Jahr hatte er seine erste Einzelausstellung in Wien – erschien der Bild-Text-Band „In Stockholm“, den Reher gemeinsam mit Hermann Kant herausgab und bei dem er auch für Typografie und Layout verantwortlich zeichnete. Der Klappentext bescheinigte ihm, dass „seine Bilder dem Text von Hermann Kant ebenbürtig“ sind. Ein weiterer großer Foto-Text-Band ist „Erlebte Landschaft. Bilder aus Mecklenburg“, den Reher gemeinsam mit Fritz Rudolf Fries schuf. Er erschien 1979 im Hinstorff Verlag Rostock.
1977 hatte Reher zu den Unterzeichnern der Petition für Wolf Biermann gehört. Er schied daraufhin aus seiner Position als Künstlerischer Leiter von „Volk und Welt“ aus, war aber weiterhin für den Verlag tätig. Im Hinstorff Verlag Rostock fand er zunehmend ein weiteres wichtiges Standbein. Bei „Volk und Welt“ trug auch die auf besserem Papier gedruckte und teurere „ex libris“-Reihe Rehersche Handschrift.
Eine ganz eigene Welt hatte er sich mit den „Chondrographien“ geschaffen. Er folgte darin dem Leipziger Buntpapiermacher Hesse. Nicht nur für den Vorsatz in Büchern, auch für Umschläge der Reihe „Die Sammlung“, seit 1981 bei Hinstorff, und für seine Glückwünsche zum Jahreswechsel nutzte er dieses besondere Gewand. Schon seit 1977 gab Reher der Gustav Kiepenheuer Bücherei den Charakter, 1984 übernahm er die neue Gestaltung von Reclams Universal Bibliothek Leipzig.
1990 erhielt Lothar Reher, gemeinsam mit Manfred Butzmann, den Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste der DDR. In den Räumen der Akademie am Robert-Koch-Platz fand für ihn eine Ausstellung mit dem Untertitel „Bücher.Bilder“ statt. Die „Schönsten Bücher der Deutschen Demokratischen Republik“ waren ihm stets ein besonderes Anliegen gewesen. So war er Mitglied der Jury, 1988 gar stellvertretender Vorsitzender. Als er in die Jury kam, hieß es, wehte ein frischer Wind.
Lange war Reher auch lange Mitglied in der Pirckheimer-Gesellschaft. In der Wendezeit als Mitglied der Akademie der Künste aktiv, blieb er im Unterschied zu nicht wenigen Mitgliedern der DDR-Akademie auch in der vereinigten Akademie.
Seine Krankheit versuchte er mit dem Verzehr großer Mengen von Tomaten zu bekämpfen. Am 4. April 2018 jedoch ist der „Büchermacher“ Lothar Reher in Berlin verstorben.