von Peter Linke
Er werde Amerika wieder groß machen. Dazu gehöre auch ein schlagkräftiges Militär. Sein Ausbau müsse nach acht Jahren Barack Obama endlich in Angriff genommen werden…
„Peace through strength“ – Frieden durch Stärke – auf diese Formel hatte sich Donald Trump bereits im Wahlkampf festgelegt: Die größte Gefahr habe immer dann bestanden, wenn Amerika nicht vorbereitet gewesen sei. „Wir wollen abschrecken, Konflikte vermeiden und verhindern durch unsere unbestreitbare militärische Stärke.“
Dazu beitragen sollen die wichtigsten Teilstreitkräfte der USA: Heer, Luftwaffe, Kriegsmarine und Marinekorps. Wobei schiere Größe für den neuen Oberkommandierenden die zentrale Rolle zu spielen scheint. So will er das Heer von derzeit rund 480.000 Soldatinnen und Soldaten auf 540.000 aufstocken. Berücksichtigt man die von Obama angestrebte Kürzung auf 450.000, entspricht dies einer Vergrößerung um etwa 20 Prozent.
Damit die Luftwaffe künftig ohne größeres Risiko an zwei Krisenorten gleichzeitig präsent sein könne, soll die Zahl gefechtsbereiter Maschinen von 1113 (2015) auf 1200 gesteigert werden.
Die Zahl notwendiger Kriegsschiffe hat Trump mit 350 beziffert (rund 75 mehr als gegenwärtig). Investieren werde er sowohl in Über- als auch Unterwasserfahrzeuge. Darunter in so umstrittene Projekte wie den DDG-51 Flight III Lenkwaffenzerstörer der Arleigh-Burke-Klasse oder die Modernisierung der Anfang der 80er Jahre in Dienst gestellten Kreuzer der Ticonderoga-Klasse (die Obama am liebsten verschrottet hätte). Voraussetzung dafür: die Wiederbelebung der US-Schiffbauindustrie, die Schaffung von „Exzellenz-Zentren“ an traditionellen Werftstandorten wie Portsmouth (New Hampshire), Hampton Roads (Virginia) sowie dem Philadelphia Navy Yard.
Last but not least, das Marinekorps: Gegenwärtig verfügt es über 24 Schützen- und zwei Panzerbataillone. Nach Meinung des gewählten Präsidenten sollten 12 Schützen- und ein Panzerbataillon dazukommen.
Trumps „Größer-Ist-Besser“-Ansatz, moniert Daniel Dolan vom renommierten Naval War College in Newport (Rhode Island), sei nicht nur kostspielig, sondern auch gefährlich: Der Glaube, militärische Stärke garantiere nationale Sicherheit, sei durch die Geschichte wiederholt ad absurdum geführt worden. Ganz zu schweigen davon, dass es derzeit keinen globalen Widersacher gebe, der ein derartiges Rüstungsprogramm rechtfertige.
Wachsendes Misstrauen inzwischen auch bei Amerikas traditionellen Rüstungsschmieden: Lange Zeit hatte ihnen der „Tonnenideologe“ Trump durchaus in den Kram gepasst. Der Höhenflug ihrer Aktien unmittelbar nach Trumps Sieg ließ sie auf goldene Zeiten hoffen. Die Stimmung verfinsterte sich jedoch schlagartig, als der gewählte Präsident unmittelbar vor Weihnachten verkündete, aus Kostengründen auf Lockheed Martins „eierlegende Wollmilchsau“, das Tarnkappenmehrzweckflugzeug F-35, verzichten zu wollen und Boeing gebeten habe, alternativ eine „vergleichbare“ F-18 auszupreisen.
Von Anfang an verunsichert war die Truppe selbst, vor allem das Heer. Spätestens seit dem Abzug aus Irak Ende 2011 bastelt es an einem neuen Selbstverständnis: weg von infanterielastigem Guerilla-Krieg, hin zu mechanisierter, „hybrider“, „technoplexer“ („High-End“-)Kriegführung gegen einen „anspruchsvoll“ ausgerüsteten Gegner. Seit den Krim-Ereignissen Anfang 2014 glaubt man, einen solchen in Russland heranwachsen zu sehen.
Dem entspricht die Schwerpunktsetzung bei der Beschaffung: neue gepanzerte Mehrzweckfahrzeuge (AMPV), modernisierte Stryker-Radpanzer, Paladin-Haubitzen, Kampfpanzer M-1, Schützenpanzer M-2 Bradley … zur vorrangigen Sicherung der NATO-Ostflanke.
Und plötzlich kommt Trump um die Ecke, der – anders als Armeechef Mark Milley – nicht Russland, sondern China als „Bedrohung Nr.1“ ausgemacht hat, die NATO kritisiert – und gleichzeitig eine massive Vergrößerung der Truppe ankündigt.
Wo also wird das Heer künftig eingesetzt werden: auf Inseln im asiatisch-pazifischen Raum? Oder vielleicht doch wieder im Nahen und Mittleren Osten? Für Panzer wohl der geeignetere Kriegsschauplatz. Im Kampf gegen den Islamischen Staat. Über den Trump einen „raschen Sieg“ erringen möchte und dafür allem Anschein nach die Nähe Moskaus sucht.
Ähnlich genervt ist die Luftwaffe. 1200 Maschinen – schön, aber nicht gut, wenn dies ohne einen entsprechenden Innovationsschub einhergehe: Das Mehrzweckkampfflugzeug F/A-18E/F Super Hornet, so die scheidende Staatssekretärin der Luftwaffe (SECAF) Deborah Lee James, sei ein hervorragendes Flugzeug, aber eines der 4. Generation und unterscheide sich als solches prinzipiell von der F-35. Noch frustrierter zeigt sich der ehemalige Luftwaffengeneral David Deptula: Mehr als drei Viertel der gegenwärtigen Flotte lägen Entwürfe der sechziger und siebziger Jahre zugrunde. Es gebe viel zu wenig „Flugzeuge der 5. Generation“ – zu wenige hoch vernetzbare F-35, zu wenige Tarnkappenluftüberlegenheitsjäger F-22 Raptor –, um die nationale Sicherheit auch nur annähernd gewährleisten zu können. Die Fähigkeiten der F-35, insbesondere mit Blick auf neue Konzepte der Kriegführung wie der „Combat Cloud“ (domänenübergreifende Operationen zwecks Schaffung eines omnipräsenten Sicherheitskomplexes) änderten radikal die Art und Weise, wie die USA und deren Verbündete Missionen durchführten und militärische Macht projizierten.
Weniger aufgeregt, aber dennoch skeptisch – die Kriegsmarine: 350 Schiffe seien gut gemeint, aber dennoch zu wenig: 355 müssten es mindestens sein, um den strategischen Richtlinien des Pentagon zu genügen. Beabsichtige man jedoch, allen globalen Herausforderungen mit minimalem Risiko zu begegnen, betrage die Richtzahl 653.
Jenseits derartiger Zahlenakrobatik freilich beginnt das große Fragen: Mit der F-18 könne man zwar gut leben, schließlich sei sie ein Marineflugzeug, optimiert für Flugzeugträger. Aber welche Zukunft haben diese Plattformen überhaupt? Von Trump dazu bislang kein Wort.
Präsidiales Schweigen auch in Sachen küstennaher Gefechtsführung: Das sogenannte Littoral Combat Ship (LCS) – eines der umstrittensten Projekte der Kriegsmarine – ist für den Neuen offenbar kein Thema.
Und noch ein Fragezeichen: Die USA, donnerte Trump, müssten ihre nuklearen Kapazitäten nachdrücklich stärken und ausbauen, selbst wenn das zu einem neuen Wettrüsten führe… Die Kriegsmarine erwähnte er dabei mit keinem Wort. Obwohl sie aufs engste mit Washingtons Nuklearprogramm verbunden ist (Stichwort: Columbia-Projekt).
Auch das Marinekorps freut sich nicht wirklich über Trumps Offerte: Die Marines, so ihr Kommandant, General Robert Neller, bräuchten keine weiteren Landser, sondern „Krieger-Nerds“ – Experten für elektronische Kriegführung, Nachrichtenanalytiker, Waffentester, Ingenieure, Luftabwehrprofis – um in zunehmend technoplexen Gefechtssituationen (will heißen: gegen Länder wie China und Russland) künftig eine Chance zu haben.
Was aus all diese Wortmeldungen spricht, ist die tiefe Sorge, dass die unter dem scheidenden Verteidigungsminister Ashton Carter begonnene Innovationsoffensive, die im Kern auf eine grundlegende Erneuerung der Beschaffungspraxis des Pentagon zielte, von Trump über den Haufen geworfen werden könnte.
In den vergangenen acht Jahren, resümiert der scheidende Staatssekretär des Heeres (SECARMY), Eric Fanning, hätte man Räume geschaffen, wo Dinge schneller bereitgestellt worden seien als früher. Trumps Erklärung zur F-35 habe deutlich gemacht, dass er den Beschaffungssumpf wirklich trocken legen wolle. Allerdings bedeute dies nicht, dass er spezifische Organisationen, die unter Obama geschaffen worden seien, um verhärtete bürokratische Strukturen zu umgehen (Blättchen Nr. 26) erhalten werde.
Fast schon beschwörend „hofft und denkt“ Raj Shah, ehemaliger Militärflieger und Chef der Defense Innovation Unit Experimental (DIUX), des persönlichsten Projektes Ashton Carters, dass Innovation keine parteiliche Sache sei. Und er werde die kommende Regierung ermutigen, das fortzuführen, was an innovativen Strukturen vom Pentagon in den letzten Jahren geschaffen worden sei.
Schlagwörter: Donald Trump, Militärpolitik, Pentagon, Peter Linke, Rüstung, USA