von Erich Schmidt-Eenboom
Der Bundesnachrichtendienst beschafft geheime Informationen, sogar im Ausland. Da die meisten Ausländer die partout nicht freiwillig herausgeben, sondern oft in stählernen Tresoren horten, ist der BND auf Beschaffungskriminalität angewiesen.
Nun steht es einer anständigen Bundesoberbehörde nicht an, professionelle Schränker mit dem Knacken eines Safes zu betrauen, um an begehrte Dokumente zu kommen. Der BND muss diese Kapazitäten von Amts wegen vorhalten. Schließlich gehört die konspirative Durchsuchung von Büros und Wohnungen oder das heimliche Abknipsen von verbunkerten Geheimpapieren zum Handwerkszeug eines jedes Nachrichtendienstes.
Dazu schuf sich der BND eine Dienststelle, und jede Dienststelle braucht einen Dienstsitz – im Pullacher Amtsdeutsch: Sie ist in einem konspirativen Objekt untergebracht. Dieses Tarnobjekt befand sich in den 1980er Jahren im oberbayerischen Hohenschäftlarn, nur den bekannten Katzensprung beziehungsweise einen rekordverdächtigen Steinwurf weit von der Pullacher Zentrale entfernt. Es lag in zwei Doppelhaushälften eines ruhigen Wohnviertels und wurde von einer umtriebigen Objektleiterin geführt.
So eine gehobene Hausmeisterin darf man nicht verwechseln mit dem Dienststellenleiter, der zugleich Taktiker und Techniker des Einbruchwesens ist. Der gab nun sein Wissen an die Agentenführer des Dienstes weiter, die diesen Lehrgang schon deshalb allzu gerne besuchten, weil die erworbenen Fähigkeiten nicht etwa nur nützlich waren, wenn die Gattin wieder einmal den Hausschlüssel verschusselt hatte. Nein, auch nach dem Ausscheiden aus dem BND garantierte die Kunst zur professionellen Überwindung von Schloss und Riegel so manchem ein Zubrot als Privatdetektiv.
Pullachs oberster Spezialist für Einstiegsmöglichkeiten hatte seine Fertigkeiten im Auslandsstudium vervollkommnet. Kollegen vom israelischen Mossad und von der amerikanischen CIA hatten ihm in einem kriminaltechnischen Bestecklehrgang den letzten Schliff gegeben. Nachdem er nun selbst die hohe Schule des Knackens von Safes und Schlössern durchlaufen hatte, gab er seine Fertigkeiten auch gern an andere Partnerdienste weiter.
Was Helmut Kohls Auslandsnachrichtendienst an großen Durchbrüchen erzielte, liegt wohl noch jahrzehntelang in Panzerschränken. In Hohenschäftlarn jedoch gelang ihm ein Durchbruch. Die guten Stuben der beiden Doppelhaushälften waren durch einige Mauerspechte zu einem Schulungsraum vereint worden. So boten sie hinreichend Platz, um kleine Lerngruppen aus aller Welt in die Lehre zu nehmen. Auch die Geheimen des irakischen Diktators Saddam Hussein übten sich hier in den germanischen Variationen des Sesam-öffne-Dich, das vor Tausend und einer Nacht ohnehin in Bagdad geboren wurde.
An Selbstbewusstsein mangelte es dem Dienststellenleiter nicht. Er oder einer seiner Eleven würden in bester James-Bond-Manier jeden Panzerschrank des Ministeriums für Staatssicherheit problemlos öffnen, beteuerte er in jedem Kurs. Einem bayerischen Kursanten, der schon länger auf der Staatsjagd nach DDR-Geheimnissen war, schoss dabei Despektierliches durch den Kopf – jene Spruchweisheit des Raubritters Eppelein von Gailingen aus dem vierzehnten Jahrhundert nämlich: „Die Nürnberger hängen keinen – es sei denn sie hätten ihn!“
Von der Großbaustelle für die neue BND-Zentrale in der Berliner Chausseestraße waren im März 2014 zahlreiche Wasserhähne gestohlen worden. Wegen der dadurch ausgelösten Überschwemmung mit Schäden in Millionenhöhe ermittelte die Berliner Polizei erfolglos wegen der Zerstörung von Bauwerken. Die Sicherheitsabteilung des BND rätselt heute noch, wer da den Dienst baden gehen lassen wollte.
Vielleicht, nur ganz vielleicht, muss man die Täter ja in den eigenen Reihen suchen, bei den BND-Einbruchsspezialisten, die ihr Handwerk in Hohenschäftlarn erlernt hatten.
Vielleicht, nur ganz vielleicht, wollten die ein Vierteljahrhundert nach ihrer Lehrzeit unter Beweis stellen, dass ihnen auch heute noch keiner das Wasser reichen kann.
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