von Renate Hoffmann
Man spricht vom „deutschen Arkadien auf italienischem Boden“ und meint die Villa Massimo in Rom. Korrekt benannt: „Deutsche Akademie Rom Villa Massimo“, eine Kultureinrichtung der Bundesrepublik. Diese Institution ermöglicht es hochbegabten Künstlern, die bereits ein Öffentlichkeitsecho besitzen, und „noch offen in ihrer künstlerischen Entwicklung sind“, ein Jahr unter besten Bedingungen zu arbeiten und zu studieren. Das Villa-Massimo-Stipendium gilt als Auszeichnung und Renommee zugleich. Es wird vergeben in den Bereichen: Bildende Kunst, Literatur, Musik (Komposition) und Architektur.
Der „Villa Massimo“ geht eine lange Geschichte voraus. Sie gewinnt Gestalt durch die großherzige Stiftung des Berliner Unternehmers und Mäzens Eduard Arnhold (1849-1925). Er erwarb den verfallenen ehemaligen Besitz der Familie Massimo, ließ von 1910 bis 1914 bauen und schenkte das Anwesen dem preußischen Staat. Für die ideale Umgebung spricht ein Briefausschnitt Arnholds (1911): „ … unser Terrain vor Porta Pia ist einzig schön, fünf große Wiesenstücke, von uralten Steineichen und Zypressen umrahmt; hohe malerische Pinien, weiter Blick über Campagna nach Albaner Berge, wie gemacht für schaffensfreudige Künstlerseelen … “Zu den Stipendiaten aus zurückliegender Zeit gehörten neben anderen: Karl Schmidt-Rottluff, Willy Jaeckel, Fritz Cremer, Volker Braun und Ingo Schulze.
Die Stipendiaten des vergangenen Jahres kamen Ende Februar nach Berlin und stellten für einen Abend im Martin-Gropius-Bau ihre Arbeiten vor. Der Tradition folgend aus den vier oben genannten Sparten. Andrang und Neugier waren groß. Esslust und Trinkfreude ebenso (mehr schlucken als gucken). Lesungen und Konzerte begleiteten die Veranstaltung. In den Räumen sah man Installationen, Serien von Zeichnungen, Fotografiearbeiten, Projekte zur Thematik „Öffentlichkeit und urbane Prozesse“, Video-Dokumentationen, DIA-Shows.
Ehemalige Stipendiaten zeigten ebenfalls ihre Werke. Darunter auch ein Kirchenmodell für Olevano Romano. Eigenwillig durchdacht und angelegt. Der Kirchenbesucher gelangt nicht auf geradem Wege in das sakrale Zentrum des Baues. Ein gewundener Gang hilft ihm, sich auf die Atmosphäre einzustimmen und innere Ruhe zu gewinnen. Die Installation „Licht, Feld und Störung“ nimmt Bezug auf heilige Stätten Roms. Schwarze Boxen, Stromkabel, Batterie, Tageslichtlampen, die in Abständen aufblitzen und eine Kreuz mit der Inschrift „Jesus, das Licht der Welt“. Nur allmählich geht mir ein Licht auf. Eine andere Installation hingegen weckt sofort die Fantasie: „Viaggio in Italia“ – Italienreise. Auf sonnig-gelben Travertin-Fliesen stehen, übereinander, zwei mächtige alte Reisekoffer. Silbern der eine, grün der andere. Beschläge und Scharniere bekunden Dauerhaftigkeit und kunstvolle Gestaltung. Ein wenig Rost nagt an ihnen. Obenauf kleben papierene Reste eines Bestimmungsortes.
Die Komponisten unter den Stipendiaten zeigen an Hand einer Reihe von Autografen die Entwicklung ihrer musikalischen Arbeiten. Im Konzert, vorgetragen von Solisten des Ensembles „Work in Progress – Berlin“, höre ich „Trawl“. Musik für verschiedene Soloinstrumente. Und was sich in diesem „Schleppnetz“ aus der Fischerei verfängt, ist ein buntes, aufgeregtes, zum Teil phlegmatisches, auch Angst einflößendes und wiederum zart singendes Tongebilde.
Mit der gewonnenen Mischung aus Nachdenken, Zweifel, Ablehnung und Zustimmung war der abendliche Besuch im Martin-Gropius-Bau eine Bereicherung.
Schlagwörter: Martin-Gropius-Bau, Renate Hoffmann, Rom, Villa Massimo