von Renate Hoffmann
Auf dem großen Bahnhof Leipzig
da verreist man – oder bleibtzig.
Und vom Kinde bis zum Greise
eilt jeder hier von Gleis zu Gleise.
Eile her und Eile hin,
und ich selber mittendrin.
Es ist der fünfte Februar.
Die Nacht war kalt und sternenklar.
Die Menschheit friert und denkt bei sich,
den Winter braucht doch niemand nich!
Ach, könnte man gleich nach Weihnachten
den Mai als Jahrbeginn betrachten.
Derweil bin ich am Bahnsteig zehn,
wo viele Leute staunend steh’n.
Denn dort geschieht ein kleines Wunder.
Auf einer Bank sitzt froh und munter:
Ein Star.
Glaubt mir, es ist wahrhaftig wahr.
Er sitzt und trällert seine Weisen
und will in Kürze auch verreisen.
Er hatte sich im Baum geirrt
und sah, sein Clan war abgeschwirrt …
Der befand sich unterdessen
bereits im schönen Lande Hessen.
Das betrübt den Star nicht sehr,
er fährt nun einfach hinterher.
So dachte er.
Wenn’s nur so wär.
Der Zug blieb steh’n und fuhr nicht weiter,
das war nun wirklich nicht sehr heiter.
Die Lok gab sich noch einen Ruck
und rührte sich nicht mehr vom Fluck.
Das hat den Vogel nicht verdrossen
und er war sogleich entschlossen:
„Dann bleib ich eben erst mal hier
und singe auf dem Bahnsteig vier.“
Er sang sich durch das Bahngelände.
Die Leute klatschten in die Hände
und waren alle hocherfreut.
Nun ist der Frühling nicht mehr weit.
Schlagwörter: Frühling, Gedicht, Renate Hoffmann, Winter