von Dieter B. Herrmann
Stellen Sie sich vor, jemand fährt ungefragt mit einem Forschungsroboter auf einem Grundstück herum, für das Sie als Besitzer im Grundbuch eingetragen sind. Der Eindringling hätte offenbar wenig Chancen, sein Vorhaben ungestraft weiter zu führen. Anders verhält es sich allerdings, wenn Sie Besitzer eines Grundstückes auf dem Mond oder auf dem Mars sind. Sie meinen, ein solches Grundstück könne man gar nicht besitzen?
Nach US-amerikanischer Lesart offenbar schon. Jedenfalls hat der US-Bürger Dennis Hope bereits1980 damit begonnen, den Mond Parzelle um Parzelle für den Schnäppchenpreis von 19,99 US-Dollar je Acre (4047 m²) zu verkaufen. Da drängt sich natürlich die Frage auf: Darf der Mann das überhaupt? Selbst wer alle Hoffnung auf Gerechtigkeit durch Rechtsprechung schon aufgegeben haben sollte, wird in diesem Fall der Ansicht zuneigen, dass man nichts verkaufen kann, was einem gar nicht gehört. Selbst Dennis Hope, der mit seiner Firma „Lunar Embassy“ (www.lunarembassy.com) auch Grundstücke auf Merkur, Mars oder Venus anbietet, ist ein Anhänger dieser Logik und fest davon überzeugt, dass er als Verkäufer auftreten darf, weil er der eigentliche Besitzer der besagten Himmelsköper sei.
Dabei beruft sich Hope zunächst auf den Weltraumvertrag (Outer Space Treaty) von 1967. Damals, inmitten einer stürmischen Phase der Raumfahrtentwicklung zweier Weltraummächte, der Sowjetunion und den USA, war es erforderlich, die damit zusammenhängenden Probleme auch juristisch zu regeln. In diesem Weltraumvertrag heißt es vernünftigerweise, dass keine Regierung Besitzansprüche an extraterrestrischen Objekten oder Teilen davon erwerben kann. Auf diese Weise wollte man verhindern, dass ein Staat, der mit den Hilfsmitteln der Raumfahrt zum ersten Mal auf einem fremden Himmelskörper landet, diesen annektiert, wie einst die Briten Australien oder die Spanier Südamerika. So bedeutet denn die US-amerikanische Flagge auf dem Mond, die durch die Apollo-Astronauten 1969 „gehisst“ wurde, auch keineswegs, dass der Mond als 51. Bundesstaat der USA zu betrachten wäre. Außerdem schreibt der Weltraumvertrag fest, dass die Nutzung des Raumes ausschließlich friedlichen Zwecken vorbehalten ist und auch keine Massenvernichtungsmittel stationiert werden dürfen. Der Vertrag wurde von 102 Staaten ratifiziert, während 27 weitere ihn bislang nur unterschrieben haben – zweifellos ein großer Erfolg, wenn man bedenkt, dass dies alles in den konfliktbeladenen Jahren des Kalten Krieges geschah.
Dennis Hope freute sich aber besonders über eine Formulierung im „Outer Space Treaty“, wo nämlich nur von Staaten, nicht aber von Privatpersonen die Rede ist. Die USA oder Russland oder irgendein anderer Staat, so seine Auslegung dieses Passus, könnten demnach keine Besitzansprüche geltend machen, er als Privatperson aber schon! Doch wie kommt man nun zu einer Urkunde über den Besitz an Mond, Merkur oder Venus? Ganz einfach: Nach einem noch heute gültigen, weil niemals aufgehobenen, US-amerikanischen Gesetz aus den Pionierjahren muss ein Bürger, der ein bestimmtes Stück Land sein eigen nennen will, sich ins Grundbuch eintragen lassen. Wenn diesem Eintrag binnen acht Jahren niemand widerspricht, gehört es ihm.
Hope ging also zum Grundbuchamt von San Francisco und meldete seine Ansprüche auf den Mond an. Um aber auch eventuellen Einsprüchen eine Chance einzuräumen, machte er sowohl den Vereinten Nationen als auch der Sowjetunion Mitteilung von dieser Aktion. Entweder hielt man ihn dort für geisteskrank oder das Ganze für einen Scherz, jedenfalls kam von keiner Seite irgendeine Reaktion, geschweige denn ein Einspruch, auch nach acht Jahren nicht. Dennis Hope war folglich nunmehr im Besitz einer Urkunde über die Eigentumsrechte am Mond. Da sich inzwischen auch niemand für die Lücke im Gesetz interessiert hatte, geschweige denn, dass diese beseitigt worden wäre, hat er auf dieselbe Weise gleich noch die flächenmäßig viel größeren Himmelskörper Venus und Mars „erworben“, die beiden Nachbarplaneten der Erde und den ganzen Rest des Sonnensystems. Die Verkaufsaktion konnte also starten.
Inzwischen sind hunderte Millionen Hektar der Mondoberfläche verkauft, und Hope ist ein reicher Mann. Er fand auch Großabnehmer, wie zum Beispiel die deutsche Firma Astrox (www.mondmakler.de). Sie kaufte ein größeres Areal des Mondes und bietet es nun im deutschsprachigen Raum ihrerseits zum Kauf an, als „schönen Alterssitz“ oder „Gesprächsstoff auf der nächsten Party“. Auch andere Mondverkäufer sind inzwischen als Konkurrenten für Hope hinzu gekommen. Sie glauben, dazu ebenso berechtigt zu sein wie der pfiffige Urheber der Idee, die von juristischen Experten allerdings schlicht als „Nepp“ bezeichnet wird. Bei Hope erhält jeder Käufer ein Eigentumszertifikat, auf dem das betreffende Grundstück markiert ist. Schon dem gesunden Menschenverstand erscheint das ganze Projekt aberwitzig. Deshalb wurden auch immer wieder Spezialisten für das Weltraumrecht danach befragt, ob die Kunden von Hope tatsächlich über Eigentumsrechte an Teilen der Mondoberfläche verfügen.
Der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Stephan Hobe, Direktor des Instituts für Luft- und Weltraumrecht der Universität Köln, erklärte dazu, dass der Ausschluss nationaler Aneignung des Mondes im Weltraumvertrag eine staatliche Abmachung sei, „der sich Private selbstverständlich unterwerfen müssen“. In Artikel 6 des Weltraumvertrages ist nämlich festgelegt, dass die Vertragsstaaten auch für nichtstaatliche Aktivitäten im Weltraum zuständig sind. „Wenn Staaten keine Rechte geltend machen können, dann können deren Bürger auch kein Eigentum erwerben“, erklärt in diesem Zusammenhang Jürgen Cloppenburg vom selben Kölner Institut.
Dass keine offizielle Behörde der USA Dennis Hope bis heute in die Suppe gespuckt hat, hängt vermutlich einfach damit zusammen, dass er die Raumfahrt nicht behindert und als solventer Steuerzahler geschätzt wird. In der Tat hat Hope nie versucht, von einer der raumfahrenden Nationen Miete oder irgendeine andere Abgabe zu verlangen, wenn sie mit ihren Sonden oder Rovern auf „seinem“ außerirdischen Territorium unterwegs sind. Und auch keiner der Käufer ist bislang vor den Kadi gezogen, weil etwa ein Forschungsrover auf dem Mond sein Eigentum beschädigt. Das würde übrigens auch wieder gegen den Weltraumvertrag verstoßen, der allen Ländern die Freiheit der Forschung und sogar der wirtschaftlichen Verwertung einräumt.
Hier gilt allerdings die Einschränkung, es müsse zum Nutzen der gesamten Menschheit geschehen, ohne Rücksicht auf deren wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Entwicklungsstand. Wie diese Forderung allerdings zu erfüllen wäre, bleibt unklar.
Der Mondvertrag von 1979, der nachdrücklich verlangt, alle Unternehmen bei der UNO anzumelden und vom Generalsekretär genehmigen zu lassen und der wirtschaftliche Vorteile für einzelne Nationen untersagt, wurde denn auch nur von sieben Staaten ratifiziert und von weiteren vier unterzeichnet. Darunter befindet sich allerdings keine einzige Raumfahrt betreibende Nation, also weder die USA, noch Russland (damals die Sowjetunion) oder China. Eine Ausnahme macht lediglich Indien, das neuerdings ebenfalls beachtliche Erfolge auf dem Gebiet der Raumfahrt vorzuweisen hat und auch Interesse an der Monderkundung zeigt. Ratifiziert ist der Vertrag allerdings auch von Indien noch nicht, so dass er von Juristen als insgesamt gescheitert betrachtet wird.
Dass die Staaten sich beim Mondvertrag quer stellen, hängt offensichtlich mit den wirtschaftlichen Vorteilen zusammen, die den Weltraumnationen vorschweben und auf die sie nicht freiwillig verzichten wollen. Auf dem Mond findet man Eisen, Nickel und Iridium bereits an der Oberfläche. Und das auf dem Mond ebenfalls vorkommende Heliumisotop Helium-3 wäre ein idealer „Brennstoff“ für künftige Kernfusionsreaktoren, weil dabei keine schwer beherrschbaren Folgeprodukte entstehen. In Russland ist der Abbau von Mond-Helium-3 bereits ab 2020 geplant. Die Jahreszahl wird man nicht allzu ernst nehmen müssen, aber die Begehrlichkeiten sind geweckt, und es erscheint nur folgerichtig, dass sie eines Tages in die Realität überführt werden. Ob dann der Mond – wie es im Mondvertrag heißt – als „gemeinsames Erbe der Menschheit“ behandelt wird, ist mehr als fraglich. In den USA mehren sich inzwischen sogar die Stimmen, die einer kommerziellen Nutzung der Schätze des Weltraums durch einzelne Nationen das Wort reden und die auch für privates Eigentum im Weltraum eintreten. Das würde dann bedeuten, wer zuerst erscheint, hat die besten Plätze.
Wenn es irgendwann zu Mondmissionen kommt, die unmittelbar wirtschaftlichen Zwecken dienen (was mittelfristig abzusehen ist), wird Dennis Hope dies wohl oder übel hinnehmen müssen, ebenso wie all seine Kunden, die vermeintlichen Besitzer von Mondgrundstücken. Denn letztlich war schon die Eintragung von Hope in das Grundbuch von San Francisco rechtswidrig, weil der Mond weder der Stadt San Francisco noch den USA gehört. Deshalb hat der Weltraumrechtsexperte Stephan Hobe auch nachdrücklich erklärt: „Eigentlich müsste jedes Amt, das nur etwas Rechtskenntnis hat, eine solche Eintragung brüsk von sich weisen. Das ist ein alter römisch-rechtlicher Grundsatz: Ich kann nicht über etwas verfügen, was ich gar nicht habe. Und dass dieses Grundstücksamt das trotzdem eingetragen hat, wirft leider ein bezeichnendes Licht auf manches, was in den Vereinigten Staaten so über Völkerrecht gedacht wird: Man ordnet es dem amerikanischen Recht unter und misst ihm eigentlich keine wirklich Bedeutung zu.“
So bleibt denn in diesem Fall als beruhigendes Fazit: gesunder Menschenverstand und juristische Lehrmeinung stehen in schönstem Einklang miteinander. Gegen die Dummheit der Käufer hingegen helfen weder Appelle noch Gesetze. Weniger beruhigend sind allerdings die absehbaren Konflikte für den Fall, dass irgendein Staat mit der wirtschaftlichen Erschließung der Ressourcen von Himmelskörpern tatsächlich beginnen sollte.
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Schlagwörter: Dennis Hope, Dieter B. Herrmann, Mondgrundstücke, Raumfahrt, Völkerrecht, Weltraumvertrag