17. Jahrgang | Nummer 17 | 18. August 2014

Antworten

Gregor Gysi, der mit dem Mut zur „Prinzipienlosigkeit“ – Die Mehrheit der Funktionsträger Ihrer Partei und von deren Bundestagsfraktion möchte die brutal vorrückenden Angreifer des Islamischen Staates (IS) im Irak und in Syrien womöglich auch aufgehalten wissen und vor allem den vor diesen Flüchtenden Hilfe zuteilwerden lassen, lehnt jedoch Waffenlieferungen an IS-Gegner und US-Angriffe auf die IS-Milizen ab. Ohne allerdings plausibel zu machen, wie Dschihadisten mit Prinzipien allein aufzuhalten wären. Sie haben nun für die Lieferung von Waffen an die Kurden im Nordirak plädiert, und Ihre Partei steht, was Sie immer wollten: (nahezu) geschlossen. Leider gegen Sie. Vorgeworfen wird Ihnen unter anderem Prinzipienlosigkeit, was höchst albern ist, denn Sie haben Ihr Votum wohl begründet und konditioniert. Aber das nützt natürlich nichts bei Genossen, die lieber dem klassischen Motto folgen: Fiat justitia et perat mundus!

Peter Hintze (CDU), Bundestagsvizepräsident – Wir hätten es nicht für möglich gehalten, gerade Sie einmal zu zitieren, wenn es um heucheleiferne Vernunft geht. Aber was recht ist, soll recht bleiben, und es gehört gewürdigt, was Sie jetzt zum Thema Sterbehilfe verlautbart haben. Als Ihre persönliche Meinung natürlich, die mit jener der Mehrheit in Ihrer Partei wohl noch lange nicht kompatibel ist: „Meiner Ansicht nach sollte der ärztlich assistierte Suizid in unerträglichen Situationen am Lebensende ohne jeden Zweifel straffrei sein, wenn der Patient dies wünscht und der Arzt in einer Gewissensentscheidung zu dem Ergebnis kommt, dass er diesem Wunsch nachkommen will.“

Bernie Ecclestone, Formel-1-Rennboss – Was sind Sie doch für ein Modell für die Verkommenheit einer Justiz, die man hierzulande natürlich keineswegs als „Klassenjustiz“ etikettieren darf, ohne sich den Protest zumindest derer zuzuziehen, die zu Ihrer Klasse gehören. Für 100 Millionen Euro haben Sie sich per Deal vom Vorwurf der Bestechung und Anstiftung zur Untreue freikaufen können und sind nun wieder, was Sie natürlich immer nur waren: ein ehrenwerter Mann. Spiegel Online dazu: „Ein Superreicher hat sich freigekauft, so sieht es aus, Geld sticht Gerechtigkeit. Ein Riesenskandal, ein Fall von Klassenjustiz gar? Wohl eher nicht. Bei genauerem Hinsehen endet das Verfahren gegen Ecclestone in dem Geschacher, wie es vor deutschen Gerichten üblich ist, wenn das Verfahren zu aufwendig zu werden droht oder wenn die Beweisführung schwächelt, aber nicht vollends zusammenbricht.“ Beim wirklich genauen Hinsehen ist aber eben klar – wer an all den kranken Geschäften wie jenem der Formel-1 samt Betrug, Bestechung etc. pp. nur genug verdient, kann sich freikaufen; man zeige uns den kleinen und erwischten Gauner der Unterklasse, dem die die Justiz vergleichbar großmütig entgegenkommt.

Roland Koch, Arbeitsloser – Nach Ihrem Ausscheiden als Bilfinger-Chef haben Sie mit Blick auf entsprechende Überlegungen innerhalb der CDU geäußert, nicht wieder in die Politik zurückkehren zu wollen. Nun sage man zwar niemals nie, aber wenigstens derzeit bleiben Sie uns also als irgendwo bestallter Volksvertreter erspart. Wir täuschen uns sicher nicht, wenn längst andere Optionen in der Wirtschaft für Sie bereitgehalten werden. Denn noch immer gilt der Refrain des alten Gassenhauers: „ …Ich hätt schon längst ein böses End´ genommen/ aber der Novak lässt mich nicht verkommen.“ Durch wessen Namen der des „Nowak“ zu ersetzen wäre, ist bei alledem zweitrangig.

Koert van Mensvoort, niederländischer Designer und Philosoph – Mit Blick auf das erste veröffentlichte „In-Vitro-Kochbuch“ mit Rezepten aus Laborfleisch haben Sie zugestanden, dass dieses Opus Fragen aufwerfe und die Diskussion über unseren Fleischkonsum anheize. Nimmt man dann etwa jenes Beispiel von „Gerösteten Raubsaurier“ zur Kenntnis, für den das Fleisch aus Hühnchen-Zellen gezüchtet wird, die sich an einem per 3-D-Drucker hergestellten naturgetreuen Dino-Knochen anlagern, mag man eine Vorstellung von besagten Fragen bekommen. Wobei natürlich die im Druckwerk alles begütigende Zusatzempfehlung zu beachten ist: „Lassen Sie den Dinosaurier 15 Minuten ruhen, bevor Sie ihn servieren und zerteilen.“ Na ja, dann natürlich …

Brian Moynihan und Eric Holder, Telefonjoker – Als Chef der „Bank of America“ (ersterer) und als US-Justizminister (zweiterer) haben Sie per Telefon einen Deal vereinbart, der an Perversität nur schwer zu überbieten sein dürfte. Sind Sie doch übereingekommen, dass die BoA sich einer weiteren Strafverfolgung wegen Täuschung beim Verkauf von Hypothekenpapieren durch die Zahlung von 17 Milliarden Dollar entziehen kann, was – nebenbei – etwa dem Vierfachen dessen entspricht, was dem Staatshaushalt der hier willkürlich ausgewählten Demokratischen Republik Kongo mit deren über 70 Millionen Einwohnern zur Verfügung steht. Berücksichtigt man nun noch die Tatsache, dass die BoA in der jüngeren Vergangenheit bereits mehr als 50 Milliarden Dollar für Strafen und Vergleiche hat zahlen müssen und bei alledem keineswegs vom Ruin bedroht ist, wird einmal mehr die Richtigkeit des Brechtschen Diktums, was die Beraubung einer Bank gegen die Gründung einer solchen wäre, plausibel.

Petra Pau (Die Linke), Bundestagsvizepräsidentin – Den Umstand, dass die seit Ende 2012 avisierte Anlage einer zentralen V-Leute-Datei beim Verfassungsschutz noch immer nicht in Sack und Tüten ist, kommentieren Sie, Mitglied des NSU-Untersuchungsausschusses, als bezeichnend für die geringe Bereitschaft zu Reformen bei den Geheimdiensten. Wobei Sie von Innen-Staatssekretärin Emily Haber auf Ihre parlamentarische Nachfrage immerhin eine Antwort bekommen haben, wie sie artifizieller kaum sein kann: „Die Ausgestaltung der einzelnen Dateiinhalte“ befinde sich „noch in der Abstimmung mit den Landesbehörden für Verfassungsschutz (LfV)“. Merkwürdig, warum unsereins das alles nicht überrascht …

Christine Haderthauer, bayrische Staatsministerin auf Abruf – Wie mag es kommen, dass – geht es um besonders widerliche Formen des finanziellen Reibachs – CSU-Granden fast immer in der Pool-Position Aufstellung genommen haben? Mit Ihrer privaten Beteiligung an einer umstrittenen Modellbaufirma haben Sie – na sicher – nur Gutes tun wollen, sind damit doch psychisch kranke Straftäter per Beschäftigung – durch das fingerfertige Zusammenbasteln von Modelautos der Luxusklasse – ganz nebenbei therapiert worden. Therapiert haben Ihr Gatte und Sie nicht zuletzt Ihr privates Bankkonto, was Ihnen die Neidgesellschaft nun zur Last legt. 250 Mark pro Mann und Monat hat ein bastelnder Insasse einst bekommen, ein Modell wie das des „Mercedes Simplex“ ist dann für 15.500 Mark verscherbelt worden. Nun werden Sie vermutlich ins zweite oder dritte Glied abgeschoben, wo es für jemanden, der solche Gewinnmargen zu generieren weiß, doch Zeit für‘s Finanz- oder Wirtschaftsministerium wäre.

Priya Basil, britische Autorin – „Das Internet könnte zum despotischsten Werkzeug der Geschichte werden“, ist Ihr sehr interessanter Beitrag zum Thema Datenschutz nach Edward Snowden im Tagesspiegel überschrieben. Darin machen Sie unter anderem das Dilemma des heutigen Umgangs mit persönlichen Daten im Netz und deren nahezu uneingeschränkte Nutzbarmachung durch andere mittels folgenden Verweises plausibel: „Man gebe mir sechs Zeilen, geschrieben von dem redlichsten Menschen, und ich werde darin etwas finden, um ihn aufzuhängen.“ So Kardinal Richelieu im 16. Jahrhundert. „Jedes Zeitalter hat seinen Richelieu“, fügen Sie diesem Zitat in Ihrem Text an und treffen den Nagel auf den Kopf.

Gerhard Sommer, massenmordender SS-Offizier – Bereits 93jährig, müssen Sie nun doch damit rechnen, wegen der Beteiligung an der Ermordung hunderter italienischer Zivilisten am 12. August 1944 im toskanischen Bergort Sant’Anna di Stazzemain in Deutschland angeklagt zu werden. Die noch recht junge Klageabweisung durch die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat das Karlsruher Oberlandesgericht nunmehr aufgehoben. In Italien – auch dort erst 2004 – sind Sie gemeinsam mit neun weiteren verantwortlich beteiligten SS-Offizieren zu lebenslangem Gefängnis und einem „Schadenersatz“ von 100 Millionen Euro verurteilt, ohne durch den in seinen Möglichkeiten gegen Nazi-Verbrecher leider so arg beschnittenen deutschen Rechtsstaat ausgeliefert worden zu sein. Zwar hat in Sant’Anna di Stazzemain wenigstens Joachim Gauck im Jahre 2013 ehrend der Opfer gedacht, sich dabei allerdings unter anderem auf die Bemerkung beschränkt: „Es verletzt unser Empfinden für Gerechtigkeit tief, wenn Täter nicht bestraft werden können, weil die Instrumente des Rechtsstaats das nicht zulassen.“ Da musste man sich schon wieder fremdschämen für diesen Bupräsi, der nicht mal das Gesäß in der Hose hatte festzustellen, dass ein Rechtsstaat, dessen Instrumente solches nicht zulassen, an dieser Stelle keiner ist.