von Mely Kiyak
Gott schuf die Welt in sieben Tagen. Am siebten Tag legte er eine Pause ein. Die Erfindung der Sieben-Tage-Woche hat Gott allerdings einige Jahrhunderte später erfunden, jedenfalls hat man den Sonntag als siebten Tag der Woche festgelegt. Für alle, die gerne am Sonntag shoppen gehen würden: Beklagt euch bei Gott!
Dass wir nicht nur am Sonntag, sondern auch an Pfingsten frei haben, verdanken wir der Tatsache, dass wir in einem christlichen Gottesstaat leben. Dieser befiehlt uns, den Alltag ruhen zu lassen, nicht weil wir Menschen sind und der Ruhe bedürfen, sondern weil es der Tag des Herrn ist, Tag des Gottesdienstes. Natürlich ruht der Alltag nie und schon gar nicht der Kapitalismus, aber die Idee ist, dass an göttlichen Tagen die Marktwirtschaft sich nach Gottes Kalender richte und Warenproduktion, Dienstleistung und Konsum sich unterzuordnen haben.
Immer wieder kommt in Umfragen heraus, dass unsere zauberhafte kleine Bevölkerung das Repertoire der christlichen Feiertage und ihre Bedeutung nicht auf Anhieb parat hat. Das ist schade, denn das Gesetz immerhin schützt unseren Glauben und geht davon aus, dass wir allesamt zum Beispiel an Pfingsten gemütlich und ohne beruflich bedingten Stress den heiligen Geist empfangen werden.
Teile unserer Bevölkerung wissen übrigens nicht einmal, dass weit über 90 Prozent aller gesetzlichen deutschen Feiertage (inklusive dem Sonntag) eingerichtet wurden, um die Entstehungsgeschichte des Christentums durch feierliches Zelebrieren aufrecht zu erhalten. Bis auf den 1. Mai und den Tag der Deutschen Einheit haben wir in unserer Republik keine republikanischen Ruhetage, sondern nur christlich-religiöse Kirchenfeiertage. Genau genommen hat unsere Republik nur den Tag der deutschen Einheit eingeführt, den 1. Mai haben wir von den Nazis übernommen.
Unsere Verfassung schreibt uns als Verhaltensregel in Bezug auf kirchliche Feiertage zwei Dinge vor. Erstens, Arbeitsruhe! Zwotens, „seelische Erhebung“.
So steht es auf Moses’ Gesetztafel, äh pardon, im bürgerlichen Gesetzbuch unseres Gottesstaates. Die „seelische Erhebung“ ist gesetzlich geschützt. Das bürgerliche Gesetzbuch geht nach wie vor davon aus, dass unsere Bevölkerung an Feiertagen nicht saufen, sondern selig sein, nicht grillen, sondern glauben, nicht bumsen, sondern beten will.
Ich gebe zu, Pfingsten ist Glauben für Fortgeschrittene. Denn anders als zu Ostern oder Weihnachten geht es hier nicht um Alltäglichkeiten wie Geboren werden und Sterben, sondern um eine weitaus spirituellere Begebenheit. Das Empfangen des holy spirit durch unseren DHL master of universe.
Was bedeutet die Entsendung des heiligen Geistes? Wer hat ihn entsandt, wer hat ihn empfangen und womit?
Was bis Pfingsten geschah: Jesus wurde gekreuzigt, starb und wurde beerdigt.
Eineinhalb Tage später findet man sein Grab leer vor. Darüber gibt es unterschiedliche Berichte. Die einen erzählten, sie seien hin zum Grab und haben nur noch die Schweißtücher gefunden, mit denen Jesus beerdigt wurde. Andere erzählten, sie hätten am Grab Botschaft verkündende Engel angetroffen. Manch einer mag an dieser Stelle einwenden, ob es nicht sein könnte, dass es sich weniger um einen wiederbelebten als vielmehr gestohlenen Leichnam hätte handeln können. Mit einem Wort, der christliche Glaube ein einziges Missverständnis? Nun, das Wort sagt es ja schon, es geht hier nicht um Wissen, sondern um Glauben. Wer die ganze christliche Angelegenheit begreifen möchte, darf nie an den Erzählungen der Bibel zweifeln. Wer die Auferstehung Jesu nicht glaubt, ist für das Christentum verloren und darf sonntags bei Zalando Schuhe bestellen, arbeiten oder anderweitig das BIP ankurbeln.
Jedenfalls haben an Pfingsten die Jünger Jesu den heiligen Geist empfangen. Eine Art gute Laune, die sie aus ihrer Lethargie befreite, denn immerhin hatten sie ihren Freund verloren und waren down wie man downer nicht sein konnte. Dass der Leichnam weg war, beunruhigte sie keineswegs, denn sie zweifelten nie eine Sekunde daran, dass es für das Mysterium nur eine Lösung gab. Jesus war eben jemand ganz besonderes, ein Sohn Gottes, der auferstanden war. Dass so eine message schwer zu überbringen ist, hatten auch die Jünger kapiert und trauten sich, ängstlich und deprimiert wie sie waren, nicht vor die Tür. Dann geschah Folgendes:
Auf einmal brauste ein phänomenal gewaltiger Wind vom Himmel und erfüllte das ganze Haus. Feuerzungen hingen vom Firmament herab, berührten die Jünger, setzten sich mitunter auf die Zunge eines jeden Einzelnen von ihnen und durchdrangen damit dessen Gemüt, mit anderen Worten: der Heilige Geist erschien ihnen. Weniger also ein Geist im Sinne eines Gespenstes, sondern ein Geist im Sinne eines spirits, einer Motivation, einer wahnsinnigen Energie. Man kennt das aus Coaching-Kongressen, wenn ein Motivationstrainer vorne steht und die Kongressteilnehmer, ach was, die Halle zum Beben bringt. So muss man sich das vorstellen.
Nach dem Windgebrause und den Feuerzungen waren die Jünger wie verwandelt. In Jerusalem fand an diesem Tag das wichtige jüdische Schawuot-Fest statt. Durch das Schawuot-Fest sind eine Menge Touristen in der Stadt, die unterschiedliche Sprachen sprechen. Die Jünger sind derart geistig ausgerüstet, dass sie beginnen in der jeweiligen Muttersprache des Gastes zu sprechen. Manche finden das ganz schön schräg und fragen direkt: Seid ihr besoffen oder was? In der Bibel steht, dass Manche die Jünger verspotteten, in der Annahme sie seien „voll süßen Weins“. Es war dann Apostel Petrus, der den Arabern und Juden und Einwanderern und allen anderen eine Art Grundsatzrede über Gott und Christus und seine Auferstehung hielt, in der er jedoch erst mal klarstellte: Wir sind nicht betrunken!
Diese erste lange Predigt schlug wie eine Bombe ein und führte dazu, dass er auf einen Schlag eine Handvoll Leute gewann und damit die erste christliche Gemeinde formte. Das war der Gründungstag der christlichen Gemeinde, an Pfingsten, 50 Tage nach Ostern. Deshalb ist das Kaufhaus Alexa am Alexanderplatz zu Pfingsten geschlossen. Deshalb rufe ich an Pfingsten laut und fröhlich:
Happy Birthday, Kirche!
Übernahme aus Kiyaks Theater Kolumne mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
Schlagwörter: Kirche, Mely Kiyak, Pfingsten