17. Jahrgang | Nummer 3 | 3. Februar 2014

Aus dem Alltag der GroKo

von Fritz E. Gericke

Also – mal ehrlich, wer hätte gedacht, dass die GroKo so schnell Fahrt aufnimmt. (GroKo – Wort des Jahres 2013; erinnert irgendwie an Gröfaz, den größten Führer aller Zeiten, was damals bekanntlich schlicht und einfach Großkotz bedeutete.)
Da meldete sich zum Beispiel Frau Aigner zu Wort. Die ist von der CSU, sitzt aber nicht mehr im Bundestag. Sie wird als Nachfolgerin von Seehofer gehandelt, und hat nun, von diesem ins Heimatland Bayern zurückgeholt und als Ministerin für die Energiewende eingesetzt, einen Vorschlag hingelegt, der den Seehofer sofort auf den Plan gerufen hat. Sie hat vorgeschlagen, die Energiewende auf Pump zu machen, weil die Kosten in so kurzer Zeit nicht gestemmt werden könnten. Da hat der Seehofer aber die Aigner ganz schnell zurückgepfiffen: Pump käme überhaupt nicht in Frage, das würde die nachwachsenden Generationen belasten, was unverantwortlich sei. Stimmt, hat die Frau Aigner gesagt und so fiel der Vorschlag ins Wasser und ging sang- und klanglos unter. Wenn die Frau Aigner ein Segelboot auf dem Starnberger See hätte, und das tät untergehen, dann würde die es glatt fertig bringen zu erklären: „Naa, das Segelboot ist nicht untergegangen, i hab nur probiert, ob es auch als U-Boot tauglich ist, dabei hab i allerdings übersehen, dass unter Wasser koa Wind net weht.“
Aber damit war das mit der Energiewende noch nicht vorbei, denn wir haben auch einen neuen Energieminister im Bund, also in Berlin, den Gabriel, den etwas rundlichen Erzengel und Stellvertreter – nein, nicht Gottes – sondern der Langzeitkanzlerin, die schon so lange als Oberengel Angela über den Problemen schwebt. Gabriel schaut dabei in die gleiche Richtung wie Seehofer, deshalb will er die Subventionen für erneuerbare Energien zusammenstreichen, um den Haushalt und damit auch die kommenden Generationen entlasten. Dass dadurch mehr nicht erneuerbare Energieträger verbraucht, also den kommenden Generationen dann nicht mehr zur Verfügung stehen würden und dass die dann noch dringender erforderlichen erneuerbaren Energien den nachfolgenden Generationen auch wegen der zusätzlich entstandenen Umweltschäden richtig viel Geld kosteten, das hat der Vizekanzler und Energieminister leider übersehen. Aber noch ist ja nicht aller Tage Abend, und dem Gabriel bläst kräftiger Gegenwind in Antlitz, selbst von SPD-Ministerpräsidentinnen und -denten.
Auch sie ehemalige Generalsekretärin der SPD und jetzige Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, will und darf ihrem Chef natürlich nicht nachstehen, und so schlug sie vor, dass die kommende Mütterrente nicht aus Steuermitteln bezahlt werden soll, also von allen steuerpflichtigen Bürgerinnen und Bürgern, sondern aus der Rentenkasse, also lediglich zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Mütterrente beziehen sollen jedoch auch Mütter, die nie etwas in die Rentenkasse eingezahlt haben, also berufslose oder freiberuflich tätige. Vorher hatte Nahles allerdings die Meinung vertreten, dass die Mütterrente auf jeden Fall steuerfinanziert werden müsse. Doch da schickte Schäuble einen seiner Staatsekretäre vor, der darauf hinwies, dass in dem von ihr mitverantworteten Koalitionsvertrag stehe, Steuererhöhungen solle es nicht geben und freie Steuermittel seien nicht vorhanden. Also macht Andrea Nahles einen Rückzieher und erklärt die Rentenkasse für zuständig. Dass die Rentenkasse so aber ganz schnell ihr Polster verlieren wird und dann aus Steuermitteln gestützt werden muss, hat sie in der Eile übersehen. Das Übersehen ist anscheinend eine wichtige Gemeinsamkeit der GroKo-Parteien.
Und dann gab es noch den Vorschlag von Frau Schwesig, Bundesfamilienministerin und stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, für Eltern von kleinen Kindern die 32 Stundenwoche einzuführen und die Mindereinnahmen der betroffenen Familien aus Steuereinnahmen auszugleichen. Doch auch da war Schäuble vor, und unsere bedächtig entscheidungsfreudige Kanzlerin sagte ebenfalls „Nein!“. Gabriel pfiff – wie zuvor Seehofer seine Stellvertreterin Aigner – nun seine Stellvertreterin Schwesig zurück: Das sei nicht Thema in dieser Legislaturperiode.
Wie auf ein Stichwort meldete sich bei „Legislaturperiode“ Bundestagspräsident Lammert (CDU) zu Wort. Die Legislaturperioden, so meinte er, seien mit vier Jahren einfach zu kurz, da bliebe ja gar keine Zeit zum Regieren, und vom Beifall auch vonseiten des Koalitionspartners SPD beflügelt, legte er noch nach: Das einfache Volk sei mit der unterschiedlichen Bedeutung von Erst- und Zweitstimmen total überfordert, womit er wohl die für Deutschland ziemlich miesen Ergebnisse diverser Pisastudien im Hinterkopf hatte, die auf eine unzureichende Bildung jüngerer Semester schließen ließen. Die älteren Semester hatten das Prinzip ja sehr wohl begriffen und haben es bisher gegen alle Angriffe verteidigt. Lammert aber plädiert nun für die Abschaffung der Zweitstimme.
Toller Vorschlag. Würde er eins zu eins übernommen, das heißt blieben die Wahlkreise wie bisher, würde das bedeuten, dass das Parlament glatt halbiert würde. 50 Prozent der Abgeordneten, also alle die durch die Zweitstimmen über die Listen ins Parlament gekommen sind, die gäbe es dann nicht mehr, zumindest als Abgeordnete. Über die häufig kritisierte Fünf-Prozent-Klausel müsste nicht mehr gesprochen werden, die FDP wäre endgültig weg vom Fenster und die Grünen höchst wahrscheinlich gleich mit. Deren einziger Direktkandidat ist der Abgeordnete Ströbele, der wohl 2017 nicht mehr antreten wird. Übrig blieben die CDU (mit der CSU in Bayern) und die SPD sowie der eine oder andere Kandidat der Linken in den östlichen Bundesländern.
Die Kosteneinsparungen wären erheblich. Es deutlich weniger viele Bundestagsvizepräsidenten benötigt. Die Kosten für deren Bezüge, Diäten und Pensionen entfielen ebenso wie der 50 Prozent wegfallenden Abgeordneten. Die leerstehenden Büroräume könnten an Lobbyisten gewinnbringend vermietet werden, und mit ein bisschen Phantasie ließen sich die Kosten noch weit stärker reduzieren, indem man auf feste Wahltermine ganz verzichtete, und immer nur in dem Wahlkreis neu wählen ließe, wo ein Mandatsträger gerade durch Tod, Krankheit oder aus anderen Gründen ausgeschieden wäre.
Und wenn dann noch… Aber nein, schrauben wir unsere Erwartungen nicht zu hoch, sonst geht es uns wie mit Obama, dann sind sie so hoch, dass sie gar nicht mehr erfüllt werden können.
„Tschüss Demokratie!“ Oder glauben Sie ernstlich, das bisschen Demokratie, alle vier Jahre wählen gehen müssen zu dürfen, würde jemand vermissen? Uns geht es doch gut, also den meisten von uns – oder? Was brauchen wir denn da noch Demokratie?
Hätten Sie gedacht, dass sich das Fehlen der FDP so schnell bemerkbar machen würde? Ich meine ja nur – die erforderliche Rentenreform, die Arbeitslosigkeit und Altersarmut nicht anzupacken und bei der NSA-Spitzelaffäre über ein Erheben des Zeigefingers der rechten Hand nicht hinauszugehen, das wäre mit der FDP der Herren Rösler und Westerwelle sicherlich genauso gut zu machen gewesen. Aber dank Frau Leuthäuser-Schnarrenberger wäre es dann vielleicht wenigstens nicht zu Angriffen auf oder zu Eingriffen in das Grundgesetz und die Grundrechte gekommen.