16. Jahrgang | Nummer 24 | 25. November 2013

Antworten

Eric Hobsbawm, Unverbesserlicher, leider schon Verschiedener – Im Vorwort Ihrer 2002 erschienenen Autobiographie „Gefährliche Zeiten. Ein Leben im 20. Jahrhundert“ – by the way: eines der faszinierendsten, das Literatur geworden ist, – sprechen Sie von sich als dem „Fall eines lebenslangen, aber untypischen Kommunisten“. Folgerichtig endet Ihre ebenso epochale wie unprätentiöse und keineswegs resignative Lebensbeichte mit der zeitlosen Ermunterung: „Doch wir wollen nicht die Hände in den Schoß legen, auch nicht in unbefriedigenden Zeiten. Soziale Ungerechtigkeit muß immer noch angeprangert und bekämpft werden. Von selbst wird die Welt nicht besser.“ Dergleichen Rückenstärkung hätten wir gern öfter.

Jenny Hoch, Bescheidwisserin – Das kürzlich in Berlin eröffnete, vom Bonner Haus der Geschichte verzapfte Museum „Alltag in der DDR“ erweckt offensichtlich den Eindruck, dass derselbe ausschließlich – und zwar 24/7 – von der Diktatur der SED, der Überwachung durch die Stasi und von allgegenwärtiger Kollektivitis geprägt war. Jedenfalls lesen wir im konservativen Zentralorgan Die Welt aus Ihrer Feder: „Jeder Zentimeter ist gepflastert mit sozialistischer Propaganda: ‚Das packen wir!‘, ‚Alle Kraft für die Stärkung der Arbeiter- und Bauernmacht‘. Das erzeugt eine beklemmende Stimmung, die die ideologische Infiltrierung des Einzelnen spürbar macht. Der Rückzug ins Private war eine Illusion. Der DDR-Bürger schwang in jeder Sekunde im Takt des Kollektivs.“ Da fällt uns doch wirklich nur noch Tucholsky ein: „Mensch, wenn Du so lang wärst wie de dumm bist, könnste aus der Dachrinne saufen!“

Georg P. Salzmann, Bücher- und Menschenfreund – Mit jahrzehntelang andauernden Mühen hatten Sie eine „Bibliothek der verbrannten Bücher“ mit immerhin 12.000 Bänden zusammengetragen. Sie wollten bewahren und bewusst machen, was der braune Ungeist für immer zerstört haben wollte. Weder in der „Hauptstadt der Bewegung“ noch in der des untergegangenen Reiches wollte man Ihre Sammlung haben. Letzteres ist aus unserer Sicht eine besondere Schande, es war eine rot-rote Landesregierung, die Ihnen die Tür wies. Immerhin erklärte sich Augsburg, die Stadt Brechts, bereit, den Verfolgten Asyl zu gewähren.
Am 9. November gingen Sie nun für immer. Wir verneigen uns vor Ihnen!

Pjotr Pawlenski, Moskauer Politkünstler – Sie haben am russischen „Tag der Polizei“ auf dem Roten Platz gegen die Gleichgültigkeit und Korrumpiertheit jenes Berufsstandes protestiert, der am 10. November in Russland jährlich gewürdigt wird. Ihr diesjähriges Ausdrucksmittel bestand darin, Ihr Skrotum mit einem opulenten Nagel an den Boden zu heften. Die Sexualisierung politischer Proteste hat offenbar bei Mütterchen Russland ihr Zuhause, wie wir schon bei den Pussy Riots ahnten, obwohl die es bislang bei einem fast schamhaften „Oben ohne“ beließen. Nun ist es aber so, dass freischwingende Brüste und/oder angenagelte Skrota sich als Stilmittel ebenso abnutzen wie Fahnen und Transparente. Wir harren daher der Zeit, wo politische Proteste mittels öffentlicher Kopulationen vorgetragen werden. Die Bandbreite dessen, was allein die Sado-Maso-Branche an aufmerksamkeitsheischenden Ausdrucksmitteln bereithält, verspricht eine recht ordentliche Nachhaltigkeit.

Hans-Jürgen von Wensierski, Dekan der Philosophischen Fakultät der Uni Rostock – Beeindruckt von der Zivilcourage und dem zivilen Ungehorsam des Whistleblowers haben Sie den Antrag gestellt, Edward Snowden die Ehrendoktorwürde Ihrer Fakultät zu verleihen. Wir gratulieren wiederum zu Ihrer Zivilcourage.

Gregor Gysi, Prophet – „Nach der Wahl rappelt‘s bei der SPD gewaltig im Karton“, haben Sie vor dem 22. September mit Blick auf die damals noch konsequente Kooperationsverweigerung der SPD mit der Linkspartei vorhergesagt. Die „Rappelei“ hat in der Tat begonnen. Mal sehen, ob die SPD-Spitze nun das Angebot von Linken-Chefin Katja Kipping zu einem Gipfeltreffen annimmt, die die jüngsten SPD-Signale wohl zu Recht als Verzicht darauf versteht, dass die Gesprächsbereitschaft der Linken „als Stalking missverstanden“ werden.

Silvio Berlusconi, demokratisches Urgestein – nun zerfällt Ihre Partei, bevor sie diese mit dem Namen „Forca Italia“ reanimieren möchten. Ihr einstiger Vertrauter und jetziger Innenminister Angelino Alfano hat jedenfalls die Gründung einer eigenen Gruppe im Parlament angekündigt, die als „Neue Mitte-Rechte“ willens ist, die Regierung von Ministerpräsident Enrico Letta zu unterstützen. Als erwiesenes Stehaufmännchen bleibt Ihnen nun aber immerhin noch die Option eines neuen „Marsches auf Rom“. Ein solcher war vor 91 Jahren ja schon einmal von Erfolg gekrönt.

Olaf Scholz, modebewusster Genosse„Früher hatte ich Locken und lange Haare. Heute trage ich Nadelstreifen, wie es sich für einen Hamburger Bürgermeister gehört“, teilten Sie dem jüngsten SPD-Parteitag mit. Treffender kann man das Problem der SPD nicht beschreiben.

Detlef Wetzel, designierte IG-Metall-Chef – Die Tatsache, dass fast ein Drittel der Beschäftigten in der Metallindustrie per Werkvertrag oder Zeitarbeit arbeitet, bezeichnen Sie treffend als „Krebsgeschwür“, da diese Vertragsformen genutzt werden, um das Lohnniveau massiv zu senken. Die von der IG Metall erhobenen Zahlen zeigten, dass „weite Teile der deutschen Wirtschaft den Gesellschaftsvertrag des Landes aufkündigen wollen“, folgern Sie und resümieren: „Das ist ein Anschlag auf die soziale Marktwirtschaft.“

Bernd Riexinger, Cheflinker In einem Essay zur 17-jährigen und nun ausgelaufenen Regentschaft Dieter Hundts als BDA-Chef ziehen Sie folgendes Fazit: „Sein größter ‚Erfolg‘ – wohlgemerkt als Interessenvertreter der Kapitalseite – dürfte sein, prominent daran mitgewirkt zu haben, den Korporatismus der Bonner Republik neoliberal abgelöst und das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit zugunsten des Kapitals verschoben zu haben.“ Erfolgreicher kann dieser Job wirklich nicht bewältigt werden.

Monty Python, Langvermisste – Erstmals nach 15jähriger Abstinenz von gemeinsamer Arbeit sind Sie nun dabei, sich für ein Bühnenprojekt wieder zu vereinigen. Außer dem verstorbenen Graham Chapman werden Sie alle wieder zu sehen sein: John Cleese, Terry Gilliam, Eric Idle, Terry Jones und Michael Palin. In der Hoffnung, dass Sie auch für ein Medium Zeit finden werden, dass uns Nichtbriten in den Genuss bringt, Sie wiederzusehen, wünschen wir Ihrer Reanimation ein Maximum an Erfolg.