16. Jahrgang | Nummer 17 | 19. August 2013

Antworten

Tom Buhrow, Prekärintendant – Als nunmehr bestallter WDR-Chef müssen Sie sehen, wie Sie mit einem Gehalt von 367.232 Euro pro Jahr auskommen. Wir kondolieren, sind uns aber sicher, dass es nie der Mammon war, der Sie zum Wechsel vom Moderator zum Senderchef bewogen hat. Bei Journalisten, wir wissen es, obwaltet allemal die innere Verpflichtung gegenüber der guten Sache, was in Ihrem Falle das allseits als unübertrefflich gerühmte TV-Programm von ARD und ZDF auf seinem Wege zu privattelegener Banalität und Niveauabsenkung meint. Ein Schmerzensgeld wie das Ihre ist da unseres Erachtens wirklich angemessen. Für nahezu bösartig  – Ihnen gegenüber wie auch den kaum minderbezahlten anderen öffentlich-rechtlichen Senderchefs – halten wir allerdings, dass Sie von den Nebeneinnahmen in diversen Aufsichtsgremien, für die eine Oma lange stricken müsste, poplige 6000 Euro behalten dürfen. Erstaunlich, dass sich für Posten wie den Ihren da überhaupt noch Kandidaten finden.

Renate Künast, grüne Freundin klarer Ansagen – Wir verehren in Ihnen eine Politikerin, die wirklich meint, was sie sagt und merkwürdigerweise sogar sagt, was sie meint: Mit „Tempo 30“ wollten Sie dereinst Berlin beglücken, den neuen Hauptstadtflughafen zum Dorfflugplatz umfunktionieren und die Gymnasien abschaffen. Regelmäßig nach solch Ansagen stürzte ihre Partei um einige Umfragepunkte ab und aus Ihrem Lieblingsprojekt, die ökologisch korrekte Ernährungsweise rund um den Fernsehturm durchzusetzen, wurde nichts. Da gibt es weiter Eisbein. Inzwischen toppt die Wirklichkeit Ihre Visionen: Tempo 20 setzt bei den meisten Autofahrern angesichts des Zustandes der Berliner Straßen Glückshormone frei; vom BER fliegt gar nichts, allenfalls mal ein Manager, und die Gymnasien schaffen sich selber ab. Wer hier etwas auf sich hält, schickt seine Kinder zur Privatschule. Nur den Tick mit der Ernährung, den haben Sie noch. Jetzt wollen Sie zumindest den Kantinen einen „Veggie-Day“ verordnen. Wir sind ein seriöses Organ und vergleichen Ihren Vorschlag natürlich nicht mit historischen Ernährungsinitiativen wie „Nimm ein Ei mehr!“ oder den berüchtigten Sonntagen, an denen es nur Eintopf geben durfte. Aber wir überlegen ernsthaft, ob wir nicht anlässlich des ersten Blattsalat-Donnerstags ein Dutzend Wurst-Maxes mit ihren Grillgeräten in Richtung Bundestags-Kantine schicken. Nichts ist gefährlicher als hungernde Politiker! Wetten wir, dass da auch Grüne anstehen würden?

Gustl Mollath, Justizopfer – Wir gratulieren Ihnen von Herzen. Und sind zugleich ganz, ganz still: Nur eine dubiose Unterschrift unter einem ärztlichen Attest bewirkte Ihre Freilassung aus der Zwangspsychiatrisierung. Nicht die schamvolle Einsicht, dass da ein deutsches, nein ein bayerisches Landgericht einen bundesgesetzlich gedeckten Willkürakt vollzogen hatte. Nicht einmal der bayerische Landtag konnte sich zu der Erkenntnis durchringen, dass hier ein vorsätzliches oder zumindest grob fahrlässiges Fehlverhalten vorgelegen habe. Logisch, die Justizministerin Beate Merk wurde von CSU und FDP inthronisiert. Da halten wir Bayern doch allemal zusammen! Und Zwangspsychiatrisierung gibt’s eh nur bei den Kommunisten!

Terrence Howard, US-Mime – In Robert Redfords  aktuellem  Streifen “The company you keep – Die Akte Grant“ (siehe auch Blättchen 16/2013) spielen Sie den FBI-Agenten Cornelius, der den nach langem Untertauchen nun flüchtigen Ex-Terroristen Grant mit großem Aufwand zu fassen sucht. Mitten in einer fiebrigen Besprechung über eine nächste Überwachungs- und Suchmethode fragen Sie dabei einen offenbar Kundigen Ihres Stabes, ob es gegen das Angeordnete seitens des Datenschutzes etwas einzuwenden gäbe. Wenngleich von der Regie (Redford) so wohl nicht beabsichtigt (oder etwa doch?): Im Kino wurde herzlich gelacht.

Hans-Ulrich Wehler, Historiker – In einem Interview haben Sie die hierzulande krasse Verschärfung der Ungleichheit kritisiert und dabei folgendes als Beleg angeführt: „Bis etwa 1989 zahlten die 30 Dax-Unternehmen den Vorständen 500.000 D-Mark Jahresgehalt. Im Vergleich zum Einkommen ihrer Arbeitnehmer war das ein Verhältnis von 20 zu 1. 2010 beträgt dieses Einkommen sechs Millionen Euro. Und das Verhältnis zum Einkommen der Arbeitnehmer beträgt, man mag es kaum glauben, 200 zu 1. Das sind so krasse Verhältnisse, dass ich mich ja immer nur wundere, warum da nicht längst eine lebhafte Debatte läuft.“ Honi soit qui mal y pense.

Meike Jäger, knallharte Verhandlungsführerin der Gewerkschaft ver.di – Sie verlangen, dass die Beschäftigten der Berliner Volkssolidarität bessere Löhne und verbesserte Arbeitsbedingungen erhalten. Uns verwundert das sehr. Die Volkssolidarität tritt schließlich an, „das Soziale in der Gesellschaft zu bewahren und Solidarität als einen Grundwert in gesellschaftlichen Beziehungen und im Zusammenleben der Menschen zu fördern“. In der Gesellschaft, Kollegin Jäger! Von „im Betrieb“ steht da nichts in der Selbstdarstellung dieses ansonsten verdienstvollen Sozialverbandes. Gab es nicht vor einiger Zeit auch bei ver.di Stress mit einem weniger arbeitnehmerfreundlichen Tarifsystem? „Die schärfsten Kritiker der Elche sind häufig selber welche!“ lästert Volkes Stimme gerne.

Burkhard Müller, Literaturkritiker und Autor –  Sie haben sich zur von tiefem Pessimismus getragenen Debatte über die Zukunft gedruckten Kulturgutes  mit einem Hinweis geäußert, der uns eine Weitergabe wert ist:  „Ein Medium ist bei Kräften, solang es als Schund gilt. Dass heute allgemeine Einigkeit über den Bildungswert des Buchs besteht, bezeugt dessen mediale Schwäche; und dazu gehört es wohl auch, dass es auf einmal soziale Qualitäten aufweisen soll, die man ihm früher rundheraus abgesprochen hat.“

David Cameron, UK-Premier – Wenn sich unsereins ohnehin immer wieder an den Kopf fasst, wenn es gilt, „Gründe“ für diverse zwischenstaatliche oder gar regionale Zwiste und Kriege zu verstehen – wohin soll man sich noch fassen, wenn man jetzt wahrnimmt, dass Sie Kriegsschiffe – natürlich nur zu einem ebenso langfristig geplanten wie arglosen – Manöver nach Gibraltar schicken, wo die spanische Regierung wenn auch lästig, so doch rechtmäßig, per verstärkter Zoll-Kontrollen den Schmuggel zu unterbinden sucht? Immer hinein mit dem Öl ins Feuer, die Eiserne Lady Margaret Thatcher (Falkland) und Tony Blair (Irak/Afghanistan) hatten ja auch ihre Kriege. Wobei, pardon: Wir haben vergessen, dass an den Spannungen – wie immer –  ja die anderen schuld sind.

Günter Grass, moralischer Übervater der Nation – Dass Sie aus Ihrem andauernden Engagement für die SPD keinen Hehl machen, geht in Ordnung. Dass Sie sich  dabei an der verlogen-schlichten Interpretation der sozialdemokratischen Obrigkeit bezüglich der Rücktritte Oskar Lafontaines als Finanzminister und Parteichef 1999 bedienen, darf selbst angesichts der Tatsache verwundern, dass Sie nicht mehr der Jüngste sind und auch ganz andere Dinge bezüglich Ihrer selbst vergessen hatten. Was Sie als „Charakterlosigkeit ohnegleichen“ bezeichnen, war dessen Gegenteil, da Lafontaine jene „180-Grad-Wende“ nicht mittragen wollte, die Schröder gegenüber vorheriger Absichtserklärungen vollzogen hatte, als er dann den Kanzlersessel inne hatte und sein Kabinett auf eine neoliberale Politik einzuschwören begann. Man mag vom Egomanen Lafontaine halten, was man will, aber so viel  und zumal solch konsequente Ehrlichkeit ist rar genug, um sie –  nun auch durch Sie – zu denunzieren. Im Übrigen hatte Lafontaine diese Haltung bereits 1989/90 demonstriert, als er, damals Kanzlerkandidat,  im Gegensatz zu Helmut Kohl keine im Osten wählerfangenden „blühenden Landschaften“ versprach, die aus der Portokasse zu bezahlen seien, sondern eine durchaus harte, lang andauernde und durchaus entbehrungsreichere Zeit. Dass ihn das den Kanzlerposten kosten konnte und würde, dürfte der intelligente Mann trotz seines Ehrgeizes gewusst und in Kauf genommen haben.

Götz Aly, Anti-Ignorierer – Dieser Tage wurde auch einer Ihrer Enkel eingeschult, und Sie kommentierten dies mit einem „Lob der Berliner Schule“, das auch eine kurze Rückschau auf das Ableben der schulischen Prügelstrafe in beiden Deutschländern enthielt: „Die meisten meiner westdeutschen Altersgenossen kennen das speziell im Süden noch lange gepflegte Regime staatlich organisierter Gewalt gegen Minderjährige – nicht jedoch die ostdeutschen. In der DDR hatte das Oberste Gericht am 19. Februar 1952 geurteilt, ,die körperliche Züchtigung als Mittel der Erziehung muss scharf bekämpft werden‘ und diese altdeutsche Erziehungsmethode strikt und wirksam verboten – ein geschichtliches Faktum, das unsere eifrigen SED-, DDR- und Stasi-Forscher und -Jäger mit Bedacht ignorieren.“ Wahrscheinlich hat bei denen der Rohrstock bleibende Schäden hinterlassen!