von Ulrich Scharfenorth
Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko bewegt nach wie vor die Gemüter. Vor allem deshalb, weil sich anders als bei vergleichbaren Vorfällen (zum Beispiel Kalifornien 1970) politisch nichts tut. Damals hatte Nixon mehrere radikale Gesetze zum Umweltschutz unterzeichnet. Heute schafft es Obama nicht einmal, die Tiefenbohrungen nachhaltig zu verbieten – geschweige denn Senat und Kongress auf eine neue Umwelt- und Energiepolitik einzuschwören. Von den großen Sprüchen vor und unmittelbar nach der Wahl ist nichts geblieben. Die Öl- und Atom-Lobby ist mächtiger denn je, ja sie darf frohlocken, dass der britische Konkurrent – was durchaus absehbar scheint – in die Knie geht. Dann nämlich könnte dessen Fell schnell verteilt werden.
Die Amerikaner, die 1970 ihre Rabattmarken für Tankstellen verbrannten und der Politik kräftig einheizten – man sucht sie heute vergebens. Weder gibt es kraftvolle Protestaktionen, noch Abwahlforderungen. Selbst die arbeitslosen Fischer und die Strandverkäufer scheinen mit Blick auf mögliche Abfindungen beruhigt. Das ist mehr als bedenklich. Spielt nur noch das Geld eine Rolle, nicht aber mehr die Natur als wichtigster Begleiter des Menschen? Vermutlich sähe es etwas anders aus, wenn all das Öl, das jetzt im Verborgenen wabert, mit einem Mal an die Oberfläche träte. Fürwahr: Das Optische scheint heutzutage wichtiger denn je. Nur was mit den Augen fassbar ist, kann Wirkung entfalten. Niemand scheint ernsthaft die Frage zu stellen, ob die in Etagen treibenden Ölwolken in die gewaltige, alle Weltmeere umfassende Zirkulation gelangen, ob nicht wir in Europa den schwarzen Schlick auch bald vor Ort haben.
Stattdessen denken die Multis über neue Ölbohrungen in der Tiefsee nach, so auch der Hasardeur BP – der jetzt zusätzlich im Golf von Sidra in Libyen, dort wo das Meer noch tiefer als im Golf von Mexiko ist, auf Grund gehen möchte. Ähnlich sieht es in Brasilien aus. Dort hat der Ölkonzern Petrobras zwei große Ölfelder ausgemacht – beide in bis zu 5.000 Meter tiefem Wasser. Ihre Kapazität wird auf insgesamt 38 bis 41 Milliarden Barrel Erdöl geschätzt. Auch dort wird man zügig zur Sache kommen wollen. Fragt sich, ob die mittlerweile in ihrer Gesamtheit berührte Weltgemeinschaft das durchgehen lassen wird. Schließlich werden künftige Verhaltensmuster Teststrecken für neue Ziele des Raubbaus sein – etwa am Nordpol.
Warum, frage ich, giert der Mensch nach immer neuen, immer unzugänglicheren, fossilen Quellen, wenn doch alternative Energien 600 mal mehr Potential beinhalten, als die Menschheit braucht. Es geht ausschließlich um die Renditen und die müssen maximal bleiben, was beim Wechsel zum ökologischen, nachhaltigen Wirtschaften nicht gegeben ist und — nicht gegeben sein muss!
Meines Erachtens müssen wir gegen Bohrungen in der Tiefsee ebenso protestieren wie gegen die Nutzung der Kernenergie. Auch hier geht es um eine Art „Brückentechnologie“, die nicht funktioniert, bei der Sicherheitsmaßnahmen zugunsten höherer Profite außer Acht gelassen und Millionen Menschen größten Gefährdungen – von tödlichen Krankheiten bis hin zur Existenzvernichtung – ausgesetzt werden.
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