von F.-B. Habel
Das Ausbluten des kulturellen Lebens in Deutschland nach der „Machtergreifung“ durch die Nazis steht im Mittelpunkt zweier Ausstellungen, die im Februar im Berliner Willy-Brandt-Haus eröffnet wurden. In „Erzwungenes Finale – Ende der Vorstellung“ stellt Kurator Volker Kühn zahlreiche Bühnen- und Filmkünstler vor, gefeiert in Berlin und anderen Städten des Reiches, deren Schicksal durch die NS-Verfolgung nachhaltig beeinflusst wurde. Doch ein Schicksal verlief nicht wie das andere. Während die einen noch eine Zeitlang mehr oder minder unbehelligt weiterarbeiten konnten, wie Conrad Veidt, der nach einem Jahr in die englische Emigration ging, oder Joachim Gottschalk, der 1941 in den Tod getrieben wurde, wurden andere sofort verfolgt. Der „Faust“ des Staatstheaters, Hans Otto, wurde als einer der ersten verhaftet, weil er Kommunist war, und schon 1933 von den Nazis ermordet. Einen „Mann besonderer Art“ nannte ihn Bertolt Brecht, der mit seiner Frau Helene Weigel den Weg der Emigration auf sich nahm, weil sie Jüdin war. „Ich bin kein Jude“, erklärte der Dichter, „ich sehe nur so intelligent aus.“ Brecht traf zu Beginn der vierziger Jahre in Hollywood auf andere Emigranten, die sich aus Deutschland retten konnten, und mit denen er entweder gleich oder in der Nachkriegszeit zusammenarbeitete, wie Curt Bois und Paul Dessau. Auch Albert Bassermann, der als bedeutendster Charakterdarsteller seiner Generation galt, war kein Jude, aber seine Frau Else war gefährdet. Gemeinsam ging man in die Emigration, und in Hollywood konnten sie in einem Remake des „Hauptmann von Köpenick“ noch einmal gemeinsam vor der Kamera stehen. Mit beiden Bassermanns stand Tilla Durieux im März 1933 zum letzten Mal auf einer Berliner Bühne, ehe sie vertrieben wurde. Sie strandete in Zagreb, wo sie den kroatischen Partisanen half und für ein Puppentheater arbeitete, ehe sie in den fünfziger Jahren nach Berlin zurückkehrte.
Viele hatten ein traurigeres Schicksal. Kurt Gerron, Paul Morgan, Otto Wallburg wurden in deutschen Konzentrationslagern umgebracht, und diese Namen stehen für viele. Camilla und Steffie Spira konnten sich retten, aber ihr Vater Fritz Spira kam im KZ Ruma um.
Die Schwestern Spira stehen für verschiedene Lebenswege in der Nachkriegszeit. Während Steffie Spira eine Rolle in der DDR-Kulturpolitik spielte, wurde Camilla Star im bundesdeutschen Film an der Seite von Curd Jürgens, Martin Held, Gustav Knuth und Heinz Erhardt. Dass die Ausstellung auch verfolgte Künstler, die später in der DDR ihren Weg fanden, wie Erwin Geschonneck oder Wolfgang Langhoff, würdigt, ist hervorhebenswert, wenn es auch schade bleibt, dass Kühn die umfangreiche Arbeit von Annemarie Hase bei Brecht wie auch bei Film und Fernsehen der DDR nicht erwähnt.
Auch die andere der beiden Ausstellungen, „Verbrannte Bücher – von den Nazis verfemte Autoren“, besteht weitgehend aus durch Fotos ergänzten Schrifttafeln. Die Texte sind Volker Weidermanns empfehlenswertem „Buch der verbrannten Bücher“ entnommen, für das er 2010 mit dem Kurt-Tucholsky-Preis ausgezeichnet wurde. Nicht alle Autoren, deren Werke 1933 bei den berüchtigten Bücherverbrennungen in mehreren deutschen Städten von den Nazis auf den Scheiterhaufen geworfen wurden, können hier gewürdigt werden. Selbstverständlich ist Tucholsky dabei, aber auch Max Brod, Alfred Döblin, Egon Erwin Kisch, Heinrich und Klaus Mann, Joseph Roth und Anna Seghers. In dieser Ausstellung findet man Hörbeispiele zum Werk der Autoren, gelegentlich auch von ihnen in historischen Aufnahmen gesprochen. Joachim Ringelnatz hat 1922 und 1924 einige seiner Gedichte auf Platten herausgebracht. Wer seine charakteristische, leicht sächsisch gefärbte Stimme hört, kann feststellen, dass zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Begriffe als „politisch unkorrekt“ angesehen wurden. Das Gedicht „Kuddel Daddeldu und die Kinder“ zeigt es. Trägt ihn der Vogel Greif im Original „bald in dieses Bordell, bald in jenes Bordell“, so handelt es sich auf der rund 90 Jahre alten Platte um Hotels. Und wenn er in der heutigen Version „den strampelnden Kleinchen Anker und Kreuze auf Ärmchen und Beinchen“ tätowiert, so waren es damals – sicherlich schon hintersinnig – Hakenkreuze. So gibt es in beiden Ausstellungen für den Kenner der Künstler der Weimarer Republik wie für den Neuling auf diesem Gebiet Anregendes und politisch Aufschlussreiches zu entdecken.
Erzwungenes Finale – Ende der Vorstellung bis 3.3.2013, ab 4.4.2013 im Foyer des Deutschen Theaters Berlin; Verbrannte Bücher bis 15.3.2013 jeweils 12-18 Uhr im Willy-Brandt-Haus, Stresemannstraße 28, 10963 Berlin, Eintritt frei, Ausweis erforderlich.
Schlagwörter: F.-B. Habel, Künstler, NS-Verfolgung, Willy-Brandt-Haus