von Kai Agthe
Im Jahr 1985 hat der Jenaer Germanist Detlef Ignasiak eine erstes Buch unter dem Titel „Das literarische Jena“ vorgelegt, das jetzt, gemessen an der Quantität, eine gewaltige Erweiterung erfahren hat. Der Geistesgeschichte der Universitätsstadt ist der aus Berlin gebürtige und seit 1970 an der Saale lebende Wissenschaftler seither als Autor und Verleger eng verbunden geblieben. In den letzten zwei Jahrzehnten hat Ignasiak auch eine große Zahl an Publikationen zur Kulturgeschichte Thüringens vorgelegt, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, ihn als einen der besten Kenner der thüringischen Landesgeschichte zu bezeichnen.
Als Stadtführer und Reiseleiter ist Detlef Ignasiak selbst ein wandelndes Lexikon. Er kann fast alles von dem, was er in seinen Büchern fixiert hat, zu jeder Zeit und an jedem Ort abrufen. Anfang der neunziger Jahre gründete er überdies die Literarhistorische Gesellschaft Palmbaum e.V. und 1993 auch die Halbjahreszeitschrift Palmbaum.
1996 legte er als Herausgeber den leider seit langem vergriffenen Band „Dichter-Häuser in Thüringen“ vor. Zwei Jahre später erschien in Zusammenarbeit mit Frank Lindner eine Darstellung über „Das philosophische Thüringen“, gefolgt im Jahr 2000 von dem Band „Die Fürstenhäuser Thüringens“. Und wohl kaum ein Landkreis in der Bundesrepublik wird von sich behaupten können, ein ähnliches Standardwerk zu besitzen, wie es Detlef Ignasiak 1997 mit dem Buch „An der Saale und im Holzland – Ein kulturhistorischer Führer“ publizierte. Für lange Zeit gültig bleiben dürfte auch ein anderer regionalhistorischer Kraftakt, den Detlef Ignasiak allein stemmte: die 2003 erschienene fulminante Studie „Das literarische Gotha“.
An Detailreichtum ebenfalls kaum zu überbieten ist Detlef Ignasiaks nun erschienener neuer Band „Das literarische Jena“. Nicht weniger als 500 Jahre lokaler Geistesgeschichte werden hier vor dem zusehends faszinierteren Leser ausgebreitet. Da das Buch auch als Handreichung für Besucher gedacht ist, wird in den Kapiteln, die nach literarhistorischen Epochen geordnet sind, jeweils eine Einführung geboten, bevor lexikalisch knappe Einträge wichtige Autoren, Gelehrte und Verleger der jeweiligen Zeiten vorstellen, die in Jena gewirkt haben. Seitenblicke gelten unter anderem schreibenden Studenten, berühmten Besuchern und wichtigen Institutionen.
Da von einer deutschen Literatur erst für die Zeit nach 1750 die Rede sein kann, ist der Literatur-Begriff, der den vorausgehenden 250 Jahren zu Grunde liegt, notwendigerweise ein sehr weit gefasster. Es sind hier vor allem Rhetoriker und Theologen, die in der Zeit vor und nach Luther im weitesten Sinne als Literaten gelten. Die Fülle an Autoren, die Ignasiak allein für die beiden Jahrhunderte vor Pietismus und Aufklärung, also vor 1700, namhaft macht, ist schier überwältigend.
Einer der berühmtesten Jenaer in vorklassischer Zeit war der Universalgelehrte Erhard Weigel (1625-1699). Dessen Haus in der unteren Johannisstraße zählte einst zu den sieben Wundern Jenas. Ignasiak, nicht zum Überschwang neigend, wünscht sich, dass das 1898 abgerissene Gebäude wieder aufgebaut werden möge: „Obwohl der alte Standort nicht mehr zur Verfügung steht, könnte man sich eine Rekonstruktion vorstellen, denn seitenverkehrt ließe sich das Haus in die Bebauung des Eichplatzes einbeziehen und würde auch der Johannisstraße wieder ein südliches Gesicht geben.“
Die Spurensuche reicht weit über die Stadtgrenzen hinaus: von Burgau über Lichtenhain bis Zwätzen. Der Band wird von zahllosen historischen und zeitgenössischen Fotos illustriert. Detlef Ignasiaks „Das literarische Jena“ ist ein wichtiges Werk, das uns zeigt, dass die Stadt lange vor und auch nach der Frühromantik ein bedeutender literarischer Ort war – und ist.
Detlef Ignasiak: Das literarische Jena. Autoren-Galerien und Dichter-Stätten, quartus-Verlag, Buch bei Jena 2012, 370 Seiten, 24,90 Euro.
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