28. Jahrgang | Nummer 21 | 1. Dezember 2025

Kleine Strafen, große Wirkung?

von Frank-Rainer Schurich

Vielleicht war es eine Komödie, vielleicht auch eine Tragödie. Ein Mann verlor den Verstand, ich musste Blut lassen, und ein dritter trug eine Strafe davon. Dennoch besaß die Geschichte sicherlich ein komisches Element. Nun, Sie sollen selber urteilen.“ Diesen Satz formulierte einst Dr. Watson am Beginn der Erzählung „Die drei Garridebs“, die natürlich vom Sherlock-Holmes-Erfinder Arthur Conan Doyle stammt.

Manchmal erscheinen auch Strafen selbst als Kuriosum oder als Komödie – hier fast alle aus dem Jahr 1999. Die folgenden Beispiele sollen diese These belegen.

Sogar Juristen waren davon betroffen!

Seine außergewöhnliche Art der Urteilsverkündung brachte den Scheidungsrichter und Hobbypoeten Alvaro Pardo, 39 Jahre alt, auf der Kanareninsel Teneriffa selbst vor den Kadi, denn er trug seine richterlichen Entscheidungen vornehmlich in ironischen Versen vor. Dafür sollte er umgerechnet 600 Mark Strafe zahlen, eine Anklage, die er überhaupt nicht verstand. O-Ton: „Wenn das Urteil nicht nur gerecht, sondern auch noch schön ist, kann das doch nur ein Gewinn für die Gesetzgebung sein.“

Der 19-jährige Kevin McCrossan pinkelte in einer Hauptstraße von Dublin (Irland) an eine Hauswand, was Polizeibeamte sahen. Am darauffolgenden Sonnabend musste er sich auf Anordnung eines Richters mit einem Entschuldigungsplakat am Tatort aufstellen – von 20 Uhr bis Mitternacht. Vier Stunden hielt er also die Entschuldigung hoch, und ein Abbruch war nicht möglich. Die Polizei überwachte die Aktion.

Der Amerikaner Timothy Boomer war bei einer sommerlichen Kanutour, die schon bald an einem Felsen endete, gekentert. Der Mann stürzte in den Fluss Rifle nahe Detroit. Als er wieder auftauchte, fluchte er lauthals. Eine Familie mit Kindern vernahm die Schimpfkanonade und zeigte ihn an. Denn ein 102 Jahre altes Gesetz des Bundesstaates Michigan verbietet das Fluchen in Gegenwart von Kindern. Boomer wurde schuldig gesprochen: 90 Tage Gefängnis und 100 Dollar Geldstrafe. Ob er bei der Urteilsverkündung geflucht hat, ist leider nicht bekannt.

Eine saftige Strafe brummte ein Richter in Houston (Texas) einem 47 Jahre alten Amerikaner auf, der bei einem Wettbewerb geschummelt hatte. Der frühere Promotion-Manager eines Fernsehsenders musste nicht nur 60 Tage ins Gefängnis und 10.000 Dollar Strafe zahlen. Der Richter ordnete außerdem an, dass der Verurteilte ein Football-Spiel besuchen und dabei einen Button mit der Aufschrift „Ich bin ein Lügner, ein Feigling und ein Dieb“ tragen müsse. Er hatte bei einem Wettbewerb die Teilnahmekarten so manipuliert, dass seine Schwiegermutter einen Lieferwagen im Wert von 27.000 Dollar (damals 51.000 Mark) gewann.

Die Regierung des australischen Bundesstaates Queensland wollte langwierige Nachbarschaftsprozesse vereinfachen. Um die Gerichte zu entlasten, wurde ein Gesetz eingeführt, dass der Polizei erlaubt, umgehend eine Geldbuße von 135 Mark zu kassieren. Die Strafe wird fällig bei üblem Essensgeruch, Rasenmähen während der Ruhezeiten und lautem Hundegebell.

Musik-Rowdys in Fort Lupton (Colorado) mussten eine besonders harte Strafe über sich ergehen lassen. Richter Paul Sacco war dazu übergegangen, Lärmsünder zum Strafhören von Schnulzen und Klassik zu verdonnern. Wer seine Hi-Fi-Anlage zu laut aufdrehte, musste einen Abend lang in der Polizeistation Mozarts „Requiem“ anhören. Als verschärfte Sanktion gab es Schmusesongs von Dean Martin und John Denver. Der 17-jährige David Mascarenas, der mehrfach seine Nachbarn mit Hard-Rock-Lärm nervte: „So schlimm will ich nie wieder gequält werden.“

„Prügeldreh“ war die Überschrift einer Nachrichtenagentur, die Ende Juni 1999 darüber berichtete, dass der bekannte US-amerikanische Filmregisseur und Drehbuchautor John Singleton („Poetic Justice“ 1993, „American Crime Story“ 2016) einen unbezahlten und unfreiwilligen nächsten Drehtermin habe. Er musste einen Kurzfilm über häusliche Gewalt ablichten. Das ordnete ein Richter in Los Angeles als Strafe für seinen tätlichen Angriff auf die Mutter seiner sechsjährigen Tochter an. Singleton soll die Frau geschlagen und gewürgt haben; Auslöser war ein Streit über Besuchsrechte.

Eine Jugendrichterin beim Amtsgericht München verdonnerte 2017 einen jungen Mann zu 20 Stunden Lesen, weil er ein Kennzeichen falsch an seinem Motorrad befestigt hatte. Die ausgefallene Strafe erhielt der 19-Jährige, weil sein Nummernschild bereits zum zweiten Mal wegen schwieriger Lesbarkeit aufgefallen war. Da er offenkundig nichts gelernt hatte, verurteilte ihn die Richterin zu einer sogenannten „Leseweisung“. Dadurch solle er motiviert werden, „sich auf intellektueller Ebene noch einmal mit der Tat auseinanderzusetzen“. Bei der „Leseweisung“ handelt es sich um eine rein erzieherische Maßnahme, die an der Hochschule München durchgeführt wird. Verurteilte Jugendliche suchen sich aus vorgeschlagenen Büchern Exemplare aus, die zu ihren Interessen oder Problemen passen. Am Ende müssen sie eine Abschlussarbeit abgeben – eine Kurzgeschichte, ein Plakat oder ein Rap.

Zu Weihnachten gibt es besonders milde und kuriose Urteile. Als Wiedergutmachung für seine Diebstähle wurde ein 16-Jähriger in Darmstadt zu einer weihnachtszeitgemäßen Strafe verurteilt. Der junge Mann musste den Tannenbaum des Landratsamtes schmücken. Mehrere Stunden habe er den Baum liebevoll mit lila Kugeln, Goldketten und Holzfiguren dekoriert, berichtete im Dezember 1998 die Kreisverwaltung.

Und das Ergebnis dieser Abhandlung: Kleine Strafen, große Wirkung, jedenfalls in den meisten Fällen. Aber zum Schluss geben wir Dr. Watson noch einmal das Wort: „Nun, Sie sollen selber urteilen.“