Zwei Frauen beschreiben ihren Umgang mit und ihren Ausstieg aus der AfD: Die Historikerin und Aktivistin Leonie Plaar in Auseinandersetzung mit ihrer Familie; die Politikerin Franziska Schreiber im Sinne einer Analyse der Entwicklung dieser Partei hin zum Rechtsextremismus. Beide Bücher ergänzen sich hervorragend durch diese unterschiedlichen Blickwinkel.
„Frau Löwenherz“, wie Leonie Plaar noch genannt wird, schrieb dieses Buch für alle, „die die endlosen Diskussionen (innerhalb der Familie, V. S.-L.) kennen, den Frust, die Verzweiflung, und die sich selbst damit unsichtbar fühlen“. Sehr intim und offen beschreibt sie ihren Weg vom Versuch, dagegen zu halten, zu überzeugen, zu schweigen (um den Familienfrieden zu wahren) bis zum schmerzhaften Punkt, jeglichen Kontakt abzubrechen. Dabei analysiert sie die von ihr zunächst angewandten Strategien in Debatten, wo sie alleine (oder nur mit einer Freundin) einer breiten Phalanx von Verwandtschaft gegenübersteht, die an einer inhaltlichen Antwort kein Interesse hat, sondern der es ausschließlich darum geht, „sich selbst als informiert und die andere Person als uninformiert zu inszenieren“. Auch Versuche, Entgleisungen der Diskussion zu verhindern mit Sätzen wie „Schön, dass Du so viel Interesse an solchen Fachfragen hast. Ich suche dir gern Quellen heraus, die dir das beantworten können …“, fruchten ebenso wenig wie Versuche, den Spieß umzudrehen und ihrerseits Fragen zu stellen. In ihren Beschreibungen analysiert sie den Einfluss Donald Trumps auf bestimmte Positionen der AfD ebenso wie den Einfluss der neuen Medien, insbesondere von TikTok. Letztere reiche jedoch als Erklärung für den Erfolg der AfD nicht aus, sondern zeige eher, dass die AfD sich verstärkt der jungen Generation insgesamt zuwende.
Während Leonie Plaar mit ihrer Familie wegen deren Mitgliedschaft in der AfD bricht, verläuft der Weg von Franziska Schreiber, ehemaliges Vorstandsmitglied der Jungen Alternative (der Jugendorganisation der AfD), genau andersherum. Sie entfremdet sich von ihrer Familie durch die eigene Mitgliedschaft in dieser Partei. Im Buch geht sie zunächst ebenfalls kurz auf ihre familiäre Situation ein, dann beschreibt sie die Entwicklung von Personen und Strömungen in der AfD von 2013 an bis zu ihrem Austritt vor der Bundestagswahl 2017. Sehr ehrlich beschreibt sie sowohl ihre Bewunderung für Frauke Petry, vor allem aber ihre zunehmenden „Bauchschmerzen“ mit bestimmten Äußerungen und Haltungen anderer Mitglieder. Sehr lange meint sie, dies gehöre zur Meinungsfreiheit bzw. scheut sie sich, offen dagegen aufzutreten, weil sie zum einen weiter dazugehören will, zum anderen immer mehr feststellen muss, dass Debatten innerhalb der AfD nur in eine Richtung erlaubt sind, wenn man weiterhin akzeptiert werden will. Ausführlich geht sie auf Erfolge der AfD in Ostdeutschland ein – „der Osten hat sich mit der AfD sein Selbstbewusstsein zurückgeholt“.
Mit dem „Waterloo Frauke Petrys“ beim Parteitag in Köln kommt ihr „Erwachen“. Franziska Schreiber schätzt ein, dass die AfD nicht lenkbar sei (im Sinne ihrer liberalen Gründer), sondern im Sog nach rechts drifte. Der Unterschied zwischen dem dominierenden rechten Flügel der AfD und der NPD bestehe nur darin, dass „die NPD ihre Ziele vor der Zeit ausgesprochen habe, weshalb sie weder Gegenwart noch Zukunft habe. Die AfD sei klüger. Weil sie ihre wahren Ziele nicht offenbare, habe sie eine Zukunft“. Weil die heutige AfD und die NPD in ihren politischen Zielen grundsätzlich übereinstimmen würden, könne die AfD die NPD nahtlos ersetzen. Die AfD sei die Partei der gelebten Fremdenfeindlichkeit und die maßgeblichen Führungsfiguren betreiben den Umsturz. Sie befürchtet, dass viele Wähler dies bisher nicht ernst nehmen würden – wie offenbar auch Mitglieder von „Systemparteien“. Dieser Einschätzung ist unbedingt zuzustimmen – das Buch belegt dies durch viele öffentliche und interne Zitate sehr anschaulich. Streckenweise ist es zwar für die politisch anders beheimatete Leserschaft etwas ermüdend, immer wieder diese Aussagen zu lesen und ihre eher unbeholfenen Versuche gegenzusteuern, gleichzeitig erlaubt gerade dies jedoch, sich in die Gedankenwelt eines AfD-Mitglieds hineinzuversetzen. Insofern ist es erschreckend und erhellend zugleich – ob es jedoch dazu beitragen kann, dass Menschen sich von dieser Partei abwenden, bleibt abzuwarten.
Leonie Plaar: Meine Familie, die AfD und ich. Wie Rechtsextremismus uns entzweit – und wie wir dagegenhalten. Goldmann Verlag, München 2025, 192 Seiten, 18,00 Euro.
Franziska Schreiber: Inside AfD. Bericht einer Aussteigerin. Unter Mitarbeit von Peter Kopf. Europa Verlag, München 2025, 224 Seiten, 15,00 Euro.
Schlagwörter: AfD, Franziska Schreiber, Frau Löwenherz, Leonie Plaar, Viola Schubert-Lehnhardt


