28. Jahrgang | Nummer 14 | 18. August 2025

Trump, der Oligarchenförderer

von Stephan Wohanka

Donald Trump ist ein – finanziell eher leichtgewichtiger – Milliardär und seit Jahrzehnten Mitglied der US-amerikanischen Elite. Trotzdem wirkt er für viele USA-Bürger nahbar. Er redet wie der Typ an der Bar, der auch mal einen raushaut. Und er ist als (Wahl)Kämpfer bekannt, nicht erst seit den Attentatsversuchen auf ihn. Das ist die Qualität, die seine Wähler von ihm im Weißen Haus erwarten.

Wem dient er? Natürlich sich selbst. Und seinem Clan. Seine Präsidentschaft nutzt er, um Kasse zu machen. Im Mai lud Trump die 220 fleißigsten Käufer seiner Trumpcoins, kurz $TRUMP, zum „exklusivsten Dinner der Welt“ ein. Ein VIP-Gast hatte mindestens zwei Millionen Dollar für seinen Platz am Tisch zu löhnen. Das Essen sei „schamlose Korruption“ und eine neue Stufe der Selbstbereicherung des Trump-Clans, urteilten Beobachter. Sein Vermögen habe sich seit dem Frühjahr 2024 verdoppelt, schätzt das Magazin Forbes – auf insgesamt 5,1 Milliarden Dollar.

Milliardenschwere Immobilienprojekte in Saudi-Arabien, den Emiraten und Katar sind angeschoben. Die goldenen Sneaker und protzigen Uhren, die Trump mit seinem Namen drauf verkaufen lässt, fallen da kaum noch ins Gewicht. Die Logik darin: Der starke Mann, der Amerika wieder nach vorn bringt, kann daran teilhaben und hat nichts zu verbergen.

Kämpfen soll Trump für sie – die „kleinen Leute“; insbesondere für jene, die sich durch die Folgen der Globalisierung abgehängt fühlen, sich von Migranten überflutet wähnen und die mehr schlecht als recht für ihre Familien sorgen und das Nötigste bezahlen können. Auch für die „vergessenen Amerikaner“, insbesondere die der weißen Arbeiterklasse im Rust Belt, denen Trumps heutiger Vize JD Vance in der 2016 veröffentlichten „Hillbilly-Elegieein literarisches Denkmal setzte.
Das Thema Wirtschaft stand bei vielen Wählern ganz oben auf der Agenda. Doch sie interessierte nicht das (starke) Wachstum unter Trumps Vorgänger Joe Biden, die sinkende Inflation, von 9,1 Prozent (Juni 2022) auf rund 2,7 (Juni 2025). Es war viel einfacher: Wie teuer sind Eier, Chips und Bier im Supermarkt – und was kostet die Gallone Benzin?

Gefallen wird diesen Verbrauchern daher Trumps Zollpolitik, die – abgesehen von den Staatseinnahmen – als Schutz für die heimische Industrie interpretiert werden kann. Auch sein Umspringen mit internationalen Organisationen wie der WTO, der UNO oder der NATO als Teile eines globalistischen Systems, das die USA wirtschaftlich nur ausnehme, findet Beifall. Die Ablehnung „grüner“ Regulierungen empfinden seine Wähler desgleichen als Befreiung von Umweltauflagen, die sie für wirtschaftliche Belastungen halten und die verhindern, dass in traditionellen Branchen wie Öl, Gas oder Kohle Arbeitsplätze gesichert würden, gar entstehen könnten. Und Trumps harte Haltung zur Migration wird von vielen als Schutz vor Lohndruck im Niedriglohnsektor gesehen. Alles in allem, Trump traf einen Nerv: Viele in den USA hatten den Eindruck, dass sich etwas ändern müsse. Sie fühlten sich angesprochen, wenn Trump die USA düster als Land im Niedergang beschrieb. Der heute 79-Jährige scheint einen untrüglichen Instinkt dafür zu haben, was den Menschen Sorgen macht. In Nachwahlbefragungen gaben 73 Prozent seiner Wähler an, am wichtigsten sei ihnen gewesen, dass Trump einen notwendigen Wandel herbeiführen könne.

Doch welcher „Wandel“ zeichnet sich zunehmend deutlicher ab? Ins Zentrum rückt das „One Big Beautiful Bill“, das Trump am 4. Juli unterzeichnet hat. Neben Erleichterungen, beispielsweise die Abschaffung der Steuer auf Trinkgelder und Überstunden, Steuervergünstigungen für Autokreditzinsen und Landwirte, sieht das Gesetz Ausgabeneinschränkungen bei Medicaid- und beim SNAP-Programm – ein Lebensmittelhilfe-Programm – vor, was die Gesundheits- und Ernährungssicherheit für Millionen gefährdet; es steht ein „massive wealth transfer from working‑class Americans to the wealthiest elite“ (massiver Reichtumstransfer von Amerikanern der Arbeiterklasse zur reichsten Elite) an.

Einher geht der soziale Kahlschlag mit einem solchen bei zentralen Behörden; neben einer „Deregulierung“ ineffizienter Normen, Gesetze und Verordnungen aber auch ordnungsrechtlicher Vorschriften zulasten der arbeitenden Menschen wie Lockerung der Sicherheitsstandards am Arbeitsplatz, Schwächung des Kündigungsschutzes, gezielten Angriffen auf Gewerkschaften. Grenzen zwischen Regierungswirken und Wirtschaftsinteressen wurden so eingerissen. Um das Land in ihrem Sinne umzugestalten, nisteten sich einige Tech-Bosse gleich nach der Wahl in Trumps Mar-a-Lago ein; und dank ihres „nützlichen Idioten“ (Sigmar Gabriel) machten sie selbst Politik – Macht ohne Mandat.
Durch die Verschmelzung der Washingtoner Regierung mit der Tech-Branche hat auch Trump an politischer Kraft gewonnen; und er zeigt sich erkenntlich. Die Künstliche Intelligenz (KI) könne sich in den USA nicht erfolgreich entwickeln, „wenn man für jeden einzelnen Artikel, jedes Buch oder alles andere, was man gelesen oder studiert hat, bezahlen (aufgrund von Urheberrechten – St. W.) muss“. Trump unterzeichnete mehrere Dekrete, durch die Rechenzentren für die Regierung schneller genehmigt und der Einsatz US-amerikanischer KI-Modelle in anderen Ländern gefördert werden sollen.

Wir haben es alles in allem mit massiven „Tech-tonischen“ Verschiebungen in der Gesellschaft zu tun. Der Tech-Oligarchie geht es um die schlicht anmutende, aber ungeheuerliche Alternative „Freiheit oder Demokratie“; wie Peter Thiel es sagt: „I no longer believe that freedom and democracy are compatible“ (Ich glaube nicht länger, dass Freiheit und Demokratie kompatibel sind). Demokratische Prozesse bedeuteten mehr behindernden Staat und schädliche Regulierung – da Mehrheiten über politische Regeln entschieden, die nur zur Einschränkung von Eigentumsrechten, zur Umverteilung führten und also individuell-libertäre Freiheiten, besonders wirtschaftliche, beschnitten.

Welche Sumpfblüten moralischen Verfalls das Ganze treibt, zeigt eine bizarre Begebenheit: Douglas Rushkoff, renommierter Medientheoretiker und Zukunftsforscher, berichtet in seinem Buch „Survival of the Richest: Escape Fantasies of the Tech Billionaires“ (Überleben der Reichsten: Fluchtphantasien der Tech-Milliardäre) von einem ungewöhnlichen Treffen. Für etwa ein Drittel seines Professorengehalts wurde er zu einem Vortrag über „die Zukunft der Technologie“ eingeladen. Es mutet an wie ein Witz des Senders Jerewan (Sammlung sozialistischer Alltagswitze, ursprünglich aus der Sowjetunion stammend, bekannt für ihre zweideutigen Antworten, die mit „Im Prinzip ja, aber…“ beginnen): Rushkoff dachte, es handele sich um einen klassischen Vortrag auf einer Konferenz. Das Ganze fand jedoch nicht in einem Konferenzzentrum, sondern in einem abgelegenen, luxuriösen Ressort statt – irgendwo im Nirgendwo. Namen nennt Rushkoff aus Vertragsgründen nicht; aber statt eines großen Auditoriums waren nur fünf Tech-Investment- und Hedgefonds-Milliardäre aus dem Silicon Valley anwesend. Die Fragen drehten sich nicht um technische Trends, globale Strategien oder gesellschaftliche Entwicklungen, sondern nur um ein Thema: „The Event“ (das Ereignis), ein Begriff für mögliche gesellschaftliche oder globale Zusammenbrüche durch Klimakrise, Pandemien, Cyberangriffe. Im Einzelnen ging es dem „Auditorium“ fast ausschließlich um seine persönliche Zukunft und Sicherheit: Wie sich auf den sozialen Kollaps vorbereiten; welche Region (beispielsweise Neuseeland, Alaska) bei Klimakrisen sicher sei, wie private Sicherheitskräfte kontrollieren, wenn Geld keine Rolle mehr spielte, oder ob doch lieber autonome Roboter einsetzen…. Diese ultrareichen Tech-Eliten folgen einem dystopischen „Exit‑Mindset“ – es zielt nicht auf gesellschaftlichen Fortbestand, sondern auf individuelle Flucht: „For them, the future of technology is about only one thing: escape from the rest of us“ (Für sie dreht sich die Zukunft der Technologie nur um eines: die Flucht vor dem Rest von uns).

KI, Bitcoin, Plattform-Ökonomien – Tech-Giganten sind in Goldgräberstimmung, seit die regulierungsfreudige Regierung Biden abgewählt ist. Die Inszenierung Trumps als Verteidiger der kleinen Leute wird sich bald als das entlarven, was sie ist: ein riesenhafter Betrug an großen Teilen des Volkes. Weil letztlich einer winzigen Elite von Eigentümern an Facebook, Amazon, Uber und Co. erlaubt wird, massenhaft und regellos Arbeitskraft und Daten auszubeuten, um riesige Gewinne zu machen. Diese „Auslese“ verachtet die so Ausgenutzten und das diesen dienende politische System; sie will es eiskalt abschaffen. Biden hatte recht, als er in seiner Abschiedsrede vor einer Oligarchie in Amerika warnte.