Ohne sie, die Werbung, funktioniert scheinbar nichts auf der Welt. Ob Handel und Wandel, ob der Ablauf des Lebens schlechthin. Ist dem so? Dem ist so! Das wussten bereits unsere Altvorderen der zurückliegenden Tage. – Was wurde angepriesen? Waren und Dienstleistungen aller Art. Wie wurde angepriesen? Auf Tontafeln (Funde aus Babylon um 3000 v. u. Z. mit Inschriften eines Schuhmachers und eines Salbenhändlers); mit Manufakturstempeln auf Töpferwaren oder Ziegelsteinen und mit Herstellerkennzeichen. Großes Echo versprach auch die akustische Werbung in der Antike durch das Marktschreiertum. Die handelsfreudigen Römer nutzten diese Form der Mitteilung eifrig, nicht immer zur Erbauung ihrer Mitbürger. Cicero und Seneca, die bekannten Geistesgrößen, beschwerten sich erregt über das Geschrei auf Straßen und Plätzen. Es störte ihre Kreise.
Wie einfallsreich Kauflust und Neugier auf Tagesnachrichten angeregt und befriedigt wurden, erfuhr man bei Ausgrabungen in Pompeji. Augenfällige Hinweise gaben Schilder, Inschriften und Graffiti an Hauswänden, an Säulen und an Ladeneingängen. – Die Römer waren pfiffige Leute. Sie arbeiteten schon mit der Vergabe von Rabatt. Aus der Werbung für einen Thermenbesuch: „Bade gut! Heute zahlst du einen As“ (altrömische Münzeinheit) „morgen ist es gratis. Eine gute Sache!“ Oder man machte auf besondere Vorzüge aufmerksam. Zum Beispiel stünden „Becken mit Süß- und Meerwasser“ bereit.
Lange Zeit blieben die Ausrufer auf Märkten die vorherrschenden Vertreter der Werbebranche. Eine Revolution im Geschäft brachte die Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert. Die erste bekanntgewordene Zeitung mit Kleinanzeigen soll 1605 in Straßburg erschienen sein. Der Einsatz unterschiedlicher Werbemittel nahm rasant zu. Man war kreativ. Anzeigen hielten Einzug in Kataloge, Reiseführer, Bücher. – 1854 erhielt der Drucker Ernst Litfaß die staatliche Genehmigung, in Berlin seine „Annoncier-Säulen“ aufzustellen, die nach ihm „Litaßsäulen“ genannt werden. Es ist die erste Art einer Außenwerbung, und sie sollte der Wildwerbung entgegenwirken. – Nach der ersten Rundfunkübertragung im Jahr 1906 (in Brant Rock, Massachusetts) verringerte sich im Verlauf die Gilde der Marktschreier um ein beträchtliches Maß.
Der Werbeprozess widerspiegelt Zeitgeist, Fortschritt und die Zeichen der Moderne. Nachzulesen im Stadtführer einer Universitätsstadt aus dem Jahre 1912. Hotelunterkünfte: „Personenaufzug, Zentralheizung, Doppeltüren und -fenster, Bäder und Elektrisches Licht, etc. etc., vollständig der Neuzeit entsprechend renoviert.“ Gehörte der „schönste und größte Konzertgarten“ dazu, so sei er „mit der Küche durch einen beheizten Speisewagen verbunden.“ – Wünscht der Gast in einem Restaurant zu speisen, so kann er entweder das „Größte Ball- und Vergnügungshaus am Platze mit anerkannt vorzüglicher Küche und Weine erster Häuser“ aufsuchen, oder der eilige Geschäftsreisende wählt den „Tannhäuser-Automaten“. Einwurf 10 Pfennige. Zu entnehmen sind je nach Bedarf: „Halberstädter Würstchen, Kalte Speisen, Bier, Wein, Liköre, alkoholfreie Getränke, Konditoreiwaren, Boullion, Kaffee, Chokolade, Zigarren, Zigaretten. Kein Trinkgeld!“ Wer in einem Café einkehren möchte, der gehe zur „Konditorei Edwin Heinz“. Dort wird „Sämtliches Gebäck garantiert ohne Margarine“ angeboten; und außerdem „die schönste Aussicht nach dem Johannistor, dem Johannisturm und einem Teil der alten Stadtmauer.“ – Für die Familie daheim könnte man beim ortansässigen Fotografen als Gruß aus der Ferne eine Porträtaufnahme von sich anfertigen lassen, „Aufnahmen auch bei elektrischem Licht bei Eintritt der Dunkelheit.“
Kauffreudige finden beim Stadtbummel ein reichhaltiges Angebot. Bücherfreunden ist die „Frommann´sche Hofbuchhandlung“ zu empfehlen, ein Haus, in dem Goethe oft verkehrte. „Gut gewähltes Lager aus dem Gebiete der schönen Literatur, der Kunst und der populären Wissenschaft. Auf Wunsch neueste Erscheinungen zur Ansicht, Abonnements auf alle in- und ausländischen Zeitschriften.“ – Wer etwas Besonderes sucht, das vielleicht in der Eile zu Hause vergessen wurde, der ist aufs Beste bedient im „Spezialgeschäft in Regen- und Sonnenschirmen, Spazierstöcken, Cravatten sowie Herrenwäsche, Neuheiten stets am Lager, Reparaturen und Schirmüberzüge schnell und gut.“ – Sollten die Schuhe durchgelaufen sein, so hilft das „Schuh-Haus Salamander“: „Wenn Sie bisher vergebens nach einem gut passenden Stiefel gesucht haben, so wählen Sie den Salamander-Stiefel. Er sitzt schön, sieht gut aus und kostet für Damen und Herren M. 12,50.“ – Man geht auch an einem Laden vorbei, der auf das Zeitgeschehen verweist: „Spezialgeschäft für Erzeugnisse aus den deutschen Kolonien, China- und Japanwaren.“…
Zu einer Universitätsstadt gehören auch spezielle Angebote für Studenten (außer der wissenschaftlichen Literatur!). Zu erwerben sind: „Studenten- und Schülermützen, Cerevise“ (schirmlose flache, bestickte Studentenmützen), „Baretts, Couleurbänder, Schärpen, Bier- und Weinzipfel usw. Katalog unentgeltlich.“ – Und abends zur „Lichtspielbühne. Mittwoch und Sonnabend Programmwechsel, Lift und gute Ventilation.“
Sollte ich demnächst in der Stadt Einkehr halten, dann allerdings gehe ich unverzüglich in die „Konditorei Heinz“, genieße die schöne Aussicht, den guten Kaffee und die wohlschmeckende Mandeltorte, gleichgültig, ob sie mit Margarine gebacken ist oder nicht.
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