Der Soli, wie der Solidaritätszuschlag zur Einkommen-, Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer umgangssprachlich genannt wird, bleibt vorerst bestehen. Die Abgabe ist in ihrer 2020 modifizierten und seitdem mit hohen Freibeträgen ausgestatteten Form „verfassungsgemäß“. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 26. März mit der Zurückweisung einer Klage von sechs FDP-Politikern auf Abschaffung des Soli entschieden. Damit fällt das 65 Milliarden Euro teure Steuer-Geschenk, das die FDP ihrer Klientel zu Ostern bereiten wollte, aus und dem Bundesfinanzministerium bleibt die sichere Einnahme von rund 13 Milliarden Euro jährlich bis auf Weiteres erhalten. Für die Ostdeutschen aber bleibt damit auch der Vorwurf einer seit 1991 anhaltenden staatlichen Alimentierung, die von Westdeutschen finanziert werde, bestehen. Dieser Vorwurf aber ist unbegründet und schadet dem Zusammenwachsen beider Landsteile, da er auf unzutreffenden Voraussetzungen und irreführenden semantischen Annahmen beruht.
Die Debatte über den Soli war von Anfang an vergiftet. Hierzu hat insbesondere der Bund der Steuerzahler, einer Lobby-Vereinigung gut verdienender Selbständiger und Unternehmer, der sich mit der wiederholten Forderung nach Abschaffung des Soli einen Namen gemacht hat, durch irreführende Äußerungen beigetragen. Dazu gehört die Verbreitung des Eindrucks, nur Westdeutsche würden den Soli zahlen und das Geld würde via Transfers den Ostdeutschen zufließen. Ebenso die Unterstellung, es gäbe zwischen dem Solidaritätszuschlag und dem Solidarpakt für Ostdeutschland einen unmittelbaren Zusammenhang. Beide Aussagen sind Teil populistischer Kampagnen, die die Atmosphäre vergiften und der deutschen Einheit schaden.
In der Politik ist es neben der FDP heute vor allem die AfD, die derartige Unwahrheiten verbreitet und sich lautstark für eine Beseitigung des ungeliebten Soli einsetzt. Dass dies nicht nur bei Besserverdienenden verfängt, sondern auch in breiteren Bevölkerungskreisen auf eine gewisse Resonanz stößt, hat etwas mit der Unkenntnis finanzpolitischer Grundsätze und der Geschichte des Soli zu tun, sehr viel mehr aber noch mit fortgesetzter Demagogie und Desinformation in den sozialen Medien.
Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass Helmut Kohl 1990 mit dem Versprechen in die Bundestagswahl gegangen ist, im Zusammenhang mit der Deutschen Einheit keinerlei Steuererhöhungen vorzunehmen. Das Geld aus der Portokasse sollte dafür reichen. Bekanntlich aber fielen die Kosten für die Vereinigung höher aus als erwartet. Außerdem forderten die USA für den Golfkrieg von der Bundesrepublik Zahlungen in Milliardenhöhe. Um beides stemmen zu können, führte die Bunderegierung zum 1. Juli 1991 einen befristeten Solidaritätszuschlag auf die Einkommen- und die Körperschaftsteuer in Höhe von 7,5 Prozent ein. Als Begründung dafür hätte der Golfkrieg vollkommen ausgereicht, stattdessen jedoch wurde durch die Propaganda vor allem die „Solidarität“ mit den neuen Bundesländern betont. Trotzdem aber wurde der Soli bereits ein Jahr später, als der „Aufbau Ost“ noch nicht einmal richtig begonnen hatte, wieder abgeschafft. Wie dies mit der „Begründung“ des Soli als Solidaritätsbeitrag für Ostdeutschland zusammengehen sollte, ist eine der offenen Fragen der deutschen Vereinigung. Tatsache ist, dass es während der größten Not im Osten, vom 1. Juli 1992 bis zum 31. Dezember 1994, keinen Soli gab. Erst 1995 wurde ein solcher wieder eingeführt, als eine Ergänzungsabgabe in Höhe von 5,5 Prozent auf bestimmte Steuern – und zwar sowohl in West- als auch in Ostdeutschland.
Finanzpolitisch betrachtet, handelt es sich beim Soli um eine direkte Steuer, die dem Bund zusteht. Wie bei anderen Steuern auch, gibt es für die Erhebung des Soli zwar einen Grund – die Kosten der deutschen Einheit –, aber keine Zweckbindung für die Verwendung der dadurch generierten Einnahmen. Diese gehen vielmehr in den „großen Topf“ des Bundeshaushalts ein und werden vom Finanzminister „nach Bedarf“ ausgegeben. Beim Soli handelt es sich also nicht, wie vielfach unterstellt, um eine spezielle Sonderabgabe für den Osten, sondern um einen Zuschlag zur allgemeinen Steuer.
Dies wäre anders, wenn der Soli in ein Sondervermögen eingehen würde. Diese Option aber wurde von der Bundesregierung weder 1991 noch 1995 noch im Jahr 2000 gewählt. Deshalb ist es abwegig, zwischen dem Soli als einer steuerlichen Abgabe und den Solidarpakten, dem sogenannten Soli I und II (als zwei Finanzpaketen für Ostdeutschland), eine direkte Verbindung herstellen zu wollen. Genau das aber war offenbar die demagogische Absicht der Politik bei der Wahl der Begrifflichkeit. Die Ähnlichkeit der Begriffe Solidarzuschlag und Solidarpakt legt es semantisch nahe, dass beide etwas miteinander zu tun haben, die Solidarpakte also ganz oder teilweise aus dem Aufkommen des Soli finanziert wurden. Dies aber ist nichts anderes als „Volksverdummung“, konterte schon 2007 der damalige Finanzminister Peer Steinbrück, indem er darauf verwies, dass der Soli als steuerlicher Zuschlag eine Abgabe ohne Zweckbindung sei.
Nichtsdestotrotz bildet die Begriffsverwandtschaft seit 1991 den Nährboden für populistische Vorstöße von FDP und AfD sowie des Bundes der Steuerzahler, indem sie unter Verweis auf die Fortschritte beim Aufbau Ost immer wieder die Abschaffung des Soli fordern. Bis heute, wie die jüngste Klage von FDP-Politikern beim Bundesverfassungsgericht zeigt.
Interessant ist indes, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zugleich festgestellt hat, dass der Grund für den Soli, nämlich die Diskrepanz in den Lebensverhältnissen von Ost und West, woraus für den Bund ein finanzieller „Mehrbedarf“ erwachse, weiter gegeben sei.
Abgesehen davon, dass von den Klägern in der Sache unzutreffend argumentiert wurde, muss auch bedacht werden, dass eine Abschaffung des Soli nur im Interesse einer kleinen Schicht von Gutverdienenden und Vermögenden läge und folglich der weiteren Verstärkung der ökonomischen und sozialen Ungleichheit in der Gesellschaft dienen würde. Dies auch deshalb, weil die 2020 beschlossene Erhöhung der Freibeträge zur Folge hat, dass rund 90 Prozent aller Einkommensbezieher und Sparer ohnehin von der Zahlung des Soli befreit sind. Seit 2021 greift die Soli-Pflicht erst ab einer Einkommensteuer von 16.956 Euro. 2025 zahlen den Soli nur Einkommensbezieher mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von mehr als 89.000 Euro. Bei Verheirateten sind es 178.000 Euro. Die Beibehaltung des Soli liegt also ganz klar im Interesse von rund 90 Prozent der Bevölkerung.
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