Bereits mehrmals hat Präsident Donald Trump erklärt, Kanada solle doch den USA beitreten. Auf den ersten Blick erschien dies vielen ein absurder Gedanke. Das Land hat 37 Millionen Einwohner; mit einem nominalen BIP von 2.142 Milliarden US-Dollar (2023) ist es die zehntgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, vor Russland und Südkorea.
Gleichwohl hat das Thema eine eigene Geschichte. Mit dem Frieden von Paris 1763 musste Frankreich seine Kolonien in Kanada an Großbritannien abtreten, ganz Kanada war nun britisch. Insofern teilten die 13 nordamerikanischen Kolonien, die die USA gründeten (Unabhängigkeitserklärung 1776, Verfassung 1787) und Kanada das Schicksal, Kolonien Großbritanniens gewesen zu sein. Im Jahre 1775, als bereits harte militärische Kämpfe zwischen den amerikanischen Truppen und der britischen Armee tobten, versuchten amerikanische Milizen von Vermont aus nach Kanada, konkret nach Montreal und Quebec vorzustoßen. Ziel war, die kämpfenden Kolonien gegen mögliche Handstreiche der Briten von Kanada aus zu sichern und es im Kampf gegen Großbritannien auf die eigene Seite zu ziehen.
Hier muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass in der amerikanischen Unabhängigkeitsrevolution wie in jeder Revolution nicht alle auf der revolutionären Seite standen. „Loyalisten“, also Leute, die der britischen Krone gegenüber loyal bleiben wollten, kämpften oft mit der Waffe in der Hand innerhalb des Unabhängigkeitskrieges einen eigenen Bürgerkrieg gegen die Aufständischen. Sie wiederum wurden von rachsüchtigen Patrioten bekämpft und verfolgt. „Britische Gouverneure und Beamte flohen, begleitet von kleinen Gruppen amerikanischer Beamter und großen Mengen königstreuer Kolonisten, vor der aufsteigenden Volkswut“ (so die Historiker Charles und Mary Beard). Tausende mussten fliehen, und sie flohen nicht nur nach England zurück, sondern viele nach Kanada.
Im Jahre 1812, während der Präsidentschaft von James Madison, setzte sich im US-Kongress eine Partei durch, die auf erneuten Krieg mit England drängte. Bei Wikipedia werden die Kriegsgründe genannt, die Madison angeführt hatte. Dazu gehörten die britische Blockade amerikanischer Häfen, um den Handel mit dem von Napoleon besetzten Europa zu unterbinden; die Übergriffe britischer Kriegsschiffe gegen Schiffe der Vereinigten Staaten; die Zwangsrekrutierung amerikanischer Seeleute in die Royal Navy; die angebliche Aufstachelung von Indianervölkern zu Gewaltakten gegen die USA. Tatsächlich wollten die Politiker aus dem Norden und Westen der USA Kanada unterwerfen und aneignen und die aus den Südstaaten Florida erobern. Am Ende drehten die Engländer den Spieß um, drangen in die Vereinigten Staaten ein und brannten Washington nieder.
Keines der Kriegsziele der Vereinigten Staaten wurde erreicht. Mit dem Friedensvertrag vom 24. Dezember 1814 wurde der Vorkriegs-Zustand im Wesentlichen wiederhergestellt. Die englischsprachige Bevölkerung Kanadas war, so der Historiker Firmin Roz, „den Vereinigten Staaten ausgesprochen feindselig gesinnt. Die Provinz war zum großen Teil von Tories kolonisiert worden, die das Gebiet der Union infolge der schlechten Behandlung, die sie während des Unabhängigkeitskrieges und auch nachher erfuhren, verlassen hatten. In ihren Augen waren die Bürger der Vereinigten Staaten eine Unterdrückerbande, und dass sie jetzt als Eindringlinge erschienen, reimte sich nur zu gut.“
Nach allem, was wir heute über die Weitergabe von politischen Erfahrungen über viele Generationen hinweg wissen, dürfte die Idee Trumps, Kanada den USA einzugliedern, eine sehr geringe Chance auf Umsetzung haben.
Anders ist es mit dem Kauf großer Territorien. 1803 kaufte Präsident Thomas Jefferson Napoleon das gewaltige Territorium Louisiana ab, das von der kanadischen Grenze bis zum Golf von Mexiko reichte, das riesige Fluss-System von Mississippi-Missouri umfasste und das damalige Territorium der USA im Grunde verdoppelte. Spanien kauften die USA 1819 Florida ab, 1850 Texas, 1867 von Russland Alaska. In diesem Sinne ist das Ansinnen, Grönland den USA einzuverleiben, etwas anderes.
Dänemark hatte zunächst nur die grönländische Westküste kolonisiert, während USA-Expeditionen seit Mitte des 19. Jahrhunderts Teile des unbewohnten Westens und Nordens erforschten. Nachdem die Deutschen 1940 Dänemark besetzt hatten, stellten die USA Grönland unter ihren Schutz und sorgten für die Versorgung der dortigen Bevölkerung. Die USA errichteten dort auch Militärstützpunkte, die im Kalten Krieg eine besondere Bedeutung erhielten, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Frühaufklärung von Starts nuklearer Interkontinentalraketen durch Moskau und der Kontrolle der Arktis-Region. US-Präsident Harry S. Truman bot Dänemark nach dem Zweiten Weltkrieg an, Grönland für 100 Millionen US-Dollar in Gold zu kaufen. Dänemark lehnte ab, doch es wurden langfristige Stationierungsverträge, auch im Kontext der NATO, vereinbart.
Angesichts der Klimaerwärmung, der Öffnung der Seewege in der Arktis und der nun zugänglich werdenden Bergbau-Möglichkeiten im hohen Norden sowie der sich zuspitzenden Konkurrenzen zwischen den Großmächten artikuliert die Trump-Administration neue Begehrlichkeiten.
In gewissem Sinne hat Wladimir Putin mit dem russischen Überfall auf die Ukraine die Tür in ein neues imperialistisches Zeitalter geöffnet, in dem selbst mit Druck und gegebenenfalls Gewalt Veränderungen territorialer Besitzstände vorgenommen werden. Donald Trump scheint entschlossen, durch diese Tür zu gehen.
Schlagwörter: Erhard Crome, Grönland, Kanada, USA