27. Jahrgang | Nummer 21 | 7. Oktober 2024

Bemerkungen

Ein Brief

Den folgenden Brief schrieb Fritz Klein am 26. März 1999. Zwei Tage zuvor hatte die NATO im Zuge des Kosovo-Konflikts begonnen, Serbien zu bombardieren.

 

Dies ist kein polemischer Leserbrief gegen einen Leitartikel, dessen Aussage ich nicht zustimme – was der Fall ist –, sondern der eher bekümmerte Brief eines Historikers, der in seinem Leben Krieg erlebt und nicht wenig über Krieg und Frieden nachgedacht und geschrieben hat, an einen Autor, den er ehrlich schätzen gelernt hat, der aber nun in seinem Plädoyer für Bomben auf Serbien in einer Weise argumentiert, die ich nicht anders als höchst bedenklich ansehen kann. „Der bittere Ernst der Normalität“, die Überschrift und vieles im Text zeigt ja an, daß Sie keinen Hurrapatriotismus alten Stils im Sinne haben. Ungewollt rutschen Sie doch aber genau auf diese Ebene, wenn Sie Verantwortungsethik = Kriegsbereitschaft und Gesinnungsethik = Pazifismus gegenüberstellen. Mit verächtlichem Unterton erwähnen sie die „Gesinnungs-Exzesse“ der Friedensbewegung – die übrigens damals keineswegs nur die deutsche Friedensbewegung charakterisierten, wenn man sich an die riesigen Demonstrationen der amerikanischen Friedensbewegung in den achtziger Jahren erinnert, zu schweigen von den gesinnungsethischen Exzessen der Bewegung gegen den Vietnamkrieg.

Es ist der Ton, in dem die Friedensbertha vor 1914 verächtlich gemacht wurde. Aber klang nicht aus dem Ruf, die Waffen sinken zu lassen, weit mehr Verantwortungsbewußtsein als aus dem so realistischen Geschrei ihrer Gegner? Ich habe früher auch dazu geneigt, die Suttner, um nur ein herausragendes Beispiel zu nennen, eher zu belächeln. Sie war ja unrealistisch, das ist wahr, und doch, ist nicht am Ende dieses ziemlich schrecklichen Jahrhunderts ihr Ruf das wichtigste Vermächtnis? Was ist „normal“? Müßte denn nicht die Vorrangigkeit von Friedenserhaltung normal sein, d. h. die Normen setzen? Bis in einfache, ganz selbstverständliche Sprachgewohnheiten sind wir an Kriegsverherrlichung statt Friedensgesinnung gewöhnt. Daß jemand etwas tut oder unterläßt „um des lieben Friedens willen“, wird ja nicht gesagt, um ihn zu loben. Es liegt in der Feststellung ein Tadel für Schwäche, Nachgiebigkeit oder gar Feigheit. Im besten Falle drückt sie Bedauern aus, daß übermächtige Umstände es nicht gestatten, die eigentlich zu lobenden und zu fordernden Tugenden wie Stärke, Kompromißlosigkeit und heroischen Mut zu beweisen. (Die letzten drei Sätze sind ein Zitat aus einer Rede über Geschichtsbewußtsein und Friedensdenken, die ich im Februar 1989 auf dem letzten Kongreß der Historikergesellschaft der DDR gehalten habe, mit einer Zielsetzung gegen jeden, gleichgültig wo, der so dachte.) Kein neuer Wilhelminismus hebe sein Haupt, versichern Sie, in der Art der „The Germans to the front“-Stimmung. Ihr Wort in Gottes Ohr. Ich bin da nicht so sicher und wurde in meinem Zweifel bestätigt, als ich beim Bäcker heute früh die großlettrige Überschrift eines der Boulevardblätter sah, die in Berlin erscheinen und leider von sehr viel mehr Leuten gelesen werden als der Tagesspiegel, mit der stolzen Mitteilung, englische Stimmen zeigten sich begeistert von der Tüchtigkeit der deutschen Bomberpiloten.

[…]

Entschuldigen Sie bitte die Behelligung durch einen Menschen, der ernsthaft der Meinung ist, sich seine friedensorientierte Gesinnung aus Verantwortungsgefühl bewahren zu sollen.

 

Die Schreibweise des Originals wurde beibehalten.

 

 

„ViVi – mit Fahrer und Sekretariat“

Bücher, auf die wir uns freuen

– vom Bücherwurm vor Erscheinen entdeckt

 

Herkules Keule ist Sachsen-Korrespondent einer Redaktion für überregionale Nachrichten, seine Namensähnlichkeit mit dem berühmten Dresdner Kabarett rein zufällig und juristisch nicht belastbar. Neben Artikeln schreibt Keule auch Broschüren über aktuelle Themen in seinem Bundesland. Seine neueste Veröffentlichung mit dem Titel „ViVi – mit Fahrer und Sekretariat“ widmet sich einer umstrittenen Entscheidung des sächsischen Landtags.

Wir zitieren aus der Einleitung: „Während es im neugewählten Landtag Thüringens zu Tumulten kam, war im Parlament des benachbarten Freistaats Sachsen nur leises Grollen zu hören. Aus durchsichtigen Gründen wurde unnötigerweise ein neues Amt geschaffen: der vierte Vizepräsident des Landtags. Dresdner Witz prägte dafür rasch den Spitznamen ‚ViVi‘.“

Normal wären zwei Vizepräsidenten, drei gab es trotzdem schon und nun also einen vierten – als Zugeständnis an die SPD, mit der die CDU eine Regierung bilden will. Aus der Broschüre zitieren wir Interviews, die von den Gesprächspartnern nicht autorisiert wurden:

„N. N., langjähriger Abgeordneter der CDU: ‚Was heißt ‚unnötiges Amt‘? Davon haben wir in Deutschland so viele, dass es auf eines mehr oder weniger nicht ankommt.‘ […]

S. W., neugewählte Abgeordnete des BSW: ‚Umfaller? Wir doch nicht! Wir haben den vierten Posten zunächst vehement abgelehnt. Aber wir besetzen den überflüssigen dritten. Darum haben wir nun doch vehement zugestimmt. Was unsere Wähler davon halten werden? Also, Sie stellen vielleicht merkwürdige Fragen!‘ […]

X., Mitglied der SPD-Fraktion: ‚Ein Vizepräsident, was für ein sozialdemokratischer Erfolg nach dem Wählerschwund! Ja, ja, er bekommt einen persönlichen Fahrer samt Dienstwagen und eine Sekretärin. Na und? Wir schaffen damit zwei neue Arbeitsplätze. Wir passen auf, dass Fahrer und Sekretärin verheiratet sind, aber nicht miteinander. Dann haben zwei Familien etwas davon. So sieht unser Respekt für arbeitende Menschen aus.‘“

Rainer Rönsch

Verspätete Richtigstellung

In der Weltbühne 26/1982 ist Matthias Biskupek in seinem Beitrag „Straße von Kösen nach Eckartsberga“ auf die Niederlage Preußens gegen Napoleon in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt im Jahre 1806 zu sprechen gekommen, von denen die erstere Teilbataille überwiegend im und um das Dorf Vierzehnheiligen tobte und die zweitere vor allem bei Hassenhausen stattfand.

Im Verlaufe des Textes heißt es dann: „Eckartsberga ist ein ruhiges Kleinstädtchen. Hübsch in die Landschaft eingepaßt; Hügel, Wald, eine Burgruine. Das Diorama der Schlacht ist im Burgturm momentan nicht zu besichtigen. Dafür erinnert ein Gedenkstein an Gustav Adolf von Schweden, der an ebenjener Straße betete, bevor er mit seinem Heer in die Schlacht von Lützen ritt, seine letzte Schlacht. Schon wieder eine Schlacht. Eine Steinbank gibt es hier aber auch, die mal nichts mit Schlachtgeschrei zu tun hat. Darauf eine Inschrift, daß Goethe angesichts der Eckartsburg am 17. Oktober 1813 die Ballade ‚Der getreue Eckart‘ dichtete und hernach beim Postwechsel in Eckartsberga unten niederschrieb. Man achte auf den feinen Unterschied Dichten – Niederschreiben.“

Leider ist uns erst jetzt aufgefallen, dass mit dem Dichtungszeitpunkt der Ballade („[…] Das Bier ist verschwunden, die Krüge sind leer […] .“) etwas nicht stimmen kann, denn ausweislich von Franz Göttings „Chronik von Goethes Leben“ (Insel-Verlag, Band 782, Frankfurt am Main 1963, Seite 70) ist von Goethes Oktober 1813 folgendes dokumentiert:

„Oktober 4: Einquartierung: der französische General Travers.

Oktober 12: Gedicht ‚Offne Tafel‘ [„Hänschen, mach die Türen auf! / Sieh nur, wie sie kommen!“ – die Redaktion].

Oktober 17ff.: Goethe dichtet während der Leipziger Kampftage an dem Epilog zum ‚Essex‘ von J.  G. Dyk nach dem Englischen von John Banks.

Oktober 19: Sieg bei Leipzig in Weimar bekannt. 20. Franzosen in Weimar. 21. Kosaken zur Befreiung. Leibwache für Goethe. Einquartierung.

Oktober 23-26: Besuch österreichischer Offiziere. Hauptmann von Heß. Einquartierung: General Graf Colloredo. Goethe empfängt ihn mit dem Ritterkreuz der Ehrenlegion. 24. Mit Kaiser Alexander bei Hofe.

Oktober 26: Besuch Graf Metternich, Wilhelm von Humboldt.

Oktober 29: Goethe bei Hofe mit Hardenberg, General Kleist von Nollendorf. 30. Besuch Prinz Paul von Württemberg. 31. Preußische Staatsräte Alberti und von Hippel.

Oktober Ende: Gedicht ‚Ballade‘ (Herein, o du Guter!).“

Wir bitten, den 1982er Lapsus zu entschuldigen.

Die Redaktion

PS: Ob die fehlerhafte Inschrift auf der Steinbank in Eckartsberga womöglich zwischenzeitlich berichtigt wurde, harrt noch der Überprüfung.

 

 

„Nachtzugtage“

Die Autorin Millay Hyatt liebt nicht einfach das Bahnfahren – dieses zu lieben ist derzeit schon schwierig genug und verdient Bewunderung – sie liebt auch lange Strecken mit vielen Umstiegen und dies nicht nur nachts, sondern teilweise noch mit ihrem kleinen Sohn. Diesem ist das Buch gewidmet.

Millay Hyatt nimmt uns mit in Züge verschiedenster Bahnunternehmen und auf mehr oder weniger bekannte Bahnhöfe in diversen Ländern. Jeder Streckenbeschreibung ist eine Landkarte vorangestellt, so dass die Leserschaft dem Verlauf der Reise gut folgen kann. Vor ihrem Text folgt weiterhin zunächst ein Auszug von einer anderen Person, die sich zum Thema (Bahn-)Reisen geäußert hat. Im Anhang findet sich eine Übersicht zu dieser Literatur, so dass frau auch diese Texte gut auffinden und nachlesen kann – Agatha Christies „Mord im Orientexpress“ fehlt hier ebenso wenig wie das „Kursbuch der Deutschen Bundesbahn“ oder Johann Wolfgang Goethes „Italienische Reise“.

Gleich zu Beginn des Buches beschreibt die Autorin sowohl die Unterschiede zwischen Schlaf- und Liegewagen und zwischen den diversen Personen, die über die Einhaltung der jeweiligen Bahnregeln wachen – insbesondere dann wenn die Amtsperson des einen Landes entscheidet „Zugbindung aufgehoben“ und die Entscheidungsperson im Zug des nächsten Landes sich nichts vorschreiben lassen will. Wo kämen wir da schließlich hin …

Trotz vieler Widrigkeiten kommt Millay Hyatt scheinbar überall hin – auch wenn dazwischen Grenzen, Sprachschwierigkeiten, Schienenersatzverkehr, grimmige Zollbeamte und anderes liegen. Auf diesen Bewegungen von A nach B, wie sie es selbst nennt, lernt sie Menschen kennen, mit denen sie sich auch ohne eine gemeinsame Sprache verständigen kann – und Menschen, auf deren Bekanntschaft auch die meisten von uns gern verzichten würden …

Weiterhin beschreibt Hyatt detailliert die Einrichtungen in diversen internationalen Zügen und auf Bahnhöfen (Toiletten, Cafés et cetera) oder deren Fehlen – sowie, das ist das Spannendste an ihren Beschreibungen – ihre Gedanken und Gefühle zum Thema Bahnfahren, Aus-dem-Fenster-Schauen (schon der Zufall, auf welcher Seite des Zuges man sitzt, kann unterschiedliche Seherfahrungen bedeuten), Einschlafen können (oder auch nicht), das Rattern der Züge genießen (und das Aufwachen bei unplanmäßigem Halt). Auch die Unterschiede zwischen früheren Reiseformen und heutigen sowie zwischen Bahn-, Auto- und Flugreisen werden analysiert und regen zum Nachdenken an.

Die Deutsche Bahn (DB) will offenbar Menschen mit vielen Maßnahmen und schlechten Umgangsformen vom Bahnreisen abschrecken, Millay Hyatt hingegen will sie dafür begeistern. Ob ihr das angesichts des derzeitigen DB-Chaos allerdings gelingen wird, ist fraglich. Ihr Text begeistert jedoch allemal.

Viola Schubert-Lehnhardt

Millay Hyatt: Nachtzugtage, Friedenauer Presse, Berlin 2024, 238 Seiten, 24,00 Euro.

 

 

Längst vergessen?!

Fundstücke aus DDR-Jahrgängen der Weltbühne, die dank einer Spende aus Leserhand nunmehr im Blättchen-Archiv stehen.

Die Redaktion

Fragen eines jungen Bundesbürgers

In Auschwitz wurde Sklavenarbeit ausgebeutet. Wem floß der Gewinn zu? Metallarbeitern, Schriftsetzern, Straßenbahnern? Oder anderen?

Die jüdischen Unternehmen wurden „arisiert”. Wer bekam sie? Schlosser, Landarbeitet, Sekretärinnen? Oder andere?

Richter de Ch. verhängte Zuchthaus wegen „Rassenschande”. Heute ist er Bundesrichter. Wieso?

Die Fabriken und Gruben in Polen, der Tschechoslowakei, Frankreich, der Ukraine eigneten sich die deutschen Konzerne an. Heute lehren sie, das Eigentum sei unantastbar. Nur ihres?

Dresden wurde zerstört, die Dresdner Bank wurde reicher. Ist da ein Widerspruch?

Das Deutsche Reich zerbrach. Die Deutsche Bank wurde mächtiger denn je. Ist da ein Zusammenhang?

In den „Tiger“-Panzern starben putsche Soldaten. In den Messerschmitt-Flugzeugen kamen deutsche Piloten um. Aber Flick und Messerschmitt gewannen Milliarden. Wieso das?

Für die Verteidigung, so lese ich, müssen alle Opfer bringen. Auch die Rüstungs-Lieferanten?

Haben alle Deutschen den Krieg verloren? Oder nur die meisten?

*

Auf diese Fragen gibt mir der Lehrer keine Antwort. Kann er nicht antworten? Oder fürchtet er sich? Etwa vor dem Berufsverbot?

Emil Carlebach (Frankfurt/M.)
Weltbühne, 11/1979

Die Schreibweise des Originals wurde beibehalten.

 

Leider ist es der Redaktion nicht gelungen, Inhaber der Rechte an den Wb-Publikationen von Emil Carlebach ausfindig zu machen. Wir bitten daher darum, sich gegebenenfalls mit uns in Verbindung zu setzen.

 

 

Bezaubernde Landschaft – bezaubernde Musik

Seit den 1970er Jahren läuft der „Rockpalast“ regelmäßig im Fernsehen – zuerst nur beim Westdeutschen Rundfunk (WDR), mittlerweile unter anderem auch beim MDR und bei 3Sat.

Der „Rockpalast“ war von Anbeginn an mehr als nur eine Fernsehsendung: Für progressive Rockmusik-Fans wurde es eine Art Befreiungsschlag und eine Kult-Veranstaltung mit festem Sendeplatz. Legendär waren und sind die Festivals aus der Grugahalle in Essen oder von der Loreley.

Neben den klassischen Rockbands fanden auch Vertreter anderer Musikstile hier eine Auftrittsmöglichkeit. So spielte am Abend des 29. August 1982 der Schweizer Harfenist Andreas Vollenweider zusammen mit seinen zwei Freunden Walter Keiser (Schlagzeug und Percussion) und Pedro Haldemann (Percussion). Ort des Geschehens war das Amphitheater Loreley, eine Freilichtbühne an einem mythenträchtigen Platz. Dieses Naturdenkmal hat ja bekanntermaßen Eingang in viele künstlerische Werke gefunden.

Über vierzig Jahre lang ruhte diese Konzertaufnahme in irgendeinem Archiv, nun erschien sie als kombinierte Ton- und Filmaufzeichnung im Digipak mit CD und DVD.

Der typische „Vollenweider-Sound“ entsteht durch seine besondere Spieltechnik an der Harfe: „Ich trete fast nie Pedal, ich spiele in Skalen. Ich möchte, dass es klingt, so wie das Wasser fließt. Ich spiele total intuitiv. Ich will vor allem auch des Rhythmus‘ wegen kurze Töne spielen können, auch hart, glashart.“

Dieses perlende Harfenspiel hat er sich selbst angeeignet … Und tritt auch heutzutage noch auf. Am 4. Oktober konnte er übrigens seinen 71. Geburtstag feiern.

Auf der DVD kann nicht nur das das Konzert genossen werden, sondern sie zeigt auch die bezaubernde Landschaft an dieser Stelle des Rheins. Ein wahrhaft sinnliches Gesamterlebnis!

Vollenweider ist als Vollblutmusiker ein sehr zurückhaltender Mensch, der auf der Bühne nur sparsam moderiert. Erwähnenswert sei abschließend auch sein soziales Engagement: So trat er im Dezember vergangenen Jahres bei einer Benefizmatinee in Zürich zugunsten von „SOS MEDITERRANEE“ (Seenotrettung im Mittelmeer) auf.

Thomas Rüger

 Andreas Vollenweider & Friends: Live at Rockpalast 1982, Label: MIG-Music 2024, CD & DVD,

um die 20,00 Euro.

 

 

Zinnober

Sebastian Krumbiegel, Sänger der Band „Die Prinzen“ lenkte 2019 ein, er wolle das Lied zukünftig nicht mehr singen. Die Kritik hatte einen Song des erfolgreichen Albums „Soviel Spaß für wenig Geld“ getroffen. In dem Blödel-Lied heißt es: „Mein Hund ist schwul, die dumme Sau / Er macht nicht ‚kläff‘, er macht nur ‚wau‘ / Er ist als Pudel ein Ästhet  / Dem öfter mal die Nudel steht / Was meistens nur im Rudel geht.“ In dem Lied wird mit mehreren Stereotypen über schwule Männer gespielt. Nach der Kritik, in der er, Krumbiegel, als homophob angegangen wurde, wolle er nicht mehr „Witze auf Kosten anderer“ machen und auf eine diskriminierungsfreie Sprache achten.

Nun ja, kann man so sehen, muss man bei Witzen aber nicht unbedingt, denn die funktionieren fast immer auf Kosten anderer Menschen: Frauen, Männer, Blondinen, Polizisten, Lehrer, Kinder, Ostfriesen, Sachsen …, natürlich auch Schwule, warum sollten sie ausgenommen werden.

Dem „schwulen Hund Hasso“ wurden nun „schwule Schafe“ an die Seite gestellt. Allerdings nicht in einem Blödel-Text, nein in einer ernsthaft gemeinten und aktivistischen Werbung mit dem Ziel der Verkaufsförderung. Bill Kaulitz war mit seinem Zwillingsbruder Tom Gründer der Band „Tokio Hotel“, ist dort Sänger und heute eher als Medienstar der Regenbogenpresse und Schwager von Heidi Klum bekannt. Er warb jetzt für ein Unternehmen, dessen Chef Mitglied im Gayfarmer-Verband ist, und sich selbst so bewirbt: „Rainbow Wool – das weltweit erste Textil- und Fashion-Statement aus der Wolle schwuler Schafe“.

Natürlich gibt es im Tierreich gleichgeschlechtliche Verhaltensweisen. Nur Begriffe wie schwul und lesbisch sind den Menschen vorbehalten, nicht sinnvoll auf Tiere übertragbar. Damit unterstützt man auch nicht die „LGBTQIA+-Community“ und klärt über das „Queersein“ auf. Da hilft es auch nicht, wenn man einen – glaubt man den einschlägig informierten Journalen – schwulen Sänger als Markenbotschafter einspannt. Das Sexualverhalten von Tieren dem von Menschen gleichzusetzen geht an der Realität vorbei. Wie sich der Mensch aus dem Tierreich erhob, beschrieb Friedrich Engels, auch den Anteil der Arbeit und des menschlichen Sozialverhaltens daran. Im Grunde diskriminiert man Schwule, wenn man ihr Sexualleben nun auf das Verhalten von Tieren reduziert.

Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Wann singt Sebastian Krumbiegel wieder über den schwulen Hasso? Vielleicht in einem ostdeutschen Duett mit Bill Kaulitz?

Klein Zaches

Auf den Punkt gebracht

Alle anderen Autofahrer sind Idioten.

Lothar Kusche

 

Die Beschäftigung mit sich selbst führt in den Abgrund.

Wenn Sie einmal an Schweigeexerzitien der Jesuiten teilgenommen haben,

wissen Sie das.

Ferdinand von Schirach

 

Lasst mich doch in Ruhe!

Brechts letzte Worte

 

Viele Autoren bringen Antworten vor,

noch ehe sie die Fragen verstanden haben.

Laurence J. Peter

 

Sachen neu denken ist der nächste heiße Scheiß.

Ist ja auch besser, als was zu machen.

Einfach mal neu denken.

Leider benutzt man dafür immer noch das alte Gehirn.

Thorsten Sträter

 

Was wir Fortschritt nennen,

ist nur der Tausch eines Ärgernisses gegen ein anderes.

Henry Havelock Ellis

 

Ein erwachsener Mensch sollte keine Ziele haben.

Das lenkt nur ab vom Leben.

Otto Jägersberg

 

Das Einzige, was wir aus der Geschichte lernen,

ist, dass wir nichts aus ihr lernen.

Georg Friedrich Wilhelm Hegel

 

Irren ist menschlich –

aber wenn du den Radiergummi vor dem Bleistift aufbrauchst,

übertreibst du.

J. Jenkins

 

Wer bessern will,

macht oft das Gute schlimmer.

William Shakespeare

 

Ein Fachmann ist ein Mann,

der aufgehört hat zu denken – er weiß.

Frank Lloyd Wrigt

 

Selbst wenn alle Fachleute einer Meinung sind,

können sie sehr wohl im Irrtum sein.

Bertrand Russell

 

Wo alle gleich denken,

denkt keiner sehr viel.

Walter Lippmann

 

Nichts anderes braucht es zum Triumph des Bösen,

als dass gute Menschen gar nichts tun.

Edmund Burke

 

Wer eine neue Idee hat, ist ein Spinner,

bis die Idee einschlägt.

Mark Twain

cf

Der junge Schiffer

von Friedrich Hebbel

Dort bläht ein Schiff die Segel,

frisch saust hinein der Wind;

der Anker wird gelichtet,

nun fliegt’s hinaus geschwind.

 

Ein kühner Wasservogel

kreist grüßend um den Mast,

die Sonne brennt herunter,

manch Fischlein, blank und munter

umgaukelt keck den Gast.

 

Wär‘ gern hineingesprungen,

da draußen ist mein Reich!

Ich bin ja jung an Jahren,

da ist’s mir nur ums Fahren;

wohin? Das gilt mir gleich!

 

Heinrich Lund / Wilhelm Suhr (Hrsg.): Deutsches Dichterbuch,

Verlag Herrosé & Ziemsen, Wittenberg o.J.

Deutsch als Fremdsprache …

… hat wirklich seine Tücken: Wer als frisch Verliebter versetzt wurde, ist halt sitzengeblieben. Doch in der Schule ist es genau umgekehrt – nur wer versetzt wird, bleibt nicht sitzen.

hgh

Neue Limericks (X)

von Thaddäus Faber

Ein Drei-Sterne-Koch in Winsen

musste beim Kochen jüngst grinsen

und schnitt statt der Zwiebel

sich selber recht übel.

Da verging ihm das Grinsen in Winsen.

 

Einem Glasbläser aus Lauscha-Ernstthal

war das Glasblasen tagsüber bloß Qual,

denn der blies auch bei Nacht

bis der Morgen erwacht,

was ihm meistens den Rest seiner Kraft stahl.

 

Ein frisch Amputierter aus Sitzendorf

kratzte einmal zu viel an seinem Schorf.

Die Sepsis schlug zu,

da war er im Nu

ein Trauerfall mehr in Sitzendorf.

 

Ein Jägersmann aus Lichte

jagte einst seine Nichte

über Stock, über Stein,

doch er brach sich ein Bein.
So endete diese Geschichte,

 

Ein Tunichtgut aus Kleinlohma

beklaute nicht nur seine Oma.

Er belog auch den Paster

und frönte dem Laster.

Der war der Schreck von Kleinlohma.

 

Dereinst der Herzog von Rudolstadt,

der hatte seine Mätressen satt:

Immer nur schminken, immer nur gackern,
immer nur Venushügel beackern –

das macht auch den Stärksten irgendwann platt.

 

Ein Säufer aus Neckeroda

verschmähte Limo und Soda.

Doch Schnaps und auch Bier

gab’s bei dem schon vor vier.

Da staunte selbst Meister Yoda.

 

Ein Jüngling aus Dittrichshütte

hatte ‘ne ganz scharfe Schnitte.

Die vernaschte ihn immer.

Doch kam es noch schlimmer:

Sie las dabei die Brigitte.

 

 

Aus anderen Quellen

„Es war ein“, so beginnen Özlem Alev Demirel und Jürgen Wagner, „sicherheitspolitischer Paukenschlag allererster Güte: In mickrigen drei Sätzen gaben die USA und Deutschland am 10. Juli 2024 bekannt, ab 2026 diverse Mittelstreckensysteme hierzulande stationieren zu wollen. Die Bundesregierung wartete mit der wenig überzeugenden Begründung auf, es gelte eine Fähigkeitslücke gegenüber russischen Waffen zu schließen. Doch eine Fähigkeitslücke besteht hier nicht wirklich. Denn der Westen hat entsprechende luft- und see-gestützte Systeme bereits in Europa. Stattdessen deutet alles darauf hin, dass es eigentlich darum geht, Überraschungsangriffe tief im russischen Raum durchführen bzw. glaubhaft damit drohen zu können.“

Özlem Alev Demirel / Jürgen Wagner: Frieden schaffen mit Angriffswaffen?, US-Mittelstreckensysteme in Deutschland – gefährlich und destabilisierend, Die Linke im Europaparlament, Brüssel 2024. Zum Volltext hier klicken.

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„Auf dem Maidan“, schreibt Petra Erler, „in jenen blutigen Tagen im Februar 2014, wurden die ‚Himmlischen Hundert‘ geboren, jene unschuldigen Opfer angeblich repressiver Staatsgewalt unter Janukowitsch. Ihnen gibt Iwan Katschanowski eine Stimme. Nach 10 Jahren Forschung legt der ukrainisch-stämmige kanadische Professor seine umfänglichen Forschungen (gegengeprüft) in einem Buch vor, das bei Springer in Englisch erschienen ist. […] Im Ergebnis ist er [Katschanowski – W.S.] sich sicher: Es war eine ‚Operation unter falscher Flagge‘, von Teilen des Maidan in Gang gesetzt.“

Petra Erler: Das Maidan-Massaker – eine Operation unter falscher Flagge, petraerler.substack.com, 13.09.2024. Zum Volltext hier klicken.

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Blättchen-Autor Wolfram Adolphi hat sich in einem Vortrag am 10. September 2024 mit dem Abzug der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) vom Territorium der ehemaligen DDR befasst: „Der Abzug der sowjetischen Streitkräfte aus Deutschland von 1991 bis 1994 war ein weltpolitisches und weltgeschichtliches Ereignis ersten Ranges. Seine Würdigung kann daher selbstverständlich nur gelingen, wenn wir den Bogen zurückspannen bis zum Zweiten Weltkrieg und seiner Vorgeschichte; und da wir diese Würdigung mit dem zeitlichen Abstand von 30 Jahren vornehmen, muss ebenso selbstverständlich die in diesen 30 Jahren von den verschiedenen beteiligten Seiten geübte politische und militärische Praxis in den Blick genommen werden.“

Wolfram Adolphi: Der beispiellose Rückzug. Der Abzug der (ex)sowjetischen/russischen Streitkräfte aus Deutschland 1994 – Gründe, Hoffnungen, Irrtümer, Wirkungen asiaticus.de, 10.09.2024. Zum Volltext hier klicken.

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Susanne Gaschke liefert ein aktuelles Psychogramm des Bundeswirtschaftsministers: „Es wirkte recht heuchlerisch, wie Habeck von den scheidenden Vorsitzenden schwärmte, die gerade deshalb so gute Vorsitzende gewesen seien, weil sie nun gingen. Dass er – der stets gern den Eindruck kultiviert, er sei in politische Verantwortung immer nur irgendwie hineingestolpert – für alle erkennbar nun zu solchen Mitteln greift, zeigt, wie sehr der Wille zur Macht einen Menschen verändert.“

Susanne Gaschke: Der andere Blick, nzz.ch, o.D. Zum Volltext hier klicken.

 

Zusammengetragen von Wolfgang Schwarz.

Letzte Meldung

In den gerade erschienenen Duden 2024 wurden etwa 3000 Begriffe neu aufgenommen. Darunter dieses Mal – Zwei-Prozent-Ziel / Zweiprozentziel*.

Die Entscheidung der Dudenredaktion, der unter anderem das Kriterium zugrunde liegt, dass ein Wort „wirklich ‚in aller Munde‘ ist und nicht etwa nur von Fachleuten gebraucht wird“ (Website Duden), war überfällig. Hatte doch ein anderer Begriff, der mit dem Zweiprozentziel aufs innigste verknüpft ist, seinen Stammplatz in der deutschen Rechtschreibbibel längst gefunden – kriegstüchtig.

am

* – Meint die NATO-Vorgabe an die Paktstaaten, dauerhaft jährlich mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes fürs Militär zu verpulvern.