27. Jahrgang | Nummer 19 | 9. September 2024

Über den Tod eines Königs

von Renate Hoffmann

Einer der verabscheuungswürdigsten Kriege (welcher Krieg ist nicht verabscheuungswürdig?) trägt den Namen der „Dreißigjährige“. Er währte von 1618 bis 1648 und hinterließ verbrannte Erde. Im Gefolge Mord, Totschlag, Plünderung, Brandschatzung, Hungersnöte und Seuchen. – Aus einem Gedicht von Martin Opitz (1597- 1639) „in Widerwertigkeit Deß Kriegs: …Die Bäume stehn nicht mehr / die Gärten sind verheert; / Die Sichel und der Pflug sind jetzt ein scharffes Schwert.“

Zwei konfessionelle Machtblöcke standen sich gegenüber: Protestanten und Katholiken. Die kriegerischen Auseinandersetzungen geschahen in vier Etappen: Böhmisch – Pfälzischer Krieg (1618 – 1623); Dänisch – Niedersächsischer Krieg (1625 – 1629); Schwedischer Krieg (1630 -1635); Schwedisch – Französischer Krieg (1635 – 1648).

Äußerer Anlass war der Fenstersturz zu Prag am 23. Mai 1618. Evangelische Vertreter der Böhmischen Stände stürmten die Prager Burg und warfen zwei kaiserliche Vasallen samt ihren Schreibern aus dem Fenster.

In der dritten Periode griff Gustaf II. Adolf König von Schweden in das Geschehen ein. Mut, Tapferkeit und Umsicht sagten ihm Zeitgenossen nach. Bewunderung und Achtung wurden ihm entgegengebracht. Er vertrat die evangelische Glaubensrichtung und galt als ihr Vorkämpfer. Ein Regent mit humanistischer Bildung, mehrsprachig, fortschrittlich in der Durchsetzung von Reformen (Verwaltung, Gerichtsbarkeit, Bildungssystem, Militärwesen und anderem). Gründung der Stadt Göteborg mit Unterstützung protestantischer Zuwanderer aus Deutschland, Schottland und den Niederlanden samt ihren Fähigkeiten.

Die Hintergründe des „leu aus Mitternacht“ (Löwe aus dem Norden) auf seinem Zug nach Süden waren sowohl religiöser Art als auch bedacht auf Machtzuwachs, Gebietserweiterung und politische Einflussnahme. In den kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem kaiserlichen Heer wurde Albrecht von Wallenstein Herzog von Friedland und Oberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen zum gefährlichsten Widersacher des schwedischen Königs. – Eine der Hauptschlachten mit beiderseitigen hohen Verlusten und unentschiedenem Ausgang fand am 6, November 1632 in der Nähe der Ortschaft Lützen bei Weißenfels im heutigen Sachsen-Anhalt statt. Gustaf Adolf verlor sein Leben.

Bericht: Am Morgen des Novembertages lag dichter Nebel über dem Land, der sich erst gegen 11 Uhr lichtete. Gegenüberstellung der protestantischen und kaiserlichen Lager mit ihren Heerführern Gustav Adolf und Albrecht von Wallenstein. Etwa 11 Uhr begannen die Kampfhandlungen. Wallenstein in einem Brief: „… alsdann ist die Schlacht […] angangen, mit einer solchen Furi, das niemandt ein solches gesehen oder gehört hat. dann […] biß in die finster Nacht ist ein Treffen nach dem andern beschehen …“ – Der linke schwedische Flügel drohte zu wanken. Gustav Adolf eilte in Begleitung einiger Getreuen zu Hilfe. Wiedereinsetzender Nebel nahm dem kurzsichtigen König die Orientierung. Er geriet in die Nähe des Feindes und erhielt einen Musketenschuss in den linken Ellenbogen. Sein Pferd „Streiff“, ein brauner Oldenburger, scheut. Der König stürzt, verfängt sich wahrscheinlich mit dem Fuß im Steigbügel und wird noch einige Meter mitgeschleift. Stichverletzungen und der tödliche Schuss in den Rücken treffen ihn aus nächster Nähe. Gustav Adolf trug an diesem Tag über dem Lederkoller keinen Harnisch, einer älteren Verletzung wegen. Es war inzwischen hoher Mittag geworden. – Man fand den Toten unter vielen anderen Toten erst am Abend. Ausgeplündert.

Im ehemaligen Geleitshaus zu Weißenfels wurde Gustav II. Adolf König von Schweden obduziert, einbalsamiert und auf diese Weise für die lange Reise in sein Heimatland vorbereitet. – Den Lederkoller Gustav Adolfs überstellte Wallenstein als Trophäe nach Wien zu Ferdinand II. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Im Jahr 1920 gab man das Erinnerungsstück an Schweden zurück.

Die apokalyptischen Zustände damaliger Zeiten und die charismatische Gestalt des Schwedenkönigs beschäftigten nicht nur die Geschichte, ebenso Literatur und Wissenschaft. Zu den Dichtern, neben anderen, gehört Conrad Ferdinand Meyer mit seiner Novelle „Gustav Adolfs Page“. (Der achtzehnjährige Leibpage Augustus von Leubelfing ist historisch verbürgt, er zählte zu den acht Begleitern des Königs auf dessen Todesritt). – Mit Hilfe moderner kriminaltechnischer Methoden gelang es, aus Blutresten der noch vorhandenen Kleidungsstücke des Königs – nach so vielen Jahren – die Blutgruppe zu bestimmen. Blutgruppe A! Wer demnach auch die nämliche besitzt, darf mit Fug und Recht behaupten, er habe eine königliche Blutgruppe, auf die er stolz sein könnte.