27. Jahrgang | Nummer 18 | 26. August 2024

Warten auf Möckels Pfeil

von F.-B. Habel

Ich hatte schon immer eine bestimmte Absicht, mich in die zeitgenössische Welt hineinzuschreiben und dort Verhaltensweisen der Menschen meist lustig, manchmal aber auch auf derbere Art aufs Korn zu nehmen.“ So beschrieb Klaus Möckel seine Intention in „Gelegenheiten, Verwirrung zu stiften“, einer Art Möckel-Lesebuch, das Jürgen Seidel 2020 aus dem kaum zu überblickenden Lebenswerk des Autors, Übersetzers und Herausgebers zusammengestellt hat. Als Möckel am 4. August im Kreise von Familie und Freunden seinen 90. Geburtstag beging, nannte er sein Werk tiefstapelnd „bescheiden“, weil er nicht viel von sich hermacht. Auch Blättchen-Leser wissen, wie vielgestaltig es ist. Hier hat er in den letzten Jahren Gedichte, Aphorismen und Aufsätze veröffentlicht. Und dass er auch grafisch etwas auf dem Kasten hat, bemerkte unser Rezensent bebe.

In der Kleinstadt Kirchberg bei Zwickau geboren, wurde Möckel nach dem Krieg Werkzeugschlosser, ehe er an der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät (ABF) das Abitur nachmachte und in Leipzig Romanistik studierte – angeregt von einem ABF-Lehrer. Für den „Prinzen“-Autor Antoine de Saint-Exupéry entwickelte Möckel ein besonderes Interesse und machte ihn 1963 zum Thema seiner Promotion.

Als Lektor, Herausgeber und Nachdichter beim Verlag Volk und Welt und auch später als freier Schriftsteller widmete er sich Autoren wie Jean Cocteau, Pablo Neruda und Marcel Marceau und in Zusammenarbeit mit seiner Frau Aljonna auch Jewgeni Jewtuschenko. Die Slawistin Aljonna, Tochter des Komponisten Erwin Johannes Bach, hatte er 1964 geheiratet. 1966 wurde ihr Sohn Dan geboren. Damit begann eine schwierige Lebensphase, denn der Junge konnte weder hören noch sprechen. Seine Kommunikation war zu einem großen Teil körperlich, was den Eltern viel Kraft abverlangte, sie aber auch positiv forderte. Als sich Klaus Möckel entschloss, über das Leben der Eltern mit Dan einen Roman zu schreiben, wurde „Hoffnung für Dan“ 1983 zu einem Bestseller, weil sich zuvor kein Autor so einfühlsam, aber auch schonungslos mit dem Thema Behinderter in der DDR auseinandergesetzt hatte.

Großen Erfolg hatte Möckel mit seinen Kriminalromanen, die in den Reihen „Blaulicht“ und „DIE“ (Delikte, Indizien, Ermittlungen) erschienen. „Variante Tramper“ mit Andreas Schmidt-Schaller und „Drei Flaschen Tokajer“ mit Jörg Schüttauf wurden gern gesehene Filme der „Polizeiruf“-Reihe.

Möckels Arbeit für Kinder und Jugendliche fand ihren Höhepunkt von 1996 bis 2003, als er mit seiner Frau zusammen Alexander Wolkows Geschichten um den „Zauberer der Smaragdenstadt“ unter dem gemeinsamen Pseudonym Nikolai Bachnow in sechs Bänden fortschrieb.

Seine Vielseitigkeit bewies der Autor auch in seinem neuesten Buch „Immer zu Diensten“, das pünktlich zu seinem Geburtstag erschien. Darin knüpft er an seine seit 1966 erschienenen phantastischen Erzählungen an, in denen er immer versteckte Hinweise auf die Gegenwart gab. Inzwischen laufen sie auch unter dem einst verpönten Anglizismus Science fiction. Möckel ist up to date und beschäftigt sich auch mit KI, der künstlichen Intelligenz. Dan Möckel hat die Kreativität seiner Eltern geerbt und das Titelbild des Bandes beigesteuert.

„Vielleicht passiert es doch noch mal, dass ich einen Pfeil im Köcher finde. Dann setze ich mich eben wieder hin und schreibe weiter“, sagte der Autor seinem Herausgeber Jürgen Seidel. Dann könnte auch das Blättchen davon profitieren!

Jürgen Seidel (Hrsg.): Gelegenheiten, Verwirrung zu stiften. Edition digital, Pinnow 2020, 283 Seiten, 19,80 Euro (E-Book 14,99)

Klaus Möckel: Immer zu Diensten. Edition digital, Bad Salzdetfurth 2024, 234 Seiten, 16 Euro, (E-Book 9,99)