Die Ergebnisse des Ukraine-Krieges auf den Schlachtfeldern desavouieren die offiziellen und offiziösen Siegesmeldungen von Politik und Medien in Deutschland. General a. D. Harald Kujat, früher Generalinspekteur der Bundeswehr und hernach Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, sagte in einem Ende Juli 2024 publizierten Interview: „Nach dem Scheitern der mit großen Erwartungen verbundenen ukrainischen Offensive 2023 ist die militärische Lage der Ukraine sehr kritisch geworden und wird jeden Tag schwieriger. Die ukrainischen Streitkräfte haben die Fähigkeit zu einer offensiven Landkriegsführung weitgehend verloren.“ Bereits seit Dezember 2023 ist – so Kujat – eine hochrangige US-amerikanische Beratergruppe in Kiew, um dort die militärische Führung zu beraten. Und er setzte fort, wenn sich „eine militärische Niederlage der Ukraine abzeichnet, wird es sicherlich Forderungen geben, den westlichen Waffen westliche Soldaten folgen zu lassen“.
Ralph Bosshard, Oberstleutnant der Schweizer Armee mit Generalstabsausbildung, der jahrelang für die OSZE-Beobachtermission in der Ukraine tätig war, antwortete auf die Frage nach der Verantwortung Russlands im Ukraine-Krieg, dass es der ukrainische Präsident Selenski war, „der das Minsker Maßnahmenpaket über den Haufen warf. Dieses sah einen Waffenstillstand vor und war dank der Resolution 2202 des UN-Sicherheitsrates seit 2015 völkerrechtlich bindend. Bundeskanzler Olaf Scholz kam die undankbare Aufgabe zu, den russischen Präsidenten Putin bei seinem Besuch im Kreml Mitte Februar 2022 davon zu unterrichten, dass Kiew sich nicht mehr an die Verträge halten werde.“ Bosshard mutmaßt, „dass in Moskau der Entschluss zum massiven Angriff vom 24. Februar 2022 erst nach dem Besuch von Scholz in Moskau fiel“.
Der frühere republikanische Abgeordnete im US-Kongress, Ron Paul, betonte: „Während die Niederlage der Ukraine im Krieg immer näher rückt, versuchen die Neocons verzweifelt, die USA weiter in den Kampf hineinzuziehen.“ Er zitierte den Generalstabschef der US-Streitkräfte, Charles Q. Brown, der Einsatz von Ausbildern der USA, respektive der NATO in der Ukraine sei unvermeidlich. Das wiederum sei ein Szenario, so Paul weiter, wie in Vietnam: Zuerst würden Ausbilder entsandt, dann würden die auch an die Front beordert, dann müssten sie durch Kampftruppen „geschützt“ werden und dann würden immer mehr Truppen geschickt. Dies sei im Verhältnis der USA zu Russland heute jedoch der Weg in den Atomkrieg. „Die gesamte Beteiligung der USA an diesem Stellvertreterkrieg beruht auf einer Lüge nach der anderen. Sie sagten, wir müssten der Ukraine helfen, Russland zu besiegen, weil die Demokratie selbst auf dem Spiel stehe.“ Dann jedoch habe Selenski „die Wahlen abgesagt. Daraufhin sagte man uns, wir müssten der Ukraine helfen, Russland zu besiegen, denn Putin werde nicht aufhören, er werde bald durch Berlin, London und vielleicht sogar New York marschieren!“ Tatsache sei, „dass die Neokonservativen und Kriegshetzer ständig lügen. Sie tun alles, was nötig ist, um ihre Kriege zu bekommen“.
Soviel zur politischen Großwetterlage.
Eine Gruppe früherer oder selbsternannter „DDR-Bürgerrechtler“ hat sich nun anheischig gemacht, das Lügen-Argument umzudrehen. Am 4. August 2024 wurde ein Brief verbreitet, unterzeichnet von dem ehemaligen DDR-Außenminister Markus Meckel (SPD), der früheren Verwalterin der Stasi-Akten, Marianne Birthler (Bündnis 90/Die Grünen), Ulrike Poppe und anderen. Darin wird dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) vorgeworfen, nicht genug für die „Pressefreiheit“ in Russland einzutreten; im Kreml herrsche „ein Autokrat“, der die Opposition ebenso verbiete wie unabhängige Zeitungen, Fernseh- und Rundfunksender. Dass die Kiewer Regierung ebenfalls oppositionelle Zeitungen sowie unabhängige Fernseh- und Rundfunksender verboten hat, wird unterschlagen, ebenso, dass auch der ukrainische Geheimdienst unliebsame Politiker und Funktionsträger aus dem Wege räumt.
Besonders wichtig scheint es den Briefschreibern zu sein, das BSW und vor allem Sahra Wagenknecht der Lüge zu bezichtigen. Dazu gehöre „die Lüge“, angeblich würden französische Soldaten in der Ukraine operieren. Im Brief wird angeführt, der „russische Staatssender Sputnik“ habe dies am 13. April behauptet, und dann hätten BSW-Politiker das übernommen. Tatsächlich hatte der französische Präsident Macron auf einer Pressekonferenz Ende Februar das Thema aufgebracht: Es könne nichts ausgeschlossen werden, „auch nicht, dass einmal westliche Bodentruppen in die Ukraine entsendet würden, um Russland zu stoppen“. Vier Wochen später wiederholte er dazu in einem Journalistengespräch, vielleicht würden wir an einen Punkt gelangen, „dass wir Bodenoperationen brauchen, […] um die russischen Streitkräfte zu kontern. Die Stärke Frankreichs ist es, dass wir das können.“ Der propagandistische Taschenspielertrick der Briefschreiber besteht offensichtlich darin, dem BSW etwas als Nachplappern russischer Falschdarstellungen zu unterschieben, was in der westlichen Politik und Medienwelt zuvor bereits wochenlang diskutiert wurde.
Die andere Wagenknecht zugeschriebene „Lüge“ ist, sie habe unter Bezug auf „alle Militärexperten“ eine Niederlage der Ukraine prognostiziert. Zunächst haben nie „alle“ Experten eine Niederlage der Ukraine vorhergesagt, wie auch nie „alle“ einen Sieg über Russland herbeigeredet haben. Namentlich nennen die Briefschreiber die recht realistischen Gustav Gressel und Markus Reisner aus Österreich, beide an der Theresianischen Militärakademie in Wien ausgebildet, die eigentlich nicht gegen Wagenknecht zitierbar sind. Dann aber auch Carlo Masala von der Bundeswehr-Universität München, eher ein Dauerverkünder kommender Niederlagen Russlands, sowie Marcus Keupp, der meist als „Militärökonom“ vorgestellt wird, tatsächlich jedoch Kriegsdienstverweigerer war, BWL studiert hat und immer wieder voller Eifer den Untergang Russlands zu beschwören sucht.
Bevor der Bürgerrechtler-Brief veröffentlicht wurde, hätte man sich die Zeit nehmen sollen, die sehr ernstzunehmenden Lageeinschätzungen von Harald Kujat zu lesen. Die Prognose einer ukrainischen Niederlage ist keine „Lüge“, eher schon eine Tatsachenfeststellung.
Der politische Zweck der Operation von Meckel, Birthler & Co. enthüllt sich am Ende des Briefes: „Demokratische Parteien“, zumal die CDU, sollten sich nach den im September ins Haus stehenden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen „genau überlegen“, ob sie „mit derartigen Lügnerinnen und Lügnern koalieren“ wollten oder sollten.
Nach den aktuellen Umfragen liegt in Sachsen die AfD über 30 Prozent, die CDU bei 29 Prozent, das BSW bei 15 Prozent. Linke und FDP bleiben deutlich unter 5 Prozent; SPD und Grüne schrammen an der Fünfprozenthürde entlang. Sollte sich dies im Wahlergebnis bestätigen und wollte die CDU eine Regierung bilden, müsste sie mit dem BSW regieren oder in eine AfD-geführte Koalition eintreten. In Thüringen ist es kaum anders: AfD 29 Prozent, CDU 22 Prozent, BSW 20 Prozent und die Restlinke immerhin – offenbar dank Ramelow – fast 13 Prozent; FDP und Grüne deutlich unter 5 Prozent, die SPD auch hier in der Nähe der Fünfprozenthürde.
Kurzum, Markus Meckel und seine Kreise müssen sich schon fragen lassen, ob ihnen – wenn eine politische Verbindung zwischen der CDU und dem BSW verunmöglicht werden soll – AfD-geführte Landesregierungen eher gemäß sind.
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