Jedes Mal das selbe alte Lied. Jedes Mal diese Zweifel. Jedes Mal die gleiche Argumentation: Diesmal ist es aber besonders wichtig. Und dann fällt die Entscheidung, wenn auch wieder mit Bauchschmerzen: Na gut, dann geh ich halt wählen oder mach Briefwahl. Sei’s drum: Besser wählen als irgendwelchen Ewiggestrigen die Entscheidungen für die Zukunft überlassen.
Es ist also wieder soweit: In Europa wird in wenigen Tagen gewählt. Wieder einmal eine Schicksalswahl? Also diesmal glaube ich das. Allein schon, wenn ich an den ganzen grassierenden Bellizismus denke, der durch die europäische Luft wabert. Allein schon die deutschen Kandidaten können einem das Gruseln lehren!
Ein knapper Blick auf einige: Vorneweg marschiert mit strammen Schritt die Bellizismusamazone der CDU, Frau Ursula von der Leyen, die förmlich aufblüht, wenn es um die Erzfeindbildpflege Russland geht. Dass sie einem Staatenbund vorsteht, der mal den „Friedensnobelpreis“ bekommen hat und damit für eine klare Agenda ausgezeichnet wurde, hat sie wohl erfolgreich verdrängt. Verständigung nein, Friedensinitiativen nein, Konfrontationsverschärfung: Gerne und mit Lust! Hinter ihr drängeln sich zwei weitere Amazonen, Frau Katarina Barley von der SPD und Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP. Wobei Frau Barley mit ihrer Forderung nach einer Atombombe für Europa ein wenig aus dem Blickfeld gerät angesichts der „Krawalloma“ von der FDP. Die ist nicht nur eine der rührigsten Lobbyistinnen für Kriegsgeräte und -geschrei. Sie entlarvt sich auch als wirklich schreckliches Enfant terrible unserer Republik, wenn sie auf einer Demonstration gegen ihr Kriegsgewäsch einen Demonstranten penetrant nach dessen Arbeitgeber fragt (wozu, wenn nicht, um ihn dann zu denunzieren?!). Glaubt sie wirklich, ihr Einsatz für Militarismus in unserem Land sei schon so weit gediehen, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter abmahnen, wenn sie ihr demokratisches Recht wahrnehmen? Andrerseits: Verblendung ist, wie allgemein bekannt, grenzenlos!
Dies zu einigen Kandidatinnen aus der bellizistischen Frauenriege im deutschen Europawahlangebot.
Kommen wir zum Männerangebot auf diesem Gebiet: Auch das kann sich sehen lassen. Da gibt es den Söderjünger Manfred Weber aus der Bayern-CSU, der bei der letzten Wahl Ambitionen auf den Kommissionsvorsitz hatte, bevor dieser dann zwischen France und Deutschland für Frau von der Leyen ausgekungelt wurde. Derzeit ist er Vorsitzender der „Konservativen Fraktion“ im EU-Parlament und damit mächtig genug, um Frau von der Leyens Bellizismuskurs maßgeblich mitzutragen. Bestens unterstützt wird seine Position im Hinblick auf den Erzfeind vom Grünenabgeordneten Reinhard Bütikofer, gegen den aufgrund seiner andauernden Hetze gegen seinen Lieblingsfeind China sogar ein Einreiseverbot nach China verhängt wurde. Auch wenn er in diesem Jahr nicht mehr für Europa kandidiert, ist er doch immer noch ein Aushängeschild für den kriegerischen Kurs von Bündnis 90/Die Grünen.
Soweit ein knapper Blick auf mainstreamartige deutsche Positionen im Umgang mit Krieg und Frieden in Europa. Es ist zum Verzwatzeln, was sich tut und was nicht. Und man könnte geneigt sein, erst gar nicht zu wählen, weil sich doch nichts ändern wird. Man kann auch auf die Idee kommen, die diversen „Wahlprüfsteine“, die zuhauf auf dem Markt sind zu Rate zu ziehen oder gar den allseits bekannten Wahl-O-mat, wobei bei dem vielleicht ein unbekannter Algorithmus sein Unwesen treibt – wissen wir’s? Ehrlich gesagt, halte ich angesichts der prekären Zeiten, die wir gerade durchleben, von beiden Optionen nicht viel. Für mich zählt, völlig einseitig, nur eine, und die lautet: Frieden!
Da scheint es für die kommende Europawahl in Deutschland ein paar wenige Angebote zu geben, die zumindest dafür sorgen könnten, dass der Weg dahin beschritten wird. Da gibt es zum Beispiel den „BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit“, das Bündnis Sarah Wagenknecht, mit so Hoffnung gebenden Kandidaten wie Michael Lüders, dem führenden unabhängigen Nahostexperten Deutschlands, der erst kürzlich seine bahnbrechende Analyse über Moralismus in der Politik veröffentlicht hat (übrigens ein „Spiegel Bestseller“ und zum anderen der ehemalige Linkenabgeordnete Fabio di Masi, ein profilierter Kenner der Finanzkriminalität und hartnäckiger Öffentlichkeitarbeiter im Cum-Ex-Skandal. Als dritter im Bunde sei noch der ehemalige Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel genannt. Drei Musketiere, die für Friedenspolitik für Europa stehen, mit dezidierten Aussagen dazu und nicht mit allgemeinen Friedensfloskeln. Nicht zu vergessen der ehemalige Titanic-Redakteur Martin Sonneborn von der Satirepartei „Die Partei“, der immer mal wieder mit kritisch-satirischem Blick die Geschehnisse im Europaparlament aufgreift (erst jüngst wieder mit seinem Buch „Herr Sonneborn bleibt in Brüssel. Neue Abenteuer im Europaparlament“, 2024) und der einer der Unterzeichner des „Manifestes für Frieden“ von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht ist.
Diese Beispiele mögen zeigen, dass es durchaus auch deutsche Alternativen zum bellizistischen Einheitsbrei im Europaparlament geben kann, und es vonnöten ist, diese zu stärken. Wir sollten den Europavergessern ihre Nebelkerzenwerferei nicht durchgehen lassen. Frieden muss Vorrang haben; denn ohne Frieden ist alles nichts! Mit klarer Option ist dann die diesjährige Wahlentscheidung vielleicht doch mal keine Quälerei …
Schlagwörter: Bellizismus, Europawahl, Friedenspolitik, Jürgen Scherer