27. Jahrgang | Nummer 12 | 3. Juni 2024

Antworten

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, oft als Kriegstreiberin gescholtene – Angeblich befinden Sie sich in einer Koalition mit Olaf Scholz, den Sie unlängst öffentlich charakterisierten: sein Zaudern in der Taurus-Frage sei „verantwortungslos“, „töricht“ und „tödlich“, er sei ein „krasser Rechthaber“ und er habe „geradezu autistische Züge“. Für den Bundeskanzler sind Sie als Koalitionär vermutlich der Komparativ von politischer Gegner.

Sich selbst haften Sie im Wahlkampf gerade das Attribut „Eurofighterin“ an und verhalten sich auch wie ein Kampfjet. Für uns gehören Sie zu den schrillsten und lautesten deutschen Trompeten und Posaunen auf dem Weg nach Harmagedon. Ein Stalingrad scheint für Sie nicht genug gewesen zu sein. Falls er dort überlebt hat, schütze uns Gott. Uns graut vor Ihnen. Die prophetische Apokalypse ist auch eine Art Zeitenwende, das katastrophale Ende der Geschichte.

 

Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen), Diagnose: Polit-Tourette? – Dass sich im Lande, wenn von „Panzer-Toni“ die Rede ist, längst niemand mehr fragt, wer wohl gemeint sein könnte, verdankt sich Ihren permanenten, lautstarken Forderungen, der Ukraine gefälligst immer mehr Waffen zu liefern. Der Spiegel adelte Sie deswegen und ob Ihres Habits zum „Wikinger in Nadelstreifen“.

Darüber hinaus allerdings teilen Sie offenbar gern volle Kanne aus: Das man in Frankreich die Hände über dem Kopf zusammenschlage, weil „bei uns in der Staatsspitze niemand Ahnung von Sicherheitspolitik“ habe. Und wenn Bundeskanzler Olaf Scholz die wiederholten Hinweise des russischen Präsidenten, dass Moskau Atommacht sei, nicht so nonchalant vom Tisch wedelt wie Sie, dann ist Ihnen das Hinweis darauf, dass der, also Scholz, „absolut gar nicht [kapiert], wie atomare Abschreckung funktioniert“. In einem Ihrer öffentlichen Auftritte haben Sie laut Spiegel jüngst gar durchblicken lassen, „dass Olaf Scholz im Sinne Russlands handeln würde“. Eine „krasse, eigentlich ungeheure Unterstellung“, so das Magazin.

Allerdings: Nur prollig herumzupoltern, wie weiland Ihr Landsmann Franz Josef Strauß selig, wenn man nicht gleichzeitig an dessen sicherheitspolitischen Sachverstand und strategischen Horizont heranreicht, das macht einen dann eben auch bloß zum aufgeblasenen Rumpelstilzchen.

Sollte es im Übrigen tatsächlich stimmen, dass es, wie manche Medien mutmaßen, Scholz war, der dafür Sorge trug, dass Ihnen das von Ihrer Partei in Aussicht gestellte Ministeramt im aktuellen Kabinett verwehrt blieb, dann würden wir diesen Punkt auf der ansonsten eher schmalen Haben-Seite des Kanzlers verbuchen. Und zwar – unbedingt!

 

Robert Habeck, grüner Volkstester – Ausgerechnet beim Demokratiefest zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes sagten Sie: „Die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz, also wie heizen wir in Zukunft, war ja ehrlicherweise auch ein Test, wie weit die Gesellschaft bereit ist, Klimaschutz – wenn er konkret wird – zu tragen […] Und ich bin zu weit gegangen.“

Der Staatsrechtler Volker Böhme-Neßler kommentiert auf X (Twitter) den Vorgang so: „Die Politik testet das Volk? Je länger man über diese Aussage nachdenkt, desto schlimmer wird sie… Was für ein Demokratieverständnis…“ Trefflich formuliert.

Mündige Bürger und Wähler sind nicht Probanden einer ministeriellen Studie, möchten wir ergänzen. Sollte das Grundgesetz dem Bürger nicht auch zur Abwehr eines übergriffigen Staates dienen?

 

Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung – In Konstantin Weckers Song „Willy“ von 1977 hieß es mit Blick auf gesellschaftliche Missstände in der alten Bundesrepublik: „Freiheit, Wecker, Freiheit des hoaßt / Koa Angst habn, vor nix und neamands“, und das war eine Definition, die damals auch in der DDR elektrisierte, wenn man sich den Sozialismus anders vorstellte, als von der SED-Obrigkeit verordnet. – Ihnen ist der Satz jüngst, fein verhochdeutscht, in einer Radiosendung über den Ukraine-Krieg und dessen nuklearen Risiken begegnet. Sie haben dazu angesichts des Kontextes völlig zu Recht angemerkt: „Keine Angst vor nichts und niemand zu haben ist […] nicht die Beschreibung von Freiheit, sondern die Beschreibung von Dummheit. Der Dumme kennt keine Angst, weil er zu wenig Fantasie hat, weil er sich überschätzt oder die Wirklichkeit nicht versteht oder verstehen will. Freiheit – das heißt Angst haben, sich aber nicht von der Angst dominieren zu lassen.“

Wir unterstellen, dass sich Weckers Willy mit dieser aktuellen Sicht wahrscheinlich durchaus hätte anfreunden können. Und ebenso mit dem, was Sie heutigen sicherheitspolitischen Dampfplauderern und Hasardeuren gleich anschließend ins Stammbuch geschrieben haben: „Die Gefahr einer atomaren Eskalation als Ziererei und Zauderei abzutun, ist […] weder ein Ausdruck von Freiheit noch von Verantwortung.“

 

Fabian Scheidler, freischaffender Autor, Träger des Otto-Brenner-Medienpreises für kritischen Journalismus – Sie diagnostizieren: „Die Unfähigkeit, den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung zu verstehen, die Maßlosigkeit der Reaktionen, die pompös-narzisstische Selbstinszenierung als Vertreter des Guten, die Denunzierung und Unterdrückung von Kritik, das Fehlen von Empathie gegenüber den Opfern und die Unfähigkeit, auch nur ein Minimum an Komplexität zu erfassen, sind Zeichen einer beängstigenden geistigen Regression in den politischen Eliten der westlichen Welt.“ Damit nicht genug: „Es sollte zum selbstverständlichen Rüstzeug politischer Analyse gehören, dass Ursachenforschung nichts mit der Legitimierung von Verbrechen zu tun hat. Doch selbst diese Minimalanforderungen an rationales Denken scheinen westliche Außenpolitiker zu überfordern.“

Erwarten Sie bitte nicht, dass wir Ihnen für diesen Befund auch noch danken! Denn geahnt hatten wir es zwar, doch uns dennoch in der vagen Hoffnung gewiegt, es werde alles schon nicht so schlimm kommen …

 

Bruce Springsteen, „The Boss“ – Ihr Spitzname stammt noch aus der guten alten Zeit, als Sie Ihren Bandmitgliedern in New Jersey abends nach dem Gig die Gage bar ausbezahlten. Das ist natürlich längst vorbei. Sie sind weltweit einer der erfolgreichsten Rockstars der Geschichte. Ihre Konzerte sind legendär – auch wegen ihrer Länge von schon mal drei Stunden oder mehr – bei denen Sie, Ihre Band und Ihre Fans sich völlig verausgaben. So war es auch im Juni 1988 auf der Radrennbahn in Berlin-Weißensee, beim größten Rockkonzert in der Geschichte der kleinen DDR. Ihr wohl bekanntester Song „Born in the U.S.A.“ wurde damals (und wird heute noch gelegentlich) als Jubelhymne auf den amerikanischen Traum fehlgedeutet. Tatsächlich handelt er aber von den Erfahrungen eines US-amerikanischen Vietnam-Heimkehrers, der, zurück in der Heimat, keinen Platz mehr in der Gesellschaft findet.

Jetzt mussten Sie einige Konzerte der aktuellen Tournee in Europa verschieben, die Stimme macht Probleme. Wir vermissen Sie mit Ihrer unverwechselbaren Stimme und rufen toi, toi, toi …