Geboren am 11. September 1881 in Kopenhagen, gestorben am 25. Mai 1972 daselbst; getauft auf die Namen Asta Sophie Amalie Nielsen. Die Familie lebt in ärmlichen Verhältnissen und wechselt zeitweilig nach Schweden (Malmö).
Das Theater und seine Welt entdeckt Asta Nielsen frühzeitig und erliegt seinem Reiz. Wie auch später im Leben verfolgt sie beharrlich und zielbewusst eingeschlagene Wege, deren Sinngehalt sie für sich erkannt hat. Sie erhält eine Theaterkarte und ist tief beeindruckt vom Geschehen auf der Bühne. Ebenso von Henrik Ibsens Schauspiel „Frau Inger auf Östraat“: „Jetzt wusste ich, dass es für mich nur einen Weg im Leben gab: das Theater! […] Ich wollte Schauspielerin werden!“
Sie überwindet die Schwierigkeiten des Anfangs. Man bietet ihr Engagements am DAGMAR Theater, am Königlichen- und am NEUEN Theater in Kopenhagen. Das Repertoire ist vielfältig, was ihr späterhin zugutekommt, sie kann sich ausprobieren. – Tourneen. Reisen. In Berlin erlebt sie die Regiearbeit von Max Reinhardt, sieht in Paris Sarah Bernhardt als „Phädra“ und ist hingerissen von der Kunst des Theaterspiels
Unzufrieden mit dem Rollenangebot im NEUEN Theater beschließen der Bühnenbildner Urban Gad und Asta Nielsen, einen Filmversuch zu wagen und ihn als Kunstwerk zu gestalten und vorzustellen. Denn die Inhalte der Stummfilmära bestanden „hauptsächlich aus Cowboyszenen im Wilden Westen, Possen, […] oder Herren und Damen im Gesellschaftsanzug, die sich vergnügten, in dem sie sich gegenseitig Schlagsahne ins Gesicht klatschten“.
Im Jahr 1910 entstand der Film „Abgründe“, nach den neuen Prämissen zusammengestellt. Er wurde fast über Nacht ein großer Erfolg und begründete Astas Ruhm, um es vorwegzunehmen, ihren Weltruhm. – In der Folge ergaben sich Schritte, die den Wert der neuen „Kunstform Film“ steigerten: Die Sujets gewannen an Qualität durch Umsetzen von Weltliteratur (Shakespeare, Dostojewski, Strindberg, Ibsen, Wedekind und andere); seriöse Werbung (Plakatgestaltung durch renommierte Künstler); Schauspieler von Rang und Namen werden als Darsteller gewonnen (Paul Wegener, Heinrich George, Eduard von Winterstein, Adele Sandrock, Greta Garbo, Käthe Dorsch und andere). Zusammenarbeit mit bekannten Regisseuren (Ernst Lubitsch, Leopold Jessner). – Am Ende ihres Lebens kann Asta Nielsen auf fünfundsiebzig Filme zurückblicken, die mit ihrem Namen verbunden sind. Nur ein einziger Tonfilm ist darunter.
Bei dieser Fülle von Arbeit braucht es einen Fluchtort für die gefeierte, verehrte Schauspielerin. Es wird die Insel Hiddensee. Das langestreckte Ländchen westlich vor Rügen schildert sie begeistert: „Unter einem unfassbar hohen und blauen Himmel, in Licht und Farben getaucht, die hier noch leuchtender waren als an anderen Orten des Nordens, die ich kenne, liegt die schmale primitive Insel wie eine Oase in der Ostsee.“
Asta Nielsen kannte Hiddensee von Dreharbeiten für den Film „Absturz“, die auch auf der Insel stattfanden. Ihr Filmpartner war damals der russische Schauspieler Grigori Chmara, mit dem sie fürderhin eine intime Freundschaft verband.
Wer auf der Insel weilt und der erklärten Muse des Stummfilms begegnen möchte, der tut gut daran, in Vitte, dem mittleren Inselort, das „Homunkulus“, die Figurensammlung aufzusuchen, um zur Einführung den „Asta Nielsen Abend“ zu erleben. Von und mit Karl Huck, der auf unnachahmliche Weise mit der Vielzahl seiner künstlerischen Mittel und klugen Gedanken ein Lebensbild der Schauspielerin zeichnet. Zusammengestellt aus Filmszenen, Tagebuchaufzeichnungen, aus ihren Memoiren („Die schweigende Muse“) und ihren Kurzgeschichen („Ein Tag im Paradies“).
„Auf Hiddensee einer Insel westlich von Rügen schaffte ich mir ein kleines Landhaus an“, berichtet Asta, „in dem ich – oft vier Monate lang – herrliche Ferien genoss.“ Der heitere Rundbau in Blau / Weiß gehalten, Am Seglerhafen Nr.7, wurde nach Entwürfen des bedeutenden Architekten Max Taut 1922 errichtet. Asta Nielsen erwarb das „kleine Landhaus“ 1928. Sie taufte es „Karusel“, wie es auch am Haus zu lesen ist. Nunmehr eine Gedenkstätte für die berühmte ehemalige Besitzerin.
Das „Karusel“ wurde bald zum bevorzugten Mittelpunkt für Künstler, für Maler, Musiker Schauspieler, Dichter. Gerhart Hauptmann kam von Kloster, dem Ort im Norden der Insel, über die Wiesen herüber, lud Asta zum Essen ein und bot ihr die Rolle seiner „Rose Bernd“ an. Grigori Chmara war des Öfteren Gast im Hause. Joachim Ringelnatz traf ein, der mit seinem köstlichen, verdrehten Humor die weitschweifenden Gespräche in Schwung hielt. Einmal allerdings ging der Schuss nach hinten los. Während einer lebhaften Runde im „Karusel“ behauptete Ringelnatz, „La Paloma“ sei das beste Musikstück der Welt und Chaplin stünde über Shakespeare. Das brachte Heinrich George, ein fülliger Mann, in Rage. Er warf sich vehement auf den nächstbesten Stuhl – und der Sitz brach! Man möge es dem dichtenden Sonderling nachsehen. Dafür bedachte er die Insel und Asta mit einer charmanten, hintersinnigen Eloge:
„Kühe weiden bis zum Rande […] Nackt im Sande / Purzeln Menschen selig töricht. / […] Steht ein Häuschen in der Mitte, / Rund und rührend zum Verlieben. / „Karusel“ steht angeschrieben. / Dieses Häuschen zählt zu Vitte. / Asta Nielsen – Grischa Chmara, / Unsre Dänin, und der Russe, – / Auf dem Schaukelpolster wiegen / Sich zwei Künstler deutsch umschlungen. – / Gar kein Schutzmann kommt gesprungen. – / Doch im Bernstein träumen Fliegen.“
Asta Nielsen, die Bewundernswerte, erinnert sich: „Nirgends war man so jung, so froh und so frei wie auf dieser schönen Insel.“
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