David Ignatius, Kommentator bei der Washington Post – Während unsere Außenamtsannalena nicht müde wird, sich und uns ein ums andere Mal Ihre Überzeugung wissen zu lassen, in der Ukraine ginge es um die westlichen Werte, ist der Washingtoner Blick auf den Krieg um einiges nüchterner. Sie haben den in der Ausgabe Ihres Blattes vom 18. Juli 2023 folgendermaßen rekapituliert: „Für die Vereinigten Staaten und ihre NATO-Verbündeten waren diese 18 Monate Krieg ein strategischer Glücksfall zu relativ geringen Kosten (abgesehen von den Kosten für die Ukrainer). Der rücksichtsloseste Widersacher des Westens [Russland – die Redaktion] ist erschüttert worden. Die NATO ist durch den Beitritt Schwedens und Finnlands wesentlich stärker geworden. Deutschland hat sich von der Abhängigkeit von russischer Energie befreit und in vielerlei Hinsicht seinen Sinn für Werte wiederentdeckt. Die Streitigkeiten in der NATO sorgen zwar für Schlagzeilen, aber insgesamt war dies ein triumphaler Sommer für das Bündnis.“
Wir danken Ihnen für diese schnörkellose Klarstellung. Und auch für Ihre nette mitfühlende Geste gegenüber den gefallenen und verwundeten Ukrainern – allein im zu Ende gehenden Monat Juli 2023 sollen es Medienberichten zufolge ja mindestens knapp 17.000 gewesen sein.
Harald Schmidt, Kassandra am Spielfeldrand – Die FAZ wollte kürzlich von Ihnen wissen: „Scholz’ Antipodin ist Annalena Baerbock, schon habituell. Sie habe die ‚moralische Inbrunst einer Klassensprecherin‘, wurde ihr kürzlich bescheinigt. Disqualifiziert sie das als mögliche Kanzlerin?“ Ihre Antwort: „Sie profitiert sehr davon, dass Habeck am Hang zu früh angetreten ist. Die Anfangsprobleme, also in der London School of Economics mal ’nen Kaffee getrunken, dann behauptet, sie hätte dort studiert, danach ihr Buch, hoppala, doch ein bisschen viel von anderen drin – alles vergessen. In den Sympathiewerten ist sie ganz weit vorn. Das Lächeln, mit dem sie jetzt auf dem NATO-Gipfel auf Jean Asselborn zustürzte, mit seinem beidseitig zurückgeworfenen roten Schal, das war eindeutig Buffo und Soubrette in einer Freiluftoperette. Einen Tag später kommt sie mit ’nem China-Papier raus. Das wird natürlich im Detail überhaupt nicht wahrgenommen, aber der Normalzuschauer sagt: Donnerwetter, das ist doch ’ne nette Frau, die hat ja auch zwei Kinder, der Mann kümmert sich drum, die lässt sich von diesen alten Säcken nichts bieten. Von der Gefühlslage her läuft es auf die Frau zu, als Kanzlerkandidatin.“
Sollten Sie Recht behalten, würden wir die Wahl zwar noch abwarten, aber anschließend wohl doch ins Exil gehen. Also mindestens bis Schilda, wo die Dämlichkeiten wenigstens nicht existenzbedrohlich sind …
Dr. Josef Lange, Vorsitzender des Rates für deutsche Rechtschreibung und Staatssekretär a.D. – in Ihrem Rat sitzen Vertreter aus Deutschland, Österreich, der Schweiz. Liechtenstein, Südtirol, Belgien und Luxemburg, also aus deutschsprachigen Ländern und Regionen. Auf der letzen Tagung im belgischen Eupen legten Sie nach etlichen Jahren eine grundlegende Neubearbeitung des amtlichen Regelwerks und Wörterverzeichnisses vor. Das ging in der medialen Berichterstattung völlig unter. Sie haben die Aufgabe, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks (Regeln und Wörterverzeichnis) im unerlässlichen Umfang weiterzuentwickeln. Aufmerksamkeit erregte jedoch ein weiterer Beschluss zu einem Ergänzungspassus „Sonderzeichen“ für das Regelwerk, der nach öffentlicher Anhörung den staatlichen Stellen vorgelegt werden soll. In der Presseerklärung formulierten Sie: „Zunehmend werden bei Personenbezeichnungen orthografische Zeichen wie der Doppelpunkt (:) – allerdings ohne ein folgendes Leerzeichen (Bürger:innen) – oder Sonderzeichen wie Asterisk (*), Unterstrich (_) oder andere Zeichen im Wortinneren verwendet. Diese Wortbinnenzeichen gehören nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie.“
Den letzten Satz können wir uneingeschränkt zustimmen. Mit anderen Worten: Gendersternchen und Co. dürften im Schulunterricht, in Gesetzestexten oder in amtlichen Schreiben nicht vorkommen.
Bei der Verwendung dieser Sonderzeichen mit Geschlechterbezug solle eine metasprachliche Bedeutung transportiert werden. Sie wiesen auf grammatische Folgeprobleme hin durch die Setzung der Wortbinnenzeichen, die noch nicht geklärt seien, z. B. in syntaktischen Zusammenhängen mit Mehrfachnennung von Artikeln oder Pronomen (der*die Präsident*in).
In andern Fällen (die Kolleg*innen) wird der maskuline Bestandteil (die Kollegen) verschluckt. Manche Genderzeichenverwender argumentieren, der sei ja mitgemeint beim generischen Femininum, gekennzeichnet durch den Asterisk. Ehrlich gesagt, da finden wir das generische Maskulinum „die Kollegen“ kürzer, praktischer und schöner. Und einfacher.
Mick Jagger, unermüdlich rollender Stein – Sie begingen angeblich gerade Ihren 80. Geburtstag – nun ja 1943 geboren – und sind noch immer, zumindest bis ins letzte Jahr, auf einer Never-Ending-Tour unterwegs. Gewissermaßen hat das Bonmot von den Rolling Stones als „strolling bones” einen wahren Kern. Sie rennen über die Bühne, tanzen und springen und schreien. Sie haben mehr Energie als die meisten Mittdreißiger. Wenn Sie also tatsächlich 80 Jahre alt geworden sind, dann haben Sie Raum und Zeit überwunden und sind ein Vorbild für uns alle. „I’ll never be your beast of burden“, sangen Sie schon vor 45 Jahren – und nein, Sie wurden nie ein Lastesel, kein Mensch, der erdrückt wird von Pflichten. Genauso möchte man alt werden, mit einem unbändigen Lebenswillen, einem unerschöpflichen Bewegungsdrang und einer unendlichen inneren Freiheit: Happy birthday, Sir Michael Philip Jagger!
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